Denkmal des Monats Juli 2023

Mauerstück als Relikt des ehemaligen Hauptbahnhofes

In der täglichen Eile fällt dieses Relikt des alten Hauptbahnhofes überhaupt nicht auf. Die Menschen im Bahnhof eilen schnell zu ihrem Gleis, suchen nach Informationen zu ihren Zügen auf den Anzeigetafeln. Und Ablenkungen gibt es mitten im umtriebigen Bahnhofsgeschehen viele. Derzeit wird die Wahrnehmung zusätzlich noch durch die Bauarbeiten bestimmt, mit denen der Dortmunder Hauptbahnhof barrierefrei und freundlicher werden soll.

Für einen Blick zur Seite auf ein außergewöhnliches Stück Mauer, ein Relikt des alten Hauptbahnhofs, bleibt da wenig Zeit und Muße. Grund genug für die Untere Denkmalbehörde Dortmund dieses spannende Zeugnis einer längst vergangenen Zeit als Denkmal des Monats Juli 2023 vorzustellen.

Was ist das für eine Wand?
Nur wenn man es weiß oder bewusst danach Ausschau hält, fällt dieses Mauerstück direkt neben dem Aufzug zum S-Bahn-Gleis als etwas Besonderes ins Auge. Nachgedunkelte große Natursteinblöcke bilden durch leichte Vor- und Rücksprünge eine plastisch gegliederte Wand, wie sie bei neuen Gebäuden eher selten zu sehen ist, vor allem nicht bei der eher glatten Architektur des heutigen Bahnhofsgebäudes aus der Nachkriegszeit. Die dunkle Mauer ist ein letztes Überbleibsel des Vorgängerbaus, der am 6. Oktober 1944 im Bombenhagel unterging. Erbaut hatte ihn die Königlich Preußische Eisenbahndirektion zwischen 1907 und 1910 nach Plänen ihres Regierungsbaurats Karl Hüter. Das große Gebäude mit der repräsentativen Eingangshalle und den langgestreckten Seitenflügeln zeigte den pompösen Stil, den man im damaligen Kaiserreich bevorzugte: geschossübergreifende Säulen und Pfeiler, hohe Walmdächer und als Abschluss einen Uhrturm.

Dortmund „kauft“ sich einen Bahnhof
Der 1910 eingeweihte Bahnhof löste das noch ältere Vorgängergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ab. 1847, also bereits zwölf Jahre nach der ersten Jungfernfahrt einer Eisenbahn in Deutschland zwischen Nürnberg und Fürth, eröffnete die Köln-Mindener Eisenbahn ihren Betrieb mit Halt in Dortmund. 1849 kam die Bergisch-Märkische Eisenbahn mit der Strecke Dortmund-Elberfeld dazu. Beiden Eisenbahngesellschaften diente ein gemeinsames Empfangsgebäude, damals anspruchsvoll in Formen der italienischen Renaissance errichtet und von der Stadt Dortmund finanziert. Dies und ein städtischer Zuschuss zum Gleisbau hatte die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft dazu bewogen, einen Halt in Dortmund einzurichten. Denn ursprünglich war vorgesehen, die Strecke von Mengede direkt über Lünen nach Minden zu führen.

Majestäten auf Besuch
Bereits kurz nach Aufnahme des Betriebs war das erste Bahnhofsgebäude Schauplatz eines glanzvollen Ereignisses: Am 26. September 1847, einem Sonntag, jubelten die Menschen ihrem damaligen Landesherrn zu, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV., der „mit einem Extrazuge in den, durch Flaggen und Laubgewinden festlich geschmückten Bahnhof unter dem Läuten mit allen Glocken und anhaltendem Schießen“ eintraf, wie der „Dortmunder Anzeiger“ beschrieb. War in der Mitte des 19. Jahrhunderts das alte Empfangsgebäude noch beeindruckende Kulisse für einen Königsempfang, so genügte es um die Wende zum 20. Jahrhundert längst nicht mehr den alltäglichen Anforderungen, auch die ebenerdigen Gleise waren „einschneidend“ geworden.

„Taumaken!“ – Zumachen!
Die industrielle Entwicklung Dortmunds und die stark angestiegene Bevölkerungszahl sorgten für einen immer größeren Bahnbetrieb. Probleme bereitete außerdem die ebenerdige Gleisführung, die zu Hauptverkehrszeiten zu langen Wartezeiten an den Übergängen zur Nordstadt führte. Wenn die Schrankenwärter ihren Ruf „Taumaken“ erschallen ließen, wussten alle, dass nun Zeit blieb für das ein oder andere Bier in der Gastwirtschaft – zum Beispiel in der mit dem passenden Namen „Zum Taumaker“. Deshalb forderten bereits 1872 erste Stimmen, das Bahnhofsgelände neu zu ordnen und das mitten in den Gleisen liegende und viel zu klein gewordene Empfansgebäude zu ersetzen. Die Höherlegung der Gleise auf Dämme für einen kreuzungsfreien Verkehr war dann mit dem Neubau des Hauptbahnhofs erst 1910 abgeschlossen.

Heute: schlichte Eleganz
Seit 1952 empfängt nun das jetzige Bahnhofsgebäude die Reisenden. Nicht bei allen Dortmunder*innen war dieser „Zweckbau“, wie es häufig heißt, beliebt. So soll ihn Oberbürgermeister Günter Samtlebe während seiner Amtszeit 1973 – 1999 als „Pommesbude mit Gleisanschluss“ bezeichnet haben. Aber auch hier lohnt sich ein Innehalten und ein näherer Blick. Denn mit seiner lichten Halle, dem weit vorkragenden Dach und der gläsernen Front mit fünf großen, künstlerisch gestalteten Glasbildern steht der Dortmunder Hauptbahnhof für eine Architekturrichtung der 1950er Jahre, die es verstand, Funktionalität mit schlichter Eleganz zu verbinden. Nach Abschluss der jetzigen Sanierungen wird der Dortmunder Hauptbahnhof fit für die verkehrlichen Anforderungen der nächsten Jahre sein – gleichzeitig bewahrt er seine eigene Geschichte. Es ist also ein Tipp für Reisende oder Besucher*innen: Nehmen Sie sich einfach die Zeit und schauen Sie sich das altehrwürdige Stück Mauer, das sich heute galant in das Gebäude einfügt, einmal genauer an.

Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund; Fotos: Untere Denkmalbehörde, Stadt Dortmund); zur Vergrößerung der Fotos diese bitte anklicken!