Wooop-Theaterfestival: Kokerei-Gelände wird zur großen Bühne

Ein Mord und dunkle Mächte

Zwischen den dunklen und schweren Kompressoren schleichen hintereinander Ritter, Feen und Ninjas. Es ist mucksmäuschenstill. Langsam, vorsichtig und geduckt bewegen sie sich durch die große Maschinenhalle. Die Jungen und Mädchen wollen auf keinen Fall die Wächter des Labyrinths alarmieren. Denn sie sind auf der Suche nach der dunklen, bösen Macht und dem „Geheimnis der verzauberten Kokerei“.

 

Theatermacherin Cynthia Scholz gibt kurze, laute Anweisungen, aus der fahrbaren Lautsprecherbox ihres Assistenten klingt passende stimmungsvolle Musik. Generalprobe in der Kompressorenhalle. Das neun Kinder umfassende Ensemble „Spiel mit der Realität“ ist nur eine Theatergruppe auf dem Industriedenkmal. Insgesamt drei freie Theatergruppen, mehrere Schulklassen, Vorschulkinder und Theater AGs aus Dortmund, insgesamt 50 Jungen und Mädchen pro Tag, bevölkern im Rahmen des WOOOP-Theaterfestivals die Kokerei Hansa. Das Industriedenkmal ist großzügige und weitläufige Bühne und vor allem Experimentierfläche für das Festival, das vom 24. bis 28. Juni stattfand, veranstaltet vom Kulturbüro Dortmund in Kooperation mit Theatervolk, dem Dortmunder Institut für Theaterpädagogik, FABIDO sowie der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur.
Ritter Milo sitzt in einer Lokomotive. Zu verlockend ist das historische Fahrzeug auf dem Schwarzen Platz. „Ich verteile auch Autogramme“, witzelt er. Die kleine Schauspielerschar hat Spaß. Derweil machen die drei hübschen Prinzessinnen Pause. Und auch die Feen stärken sich im kleinen Birkenwäldchen im Schatten der Bäume und auf grünem Moos. Wahrlich − ein die Fantasie anregender Platz, den die Theatermacherin für ihr Stationen-Theater ausgewählt hat. Davon gibt es auf dem Kokerei-Areal viele. Insgesamt sechs Szenen spielen die Kinder einer heilpädagogischen Einrichtung und laden mit ihrem Theaterstück gleichzeitig die Zuschauer zum Mitmachen ein. Sie sollen die Theatergruppe auf den Stationen über das Denkmalgelände begleiten und nebenbei auch Rätsel lösen.
Während die junge Theatergruppe probt, laufen in der Waschkaue die Vorbereitungen für das Stück „Mord in der Schule“. Der Literaturkurs des Helmholtz-Gymnasiums präsentiert seine Eigenproduktion, eine Krimi-Komödie. Die Bühne steht, die Bühnentechnik klappt. Die Zuschauer nehmen unter den Kauenkörben, die an der Decke hängen, Platz. Wo früher die Koker „gebuckelt“, also sich gegenseitig den Rücken gewaschen haben, tummeln sich nun Kinder und Jugendliche. Das Stück der im Schnitt 17-Jährigen wurde in der Schule erarbeitet und vorbereitet. Aber bei der abschließenden Aufführung in der Waschkaue erfährt es noch einmal eine andere, besondere Wirkung als im Klassenzimmer. Das Publikum dankt mit Standing Ovations.
„Die Kokerei ist für unsere Idee wie geschaffen“, begeistert sich Susanne Henning vom Kulturbüro der Stadt Dortmund. Sie hat das Theaterfestival konzipiert und organisiert. Zusammen mit Barbara Müller von Theatervolk leitet und koordiniert sie die Woche auf Hansa. „An diesem Kulturort mit Geschichte bieten sich so viele Möglichkeiten zum Entdecken − Landschaften und Gebäude, Technik und Natur.“
Ein Theaterfestival in Dortmund für und mit Kindern und Jugendlichen ist nicht neu. Aber mit Wooop will Henning einen Neuanfang markieren. Statt auf klassischen Theaterbühnen wie bisher, sollen die jungen Schauspieler:innen hier auf dem Kokerei-Gelände und in den Gebäuden mehr Freiheit für Kreativität entfalten. „Der Ort erzeugt Spielenergie“, ist sie sich sicher. Inspiration und Improvisation wünscht sie sich anstelle fester Muster.
Diesen Gedanken greift auch der Workshop „Site Specific Theatre“ auf, in dem die Kinder und Jugendlichen auf spielerische Weise eigenständig die Räume und Plätze der Kokerei Hansa erkunden. Ein Baum, eine Bank, eine Treppe – die Jungen und Mädchen lassen sich inspirieren, lassen ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf und erschaffen auf und mit dem Gelände Klänge und eigene Szenen. Theater ist eben mehr als nur eine einstudierte Rolle in einem Theaterstück.
In der blau gekachelten Kantine steht ein langer Tisch bereit. Tonpapier, Klebeband, Scheren, Zollstock, Acrylfarbe sind im Einsatz. Emsig und in lockerer Atmosphäre arbeiten die Jugendlichen gemeinsam an einer Skulptur. Es wird munter gequatscht, aber auch die Arbeit der anderen begutachtet. Große zweidimensionale Scherenschnitte zeigen ihre Interessen, Vorbilder, Vorlieben und ihren persönlichen Eindruck vom Festival. An einem rollenden Gestell aus Dachlatten werden alle Arbeiten gesammelt und dienen später als Dekoration. Tennisspieler, Rennwagen, ein Fußball, ein Wolfskopf im Profil, ein Blumenplanet, aber auch die Animationsfigur Shaun, das Schaf − alle haben sich hier zusammengefunden. So verschieden und bunt sind die Arbeiten, so bunt wie auch das junge Theatervolk während des Festivals auf der Kokerei Hansa.
Quelle und Fotos: Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur

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