GRÜNE wollen Fahren ohne Fahrschein entkriminalisieren

Entlastung für Polizei und Justiz, kein Schaden für die DSW 21

Wer ohne Ticket den öffentlichen Nahverkehr nutzt, macht sich strafbar. Das sogenannte „Erschleichen von Leistungen“ wird bisher – auf Antrag – strafrechtlich verfolgt, vor Gericht können dafür auch Geld- oder Freiheitsstrafen verhängt werden. Zudem fällt das erhöhte Beförderungsentgelt an, das die Verkehrsbetriebe erheben.

Die Bundesregierung plant nun, dass das Fahren ohne gültigen Fahrausweis in Bussen und Bahnen von einem Straftatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird. Auch viele Sozialverbände sprechen sich dafür aus, zuletzt auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe der CARITAS. Als Überbrückung zur bundeseinheitlichen Regelung wollen die GRÜNEN im Rat die vorgesehene Entkriminalisierung in Dortmund bereits jetzt umsetzen. Darüber soll der Rat in seiner nächsten Sitzung am 16. Mai entscheiden.

„Verschiedene andere Städte wie Düsseldorf, Köln, Bremen oder Wiesbaden haben bereits beschlossen, dass die dortigen Verkehrsunternehmen angewiesen werden sollen, künftig auf Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis zu verzichten. Wir wollen, dass sich auch die DSW 21 als Verkehrsträger in Dortmund diesem Verzicht anschließt. Die Inhaftierung von Menschen, die bis zur Umsetzung der Gesetzesreform aufgrund eines Verstoßes zu einer Geldstrafe verurteilt werden und diese nicht bezahlen können, ist unverhältnismäßig und sollte auch im Dortmunder Stadtgebiet beendet werden. DSW 21 entsteht dabei kein finanzieller Schaden“, begründet Fraktionssprecher Christoph Neumann die GRÜNE Initiative.

Zum Stichtag 30.06.2022 verbüßten rund 4.400 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe in deutschen Justizvollzugsanstalten, weil die zuvor gegen sie verhängte Geldstrafe nicht gezahlt wurde. In vielen Fällen handelt es sich um eine Inhaftierung wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis. Die Betroffenen sind weit überwiegend Menschen, die sich das Ticket aus finanzieller Not nicht leisten können und oft durch Drogenabhängigkeit, Krankheit oder Wohnungslosigkeit belastet sind. Eine Geldstrafe kann von ihnen häufig nicht bezahlt werden, weil schon die Mittel für den Kauf der Fahrkarte nicht vorhanden waren. Als Konsequenz erfolgt dann die Ladung zur Ersatzfreiheitsstrafe und damit die Gefängnisstrafe.

Christoph Neumann: „Oft befinden sich die betroffenen Menschen nur für eine kurze Zeit in Haft. Diese Zeit ist weder ausreichend, um ihnen dort die benötigten Hilfen zukommen zu lassen, noch sind Justizvollzugsanstalten in erster Linie darauf ausgerichtet, die zugrundeliegenden sozialen und gesundheitlichen Probleme nachhaltig zu lösen. Die Kriminalpolitik kann Maßnahmen der Sozialpolitik nicht ersetzen.“

Aktuell werden bundesweit jährlich circa 114 Millionen Euro für die Strafverfolgung und den Strafvollzug für das Fahren ohne gültigen Fahrschein aufgewendet. Allein ein Tag im Gefängnis kostet den Staat rund 200 Euro. Trotzdem werden die ohnehin schon überlasteten Ermittlungsbehörden und Justiz mit diesen Fällen befasst. Auch bei den Verkehrsbetrieben, die Strafanträge stellen müssen, entsteht ein erheblicher Verwaltungsaufwand.

„Die dadurch gebundenen Kapazitäten könnten wesentlich sinnvoller für die Ermittlung und Verurteilung von anderen Straftaten eingesetzt werden. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen entlastet werden, um sich auf Dinge zu konzentrieren, für die sie gebraucht werden. Auch die Justizvollzugsanstalten würden durch den Verzicht auf Stellung eines Strafantrages entlastet“, erläutert Benjamin Beckmann, Ratsmitglied und Mitglied der GRÜNEN im Ausschuss für öffentliche Ordnung.

Der DSW 21 entsteht durch die Entkriminalisierung kein finanzieller Schaden. Die bisherigen Geldstrafen – wenn sie eingetrieben werden konnten – wurden nicht an die DSW, sondern an die Staatskasse bezahlt. Unabhängig von der Strafverfolgung schulden die Betroffenen den Dortmunder Stadtwerken weiterhin das sogenannte erhöhte Beförderungsentgelt. Es bleibt der DSW 21 unbenommen, dieses mit zivilrechtlichen Mitteln gegen Personen, die ohne gültigen Fahrausweis gefahren sind, durchzusetzen.

Quelle: Ratsfraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN