Europäische Perspektiven und lokale Herausforderungen

(von links nach rechts): Johannes Zedel, Prof. Dr. Anke Weber, Felix Berger, Heide Kröger-Brenner, Luis Hotten, Markus Kurth MdB, Terry Reintke MdEP, Christoph Neumann (Ratsfraktion), Hannah Rosenbaum, Marek Paul Kirschniok, Michael Röls-Leitmann MdL und Katrin Lögering (Ratsfraktion).

Gut besuchter Neujahrsempfang der Dortmunder Grünen

Wenn man an einer Abzweigung steht, wie sich eine Gesellschaft entwickelt, ist es super wichtig, wenn so viele Demokrat*innen zusammenkommen wie heute und hier.“ Mit diesen klaren Worten wies Hannah Rosenbaum, Sprecherin des Kreisverbandes, gleich in ihrer Begrüßung auf eines der wichtigsten aktuellen politischen Themen hin: Den Zusammenhalt aller Demokrat*innen gegen den zunehmenden Einfluss rechtsextremer Kräfte. Und viele Menschen aus Verbänden, Vereinen, demokratischen Parteien, Wirtschaft und Verwaltung waren am Sonntagvormittag der Einladung des Dortmunder Kreisverbandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefolgt.

Im mit rund 250 Personen gut gefüllten Saal des Jazzclubs Domicil in der Dortmunder Innenstadt ging es um die Frage, wie Grün wirkt – in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen und in Dortmund. Auf dem Programm stand zunächst ein Vortrag von Terry Reintke. Die Politikerin aus Gelsenkirchen ist Spitzenkandidatin der Europäischen Grünen für die Europawahl im Juni. Als Brückenbauerin auch zwischen Gelsenkirchen und Dortmund betonte die 36-Jährige die enorme Bedeutung des Ruhrgebiets als zentrale Region für den ökologischen Umbau und Fragen der sozialen Gerechtigkeit in Europa. Mit Blick auf den Tod des russischen Oppositionellen Alexei Anatoljewitsch Nawalny und den ungewissen Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen unterstrich Terry Reintke die Bedeutung des europäischen Zusammenhalts: „Wir müssen als Europäer*innen, ganz klar auf dem Fundament von Menschenrechten, Demokratie und Freiheit, enger zusammenarbeiten und dafür kämpfen, dass sich die Autokratien weltweit nicht durchsetzen“.
Der europäische Green Deal, der massive Ausbau erneuerbarer Energien, diene nicht nur der Erreichung von Klimazielen und wirtschaftlichen Zielen, sondern auch der Unabhängigkeit Europas von Energielieferungen autokratischer Regime. Gleichzeitig betonte die Europapolitikerin aber auch deutlich ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit in der Europäischen Union, deren bisher wohl größter Erfolg die Einführung eines europäischen Mindestlohns sei. „Demokratische Gesellschaften können nur funktionieren, wenn es einen gewissen Grad an Gleichheit gibt, wenn alle Menschen von ihrem Lohn leben können und sozial abgesichert sind. Auch dafür werden wir in Europa in diesem Jahr kämpfen“.

Nach Terry Reintkes Redebeitrag, der von großem Applaus begleitet wurde, übernahm die grüne Prominenz aus Dortmund die Bühne: Bundestagsabgeordneter Markus Kurth, Landtagsabgeordneter Michael Röls-Leitmann sowie Katrin Lögering und Christoph Neumann, Vorsitzende der grünen Ratsfraktion, stellten sich den Fragen von Hannah Rosenbaum und Marek Paul Kirschniok vom Kreisvorstand. In der kurzweiligen Talkrunde konnten die gewählten PolitikerInnen so einige grüne Erfolge ihrer aktuellen Legislaturperioden vorstellen. Und die können sich wirklich sehen lassen, sei es die Einführung von Housing First in Dortmund, der Einsatz für die Einführung des Deutschlandtickets und seiner sozialen Varianten, die neue landesweite Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Umweltkriminalität mit Sitz in Dortmund oder das Bürgerenergiegesetz. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien hob sie besonders die Zusammenarbeit aller Ebenen von Europa über Bund und Land bis in die Kommen hervor. „Klimaschutz und finanzielle Unterstützung der Menschen passen wunderbar zusammen“, ist Michael Röls-Leitmann überzeugt. Wichtigstes Nahziel sei es nun, angesichts der Schuldenbremse die Handlungsfähigkeit der Politik auf allen Ebenen zu erhalten: „Wir brauchen eine Finanzpolitik, die den Bedürfnissen der Gesellschaft dient und keine Sparschwein-Ideologie“.

Mit Blick auf die aktuelle Finanzlage blickte Markus Kurth weniger freudig in die jüngere Vergangenheit: „Am 15. November des vergangenen Jahres hat sich etwas sehr Grundlegendes geändert. Über Nacht ist uns eine wichtige Finanzierungsgrundlage für die Zukunft weggebrochen“, kommentierte er als Mitglied auch des Haushaltsausschusses des Bundestages das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem der geplante Nachtragshaushalt der Bundesregierung nicht zulässig war. „Wir haben es aber trotzdem geschafft, die Fördermittel für Langzeitarbeitslose, für Migrantinnen und Migranten, für Menschen, die Unterstützung brauchen, zu verteidigen.“ Auch das Sanierungsprogramm für kommunale Einrichtungen in den Bereichen Jugend, Kultur und Sport konnte gerettet werden – Mittel, die zum Beispiel dem Freibad Stockheide zugutekamen. Als weiteren Erfolg hebt Markus Kurth das Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ hervor, von dem beispielsweise das Schloss Bodelschwingh profitieren konnte. Aber auch Programme zur Demokratieförderung konnten von den Grünen im Bundeshaushalt verteidigt werden. „Im Bereich der Energiewende und der Mobilität stehen wir vor großen Herausforderungen, die für die Menschen mit spürbaren Veränderungen verbunden sind. Das führt zu Ängsten und Unsicherheiten, die von einigen Seiten gezielt geschürt werden“, blickt Markus Kurth in die Zukunft, glaubt aber, dass die Kommunikation immer besser wird. „Man sieht immer mehr Berichtserstattung dazu, welche Fördermöglichkeiten bestehen, es sickert so langsam durch, dass wir da viel gemacht haben. Ich habe die große Hoffnung, dass das auch funktioniert.“ Eine weitere große Verunsicherung sieht der Bundestagsabgeordnete bei der Krankenhausstrukturreform, obwohl diese eine deutliche Verbesserung der medizinischen Versorgung bedeuten würde. „Das Thema wird populistisch besetzt. Die Gesundheitsversorgung würde abgebaut, dabei ist genau das Gegenteil der Fall.“ 

Und auch in der Dortmunder Kommunalpolitik ist der Haushalt ein wichtiges Thema. So weist Katrin Lögering auf den Ernst der Lage hin, dass es der Stadt Dortmund in diesem Jahr nur durch einen Bilanztrick gelungen ist, das Abrutschen in die Haushaltssicherung zu verhindern. „Die Lage in den Kommunen wird immer enger, weil die Altschuldenlösung auf Bundes- und Landesebene immer noch in der Schwebe ist. Das ist hier im Ruhrgebiet ein großes Problem.“ Trotzdem sei es in vielen Gesprächen mit den anderen Fraktionen im Rat gelungen, wichtige Beschlüsse zu fassen, wie zum Beispiel die systemischen KlassenhelferInnen. „Wir haben weiterhin unter anderem einen kommunalen Aktionsplan zur Überwindung von Obdachlosigkeit bis 2030 auf den Weg gebracht“, ergänzt Christoph Neumann. Mit 40 Millionen Euro im Haushalt könne zudem der Investitionsstau am Klinikum Dortmund beseitigt werden. Das nächste wichtige Ziel sei nun die Erarbeitung des Wahlprogramms für die Kommunalwahl 2025, in die die Zivilgesellschaft breit eingebunden werden soll.

Im Anschluss an die rund 30-minütige Podiumsdiskussion gab es bei einem reichhaltigen Buffet ausreichend Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, was viele Besucherinnen und Besucher des Neujahrsempfangs der Dortmunder Grünen bis in den späten Nachmittag hinein nutzten.

Quelle und Foto: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kreisverband Dortmund; zur Vergrößerung des Fotos dieses bitte anklicken!