Deutsche Wollust
Von Peter Grohmann
Eine sogenannte „Brandmauer nach rechts“ wie in Deutschland gegenüber der AfD gibt es in Spanien nicht.: Friedrich Merz ist erleichtert, er könnte über Spaniens Himmel sofort eine Regierung bilden: Meuthen als Justizminister, Sarrazin für Kultur, Amthor für Albernheiten. Meine Omi Glimbzsch aus Zittau würde jetzt einwenden: „Spanien ist doch noch garnicht von Deutschland besetzt!“
– „Omi“, tät‘ ich da mit Goethe einwenden, „was nicht ist, kann ja noch werden!“ Nirgends sonst investieren unsere Rentner so kräftig für ihren Ruhestand wie an der Costa Bravo! Nur ein Alterssitz an der Algarve ist beliebter. Die Umvolkung oder, wie Goebbels gern sagte, die Ethnomorphose, ist fast gelungen – selbst Gernika wird wieder deutsch.
Ganz abgehen davon sagt Friedrich Merz ja nur, was die meisten Biodeutschen sich eh‘ denken, was viele fürchten und was niemand gern zugibt, wegen Ansehen und so. Derartige Merz-Mehrheiten kommen so sicher wie das Amen in der Kirche, das will niemand wahr haben, aber man könnt‘ ja mal drüber diskutieren.
So blickt unsereins dieser Tage statt auf die Prognosen für Trump, Höcke oder Le Pen lieber auf die HerzschrittmacherInnen in Israel: Wie ergötzlich, wie wohltuend, ermutigend, radikal und kompromisslos der Einsatz der Leute in Israel für ihre Demokratie – respektive gegen deren fortlaufende Demontage – ist! Mensch Maier, da ist mehr drin als Festkleben, auch wenn das dort alltäglich ist. Schnellstraßen, Rathäuser, Rundfunkanstalten werden blockiert, Rekruten schmeißen ihre Gewehre weg, High-Tech-Firmen drohen, nach Deutschland abzuwandern, nirgend kommt mehr ein Krankenwagen durch. Hut oder Kippa ab! Da können sich deutsche Republikaner und DemokratInnen ein paar Scheiben abschneiden – die singen schon Halleluja, wenn bei uns Demokratiebewegungen einmal im Schaltjahr ein paar Zehntausend dazu bewegen, gegen Kriege (nur diesen!) oder Klimanotstand (nicht mit denen!) auf die Straße zu kommen. Von Israel lernen, heißt siegen lernen, aber dort ist auch nicht alles Kibbuz, was glänzt! Wir haben ’s geahnt.
Wie kein anderes Land auf dem Erden steht Israel unter ständiger, missbilligender Beobachtung. Wir gucken genauer hin, weil die bei uns auch immer so genau geguckt habe. Unsere Öffentlichkeit, die kaum noch auftritt, betrachtet nahezu obsessiv, was in diesem kleinen Land geschieht – völkerrechtswidrige Landnahmen, obskure Geheimdienstaktionen, Rassismus und eine stärker werdende nationalistische Rechte, die sich gewaschen hat.
Im Blick auf Israel geht uns das Elend am Kap Horn am Allerwertesten vorbei: Knapp eine Milliarde Menschen oder rund 20 % der Menschen hungern weltweit, der Rest der Leute schmeißt die Lebensmittel in den Müll, Unverwertbares kommt nach Asien. Das Wetter ist mal wieder sehr pessimistisch? OK, dann pack’s an. Demonstrieren, protestieren, progressive Projekte befeuern, spenden, lauter werden. Ich bin dabei. Warte nicht auf bessere Zeiten.
Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de