Heute:
MIT fragt Jens Peick – MdB der SPD-Fraktion und Vorsitzender der Dortmunder SPD
Vorbemerkungen:
Reger Betrieb war kürzlich an einem Sonnabend rund um das Abgeordnetenbüro im Mengeder Saalbau. Der Grund: Beim SPD-Stadtbezirk Mengede war MdB Jens Peick – zugleich auch Vorsitzender der Dortmunder SPD – zu Besuch.
MIT hat über den Besuch berichtet (s. Beitrag vom 22.7. mit nebenstehendem Foto – MdB Peick 3. v. rechts) und die Frage gestellt, warum sich – nach den äußeren Eindrücken wohlgemerkt – nur wenige Marktbesucher getraut haben, auf Jens Peick zuzugehen und spontan oder gut vorbereitet aktuelle Fragen zu stellen.
Für viele BürgerInnen fehlt eine schlüssige Erklärung, warum das Interesse an den politischen Parteien nachlässt, obwohl die einzelnen Akteure – wenn sie befragt werden – glaubhaft erklären, „am persönlichen Engagement liegt es nicht – wir arbeiten ohne Ende und haben kaum Möglichkeiten uns auszuruhen“.
Dem nahliegenden Gedanken folgte sogleich die Tat: Fragen wir doch mal die Abgeordneten, zu deren Wahlkreis der Stadtbezirk Mengede zählt.
Die Idee: MIT gibt diesen Abgeordneten die Gelegenheit, ausführlich über ihre Arbeit zu berichten – und das nicht nur vor den Wahlen.
Wir starten heute die Serie mit Jens Peick. Er hat uns auf den Gedanken gebracht – er war mutig genug, sich auf das Experiment einzulassen.
Allerdings: Der Ausgang des Experiments ist ungewiss.
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MIT
Auf Ihrer Internetseite – https://www.jenspeick.de – fordern Sie eine sichere, vom Staat garantierte Daseinsvorsorge. Sie teilen demnach nicht die Meinung, der Staat solle sich soweit es geht zurückhalten, weil wir mit einem schwachen Staat besser fahren als mit einem starken Staat?
MdB Peick
Die Diskussion um einen starken oder schwachen Staat ist zweitrangig. Bei einer garantierten Daseinsvorsorge geht es darum, dass wir als Gemeinwesen Verantwortung füreinander übernehmen und für die wichtigen Dinge im Leben Vorsorge treffen. Das heißt, wenn man krank ist, kümmert man sich darum gesund zu werden und nicht, was es kostet oder wer es bezahlt. Oder wenn man seine Kinder zur Schule schickt, kriegen die da eine ordentliche Bildung ohne extra Privatschule. Gesundheit, Wohnen, Bildung, Arbeit – das sind die Dinge, die die Menschen wirklich brauchen. Und im Gegensatz zu vielen Behauptungen liefert der Markt als Ordnungsinstrument hier häufig keine guten Ergebnisse. Dann muss der Staat regulierend eingreifen.
MIT
An anderer Stelle heißt es: Eine solidarische Gesellschaft muss Menschen unterstützen und fördern, damit sie wieder Perspektiven erhalten und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Was halten Sie von einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle?
MdB Peick
Das bedingungsloses Grundeinkommen ist eine einzige Lösung für Alle. Das haut selten hin und wenn es dann nicht passt, sind die Probleme groß. Ich bevorzuge passgenaue, an den Bedarfen und Bedürfnissen der Menschen orientierte Lösungen. Dies haben wir als SPD auch versucht mit dem Bürgergeld umzusetzen. Dort wird ganz genau geschaut, was braucht der Mensch, die Familie, was hilft wirklich, welche Perspektiven gibt es. Das alles haben wir unter dem Begriff ganzheitliche Betreuung zusammengefasst. Dagegen soll beim bedingungslosen Grundeinkommen dem Menschen einfach Geld überwiesen werden, aber gesellschaftliche Teilhabe entsteht nicht nur über Geld, sondern vor allem durch Arbeit und eine sinnvolle Aufgabe. Hier greift die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zu kurz. Mit dem Bürgergeld hingegen fördern, unterstützen wir Menschen und entwickeln ihre Potentiale – dazu gehört manchmal auch sie zu fordern. Am Ende ist es wichtig, dass wir niemanden aufgeben.
MIT
Weiter heißt es: Durch mein damit verbundenes gewerkschaftliches Engagement ist mir bewusst geworden, wie wichtig eine gerechte Bezahlung und gute und sichere Beschäftigungsverhältnisse sind. Sie werden festgestellt haben, dass die Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften sich in letzter Zeit verändert haben. Ist diese Veränderung aus Ihrer Sicht gut oder schadet sie der Wirtschaft, und damit der Gesellschaft?
MdB Peick
In Deutschland sind aktuell nur noch ca. 50% der Beschäftigten in Arbeitsverhältnissen, die durch einen Tarifvertrag geregelt werden. Damit sind wir im europäischen Vergleich im hinteren Mittelfeld und deutlich hinter der vom Europäischen Parlament anvisierten Zielmarke von 80%. Gleichzeitig hat sich die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder fast halbiert. Das ist eine erschreckende Entwicklung, die viele Gefahren und Probleme mit sich bringt. In der Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Wirtschaft wird verhandelt, was gute Arbeitsbedingungen sind und was wirtschaftlich an Lohnforderungen etc. leistbar ist. Unternehmen, die tarifgebunden sind haben weniger Probleme mit Fachkräftemangel, weniger Streiktage, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, und damit am Ende auch eine höhere Produktivität. Gleichzeit haben alle etwas von guten Arbeitsbedingungen. Wir arbeiten in der Regel 39 Stunden die Woche. Das ist ein großer Teil unseres Alltags und Lebens. Die Beschäftigten sollten von ihren Rechten Gebrauch machen, sich in Gewerkschaften organisieren und im Betrieb über ihre Arbeitsbedingungen mitbestimmen. Dafür schaffen wir bessere Rahmenbedingungen und Anreize wie das Tariftreuegesetz.
MIT
Ohne Bezug auf Ihren Text im Internet: Warum fällt es der Ampel so schwer, sich auf ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen zu verständigen. Die SPD könnte ja mal zumindest eine Begründung dafür liefern, die etwa so aussehen könnte: machen wir nicht, weil…
MdB Peick
… es dafür keine Mehrheit gibt. Nicht in der Ampel, nicht im Bundestag und wenn auch nur knapp in der Bevölkerung. Das ist normal, denn zur Demokratie gehört es mit Wahlergebnissen umzugehen und Mehrheiten für Themen zu finden. In der Ampel arbeiten drei Parteien zusammen, die in vielen Dingen unterschiedliche Auffassungen haben. Im Koalitionsvertrag haben sie sich auf viele und gute Vorhaben einigen können. Diese setzen wir jetzt bis 2025 um – vielleicht gibt es dann in der nächsten Wahlperiode eine Mehrheit für das Tempolimit.