„Ein grandioser Tag für den Klimaschutz in Deutschland!“

Jürgen Resch, DUH; Foto: DUH

Klimaklage gewonnen!

Von Jürgen Resch
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe

Was für ein grandioser Tag für den Klimaschutz in Deutschland! Einen Tag bevor der Bundesrat über die Entkernung des Klimaschutzgesetzes abstimmt, haben wir in einer fast sechsstündigen Marathon-Gerichtsverhandlung Fakten für einen verbindlicheren Klimaschutz geschaffen. Gleich vier Bundesministerien versuchten erfolglos das Gericht davon zu überzeugen, dass wir weder klagebefugt seien, noch dass sie ihr Klimaschutzprogramm für die Jahre bis 2030 um konkrete Maßnahmen wie das von uns geforderte Tempolimit auf Autobahnen, Stopp der Klimakiller-Dienstwagen Subventionierung oder die energetische Sanierung von Schulen und Kindergärten nachbessern müssten.

Schon der Auftakt der Verhandlung im größten Saal des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg verlief furios: Die Vorsitzende Richterin Holle eröffnete die Verhandlung mit dem Hinweis, wie bedeutend diese Klage für den Klimaschutz in Deutschland sei. Und dass es in dieser Verhandlung darum gehe, die Grundrechte von vielen hunderttausenden Kindern und Jugendlichen zu schützen, die das aktuell geltende Klimaschutzgesetz über den von der DUH unterstützten Entscheid des Bundesverfassungsgerichts im April 2021 erkämpft haben.

Der nächste Paukenschlag in der Verhandlung war die Entscheidung, die Verhandlung direkt mit dem Kernthema „Klimaschutz konkret“ zu beginnen und alle rechtlichen Fragen der Zulässigkeit nach hinten zu schieben. Fast drei Stunden stand dem Gericht und uns als Kläger Dr. Brigitte Knopf Rede und Antwort, die Stellvertretende Vorsitzende des Expertenrates der Bundesregierung zum Klimaschutz. Es war Gänsehautfeeling, mit welcher Ernsthaftigkeit und Sachkenntnis die Berufsrichterinnen auf die Vertreter der Bundesregierung wieder und wieder auf die Schwere der Verstöße gegen geltendes Klimaschutzrecht aufmerksam machte. Die Vorsitzende Richterin machte unmissverständlich klar, dass die im Klimaschutzplan enthaltenen, bisher beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz fehlerhaft sind. So enthält der Plan Projekte im Wert von über 41 Milliarden Euro, die zwischenzeitlich nicht mehr finanziert sind. Zahlreiche weitere aufgeführte Maßnahmen im Verkehrsbereich bezeichnete Frau Dr. Knopf vom Expertenrat als „nicht bewertbar“, weil zu unkonkret. Sie genügen jedenfalls nicht, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 erfüllen kann.

Die Vertreter der Bundesregierung aus den vier anwesenden Ministerien für Verkehr, Gebäude, Wirtschaft und Umwelt mussten auf Nachfragen unseres Rechtsanwaltes und der Richterinnen wieder und wieder einräumen, gegen geltendes Klimaschutz-Recht und Gesetz zu verstoßen. Ihnen fiel zur Verteidigung nicht viel mehr ein als darauf zu verweisen, dass ja am nächsten Tag der Bundesrat über eine Novelle des Klimaschutzgesetz abstimmen und sich in Zukunft bestimmte Rahmenbedingungen ändern würden. Die schneidende Antwort der Vorsitzenden Richterin Holle war klar und eindeutig: „Rechtsgrundlage der Verhandlung ist das Klimaschutzgesetz in der heute gültigen Fassung“.

Und so erging noch am Abend um 20:30 Uhr der Verhandlung das fulminante Urteil: Die bestehenden Klimaschutzprogramme der Bundesregierung sind rechtswidrig. Das Gericht sieht eine Lücke bis 2030 von mind. 200 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Und die Bundesregierung wurde verurteilt, konkrete Klimaschutzmaßnahmen in diesem Umfang in den Klimaschutzplan aufzunehmen, die nachprüfbar wirksam sind!

Mit diesem grandiosen Urteil im Rücken können wir endlich konkrete Klimaschutz-Maßnahmen gegenüber den einzelnen Ministerien der Bundesregierung durchsetzen. FDP, SPD und GRÜNE können sich ab gestern nicht länger aus ihrer Verantwortung für den Klimaschutz stehlen und Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Stopp der Förderung klimaschädlicher Dienstwagen verweigern!

Unser Anwalt Remo Klinger hat in einer ersten Analyse das Urteil als gleichbedeutend für den Klimaschutz wie auch den von uns mit erstrittenem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz bewertet. Während dieses 2021 die Bundesregierung zu strengeren Zielvorgaben zwang, legt das Urteil fest, welche Verbindlichkeit und Konkretheit die im Klimaschutzplan enthaltenen Maßnahmen haben müssen. Und dies gilt auch für ein geändertes Klimaschutzgesetz, gegen das wir aktuell noch politisch wie juristisch ankämpfen.

Mit diesem Urteil im Rücken können und werden wir insbesondere FDP-Minister Wissing zu wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehrssektor zwingen wie einem Tempolimit und den Stopp der Förderung von Klimakiller-Dienstwagen.

Bereits im Gerichtssaal machten die Vertreter der Bundesregierung deutlich, dass sie auch gegen diese Entscheidung vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen werden.

Auch in den Wochen vor der Verhandlung zeigte die Ampel in erschreckender Deutlichkeit, dass sie keine Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen will. So arbeiten wir seit heute an dem Revisionsschriftsatz zu unserem Erfolg bei den Sofortprogrammen im Urteil desselben Gerichts vom 30. November letzten Jahren und sind zuversichtlich, damit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu obsiegen. Angesichts der sich galoppierend verschärfenden Klimakrise lassen wir es dieser im Klimaschutz von der FDP regierten Ampel nicht durchgehen, dass sie auf Jahre hinaus die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude verweigert, die Bahn systematisch kaputtspart und auf unseren Autobahnen immer schwerere Monster-SUVs sich ein Schaufahren gegen den Klimaschutz leisten.