Frau mit Hund –
Ein Porträtfoto ist das „Objekt des Monats“ im MKK Dortmund
Eine Porträtfotografie ist das Objekt des Monats September im Museum für Kunst und Kulturgeschichte: Das Bild „Frau mit Hund“ entstand um 1900 in München und stammt aus der Sammlung Harald Mante. Ausgewählt hat es Joana M. Maibach, Museologin am MKK. Zu sehen ist es in der Ausstellung „Out of the Box“ im Erdgeschoss.
Fotoporträts sind aus unserer Bildkultur und unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Selbstinszenierung hat eine lange Tradition: Obwohl das Medium Fotografie erst um 1839 aufkommt, avancierte es schnell zum ersten Massenmedium der Selbstdarstellung. Insbesondere das aufsteigende Bürgertum nutzte im 19. Jahrhundert die Fotografie, um Selbstbildnisse zu schaffen – ein Privileg, das zuvor jenen vorbehalten war, die sich einen Maler oder eine Malerin leisten konnten.
Von der Carte de Visite zur Kabinettkarte
Zur Verbreitung der Porträtfotografie trägt maßgeblich der Franzose Adolphe-Eugène Disdéri (1891-1889) bei, der 1854 ein kleinformatiges Abzugverfahren patentierte. Das ermöglichte die kostengünstige Herstellung von mehreren kleinen, normierten Abzügen. Die sogenannten Carte de Visite-Porträts, auf Karton montierte Fotografien im Format 6 x 9 cm, führen zu einem wahren Boom des Mediums. Ab 1866 wurde die Carte de Visite weitgehend durch das ebenfalls normierte, aber größere Bildformat der Kabinettkarte abgelöst. Mit einer Größe von etwa 16,5 x 11,5 cm sind die Motive darauf besser zu sehen. Das neue Format wird vor allem für Porträts, aber auch für Landschafts-, Architektur- und Sachaufnahmen genutzt.
Die Popularität des Mediums sorgt für einen Zuwachs an professionellen Fotograf*innen und zur Gründungswelle von Fotoateliers. Im 19. Jahrhundert avancieren sie in den Städten zu beliebten, zentral gelegenen Gesellschaftstreffpunkten.
Das Haustier-Motiv ist beliebt bis heute
Das Münchener Atelier Elvira, aus dem das Objekt des Monats stammt, wurde 1887 von Anita Augspurg (1857-1943) und Sophia Goudstikker (1865-1924) gegründet. Das Motiv „Haustier und Besitzerin“ wurde im 19. Jahrhundert populär und ist bis heute weit verbreitet.
Auf der Rückseite findet sich die Erwähnung, dass die Fotografin Goudstikker „Königlich Bayerische Hofphotographin“ ist –die erste im Königreich Bayern. Diesen Titel erhielt sie 1898, ebenso wie die bayerische Goldmedaille für Wissenschaft und Kunst, die ebenfalls auf der Kartenrückseite abgebildet ist.
Goudstikker und ihre Geschäfts- und zeitweise auch Lebenspartnerin Augspurg lernten sich 1886 in Dresden kennen. Die jüngere Sophia ließ sich dort im privaten Lehrinstitut von Anitas Schwester, der Grafikerin und Malerin Amalia Augspurg (1844-1899), zur Malerin ausbilden. Als Frau wird ihr der Zugang zu den staatlichen Akademien noch verwehrt – dies ändert sich in Deutschland erst 1919.
Fotografinnen waren in der Frauen- und Friedensbewegung aktiv
Die beiden Frau zogen nach München und ließen sich dort zu Fotografinnen ausbilden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts drängten immer mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt, da sich die wirtschaftliche Situation von Mädchen und unverheirateten Frauen der bürgerlichen Gesellschaftsschicht verschlechtert hatte.
Goudstikker und Augspurg sichern sich mit der Ateliergründung nicht nur ihre Existenz, sondern erlangten auch große Bekanntheit. Beide engagierten sich stark für die Frauenbewegung. Anita Augspurg studierte ab 1893 Rechtwissenschaften in Zürich und setzte sich für das Frauenstimmrecht und die Frauen- und Friedensbewegung ein. Goudstikker gründete 1898 die Rechtsschutzstelle für Frauen in München und war die erste vor Gericht zugelassene Verteidigerin von Frauen und Jugendlichen in Deutschland. Die beiden verschleierten weder ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft noch, dass sie die tradierten bürgerlichen Frauenrollen ablehnen.
Künstler- und Hoffotografin
Ihr Atelier florierte auch dank der gesellschaftlichen Verbindungen zum Münchener Kulturmilieu. 1891 eröffneten sie eine Filiale in Augsburg. Neben Porträts für den privaten Gebrauch fotografierten sie Schauspieler*innen, Künstler*innen und auch Mitglieder der bayerischen Königsfamilie. 1907 übernahm Goudstikker die Anteile von Augspurg am gemeinsamen Atelier. Ein Jahr später übergab sie es an ihre Nachfolgerin, um sich ganz auf ihre Tätigkeit in der Rechtsschutzstelle konzentrieren zu können.
Mehr Infos zu Kabinettkarten, Porträtfotografie und der Sammlung Harald Mante unter kabinettkarten-mkk.de.