Das Djelem Djelem Festival, das größte Kulturfestival der Rom*nja und Sinte*zze in Deutschland, geht in eine neue Dekade. Vom 6. bis 22. Septemberstehen Nachwuchsförderung sowie Kinder- und Jugendthemen im Fokus. Was bewegt junge Romn*ja und Sinte*zze? Was sind ihre Bedürfnisse, Ängste, Perspektiven und Träume? Wie verbinden sich Vergangenheit und Zukunft? Diese Fragen werden in einem vielfältigen Programm aus Konzerten, Ausstellungen, Filmen, Fortbildungen und Begegnungen behandelt, das an verschiedenen Orten in Dortmund stattfindet, darunter unter anderem die Schauburg, der Friedensplatz oder das Dietrich-Keuning-Haus. Sämtliche Veranstaltungen sind kostenfrei, wobei für einige ausgewählte Events eine Anmeldung erforderlich ist.
Auszug aus dem Programm
Auftaktveranstaltung auf dem Friedensplatz
Ein Highlight des Festivals ist das Konzert des internationalen Jugendorchesters des Elijah e.V. am Samstag, 7. September, auf dem Friedensplatz von 15 bis 16 Uhr. Das Orchester aus Sibiu, Rumänien, vereint musikalische Vielfalt mit einem besonderen Fokus auf die Rom*nja-Tradition. In Dortmund nehmen die jungen Musiker*innen an einem interkulturellen Austausch mit Gleichaltrigen aus der Nordstadt und der Musikschule Dortmund teil. Ihr Aufenthalt gipfelt im Auftaktkonzert auf dem Friedensplatz, bei dem sie zusammen mit Dortmunder Kindern und Jugendlichen ihr Repertoire präsentieren und das Festival eröffnen.
Im Anschluss daran, von 17 bis 22 Uhr, folgt auf dem Friedensplatz die Premiere von „Mari Gilia – Nacht der Sinti-Kultur“. Diese besondere Nacht bietet ein vielfältiges Programm mit Musik, Tanz und traditionellen Speisen. Für musikalische Höhepunkte sorgen das Hugo Richter Quartett, June Heilig & Ensemble sowie die Nürnberger Sinti Hauskapelle. Ergänzt wird das Programm durch die Darbietungen von Romano Schneck und Angel Landro, die mit dem „Tango Gitano“ die kulturellen Wurzeln der Spanischen Kalé widerspiegeln. Authentische Speisen und Getränke an verschiedenen Ständen runden das kulturelle Erlebnis ab.
Familienfest auf dem Nordmarkt
Diskriminierung und Menschenrechte im Fokus
Interessiert daran, wie Diskriminierung effektiv erfasst und bekämpft werden kann? Am Dienstag, 17. September, von 10:30 bis 12 Uhr lädt die Meldestelle Antiziganismus/Antiromaismus NRW zu einer Info-Veranstaltung ins Dietrich-Keuning-Haus (DKH) ein. Seit 2022 unterstützt das Land NRW den Aufbau dieser Meldestellen, um Fälle von Diskriminierung zu dokumentieren und bessere Präventionsstrategien zu entwickeln. Ismeta Stojkovic und Elvira Ajvazi von plan B Ruhr e.V. stellen die bisherigen Ergebnisse und die zukünftige Arbeitsweise vor.
Ebenfalls im DKH tagt von 13 bis 17 Uhr tagt das Panel „Roma und Sinti Jugendliche in Europa: Eine internationale Perspektive auf Menschen- und Minderheitenrechte“, bei dem Dr. Mehmet Daimagüler, der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, mit Jugendlichen und weiteren Politgästen spricht.
Filmvorführungen und Gespräche
Der Film „Auschwitz verlassen?“ wird am Sonntag, 8. September, von 18 bis 19:30 Uhr in der Steinwache Dortmund gezeigt. Margitta Steinbach reiste zum zweiten Mal mit Mitgliedern ihres Vereins nach Auschwitz, begleitet von älteren Sinti sowie deren Töchtern und Freundinnen, die sich zwischen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf die Suche nach Identität und Hoffnung begeben. Nach der Vorführung wird mit Margitta Steinbach und weiteren Protagonist*innen des Films über die Bedeutung von Erinnerung, Hoffnung und Identität für junge Menschen gesprochen.
Am Freitag, 13. September, von 14 bis 17 Uhr zeigt die rumänische Romni, Aktivistin und aufstrebende Filmemacherin Estera Sara Stan ihren Film „Denkmal“. Stan lebt seit 2010 in Berlin und engagiert sich gegen Rassismus und für das Self-Empowerment der Roma- und Sinti-Communities. Ihr Filmprojekt „Denkmal“ beschäftigt sich mit der Bedeutung des Gedenkens und im Speziellen mit dem Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti*zze und Rom*nja. Der Film untersucht unter anderem, wie Vergangenheit und Gegenwart zusammenhängen und welche Rolle Verantwortung und gemeinsames Handeln für eine gleichberechtigte und würdevolle Zukunft spielen.
Am Freitag, 20. September, zeigt Regisseur Sejad Ademaj von 17 bis 18:30 Uhr im Lichtspiel- und Kunsttheater Schauburg Dortmund den preisgekrönten Film „15 Minuten“. Der Kurzfilm behandelt die Geschichte der jungen Romni Jasmina, deren Leben an einem ganz normalen Abend durch das plötzliche Erscheinen der Polizei auf den Kopf gestellt wird. Die Filmvorführung wird von einem anschließenden Gespräch mit dem Regisseur begleitet, zu dem Schulklassen und Jugendzentren eingeladen sind.
Fotografische Dokumentationen
Wie sah das Leben von Sint*ezze und Rom*nja in Dortmund in der Vergangenheit aus? Eine Aussellung in der Bürgerhalle des Rathauses gibt einen bilderreichen Einblick. Die Eröffnung am Dienstag, 17. September, 18 Uhr, wird von Keynotes und Panelgesprächen begleitet. Bis Montag, 30. September, können sich Interessierte die Ausstellung zu den Öffnungszeiten der Bürgerhalle anschauen.
Seit fast einem Vierteljahrhundert widmet sich der Fotograf Chadwick „Chad“ Wyatt, unterstützt von seiner kürzlich verstorbenen Partnerin Mary Evelyn Porter, der Dokumentation der Lebenswege junger Rom*nja und Sint*ezze in Europa. Ausgelöst durch die oft einseitig negativen und entmenschlichenden Darstellungen dieser Gemeinschaften in den Medien, entstand das Projekt mit dem Ziel, Gegenbilder zu schaffen und Selbstrepräsentation zu fördern. Insbesondere sollte es jungen Rom*nja und Sint*ezze Vorbilder und Perspektiven aufzeigen, die ihnen in einer Welt, die häufig von Vorurteilen geprägt ist, Hoffnung und Orientierung bieten.
Die Ausstellung „Roma Rising“ in der Stadtkirche St. Petri gewährt im Rahmen des Djelem Djelem Festivals einen zentralen Einblick in dieses einzigartige Projekt, das den Aufstieg vieler junger Romn*ja und Sint*ezze begleitet hat. Einige von ihnen gehören heute zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der europäischen Politik und Kunstszene, wie Zeljko Jovanovic, Direktor des Open Society Roma Initiatives Office, Romeo Franz, Mitglied des Europäischen Parlaments, oder die Künstlerin Delaine Le Bas. Die Vernissage findet am Freitag, 6. September, 19 bis 20:30 Uhr statt und wird bis Sonntag, 22. September, gezeigt.
Schönheit in Romani Kulturen
Am Donnerstag, 19. September, findet von 17:30 bis 19:30 Uhr im Dietrich-Keuning-Haus das Gespräch „Schönheit in Romani Kulturen: Ästhetik, Widerstand, Empowerment“ statt. Die Veranstaltung ist Teil des Projekts „Neues Westfalen: Geschichten, Kulturen und Ästhetiken der Rom*nja und Sinte*zze in Westfalen-Lippe“, das von der LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Kulturprogramms zum Jubiläumsjahr 2025 „1250 Jahre Westfalens“ gefördert wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist Schirmherr des Kulturprogramms.
Seit 1250 Jahren existiert Westfalen, und seit mindestens 700 Jahren sind Sint*ezze und Rom*nja ein Teil der westfälischen Gesellschaft. Während der Veranstaltung wird mit dem Fotokünstler Ruma Franz über die Rolle von Schönheit und Ästhetik als Ausdruck von Widerstand und Identität diskutiert. Franz hat im Rahmen des Projekts Models mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen von Schönheit vor seine Kamera geholt, um die Vielfalt und Repräsentation junger Menschen hervorzuheben.
Neue Perspektiven
Die Abschlussveranstaltung „Nothing about Us without Us“ am Sonntag, 22. September, von 18 bis 19:30 Uhr im Museum Ostwall beleuchtet neue Perspektiven auf zeitgenössische Kunst und Repräsentation. Traditionell wurden „Zigeuner*innen“ in der Kunst auf Basis verzerrter, sexualisierter oder romantisierender Perspektiven dargestellt. In Kunstinstitutionen fehlt häufig der Zugang zu Räumen und Diskursen, die eher über diese Gemeinschaften als mit ihnen geführt werden. Es wird diskutiert, wie Fremddarstellungen die Selbstwahrnehmung von Rom*nja und Sinte*zze in der globalen Kunstgeschichte und Gegenwart bestimmen und welche Rolle Schönheit und Ästhetik dabei spielen. Über diese Fragen diskutieren die Medientheoretikerin und Sozialwissenschaftlerin Dr. Maria Bogdan, Amdrita Jakupi, Vorsitzende des save space e.V. und Künstlerin, und die Kunsthistorikerin Dr. Tanja Pirsig-Marshall. Das Gespräch wird von der Aktivistin und Journalistin Gilda Horvath moderiert.
Vergangenheit und Zukunft
Was verbindet das Puppenspiel mit dem Widerstand, und wie können Kunst und Geschichte Brücken zwischen Kulturen schlagen? Die Veranstaltung „Widerstand damals und heute: Puppentheater und Kunst“ am Montag, 16. September, von 17 bis 20 Uhr, in der Jüdischen Gemeinde Dortmund geht genau diesen Fragen nach und öffnet ein faszinierendes Kapitel gemeinsamer Geschichte. Jüdische sowie Sinti- und Roma-Kulturen, die in Deutschland – und speziell in Dortmund – tief verwurzelt sind, teilen nicht nur eine lange Tradition, sondern auch gemeinsame Überlebensstrategien.
In der historischen Kulisse der Dortmunder Münsterstraße, wo beide Gemeinschaften schon im Mittelalter Seite an Seite lebten, erwacht diese Geschichte durch Puppenspiel und lebendige Erzählungen zu neuem Leben. Mit Shlomit Tripps „Bubbales“ Theater und dem Westfälischen Puppentheater von Goffré Hoffmann taucht das Publikum in individuelle und kollektive Geschichten ein, die den Widerstand und die Kreativität dieser Kulturen erlebbar machen. Ein anschließendes Gespräch mit Mitgliedern der Dortmunder Gemeinschaften bietet Raum für Dialog und Reflexion über die Vergangenheit und Gegenwart dieser eng miteinander verwobenen Kulturen. Eine Anmeldung ist erforderlich: widerstand@jg-dortmund.de.
Lesungen und literarische Beiträge
Die Lesungen und literarischen Beiträge des Festivals werfen einen tiefen Blick auf die Lebensrealitäten von Romn*ja und Sint*ezze und thematisieren deren Selbstermächtigung. Am Sonntag, 8. September, in der Nähmanufaktur „Amen Juvjla Mundial“ sowie am Montag, 9. September, in der Auslandsgesellschaft Dortmund, lesen die Autorinnen des Bandes „Aus der Asche empor: Arbeit, Ausbeutung und Selbstermächtigung“ aus ihren Werken. Diese Lesungen thematisieren die Geschichten von Frauen, die sich und ihre Familien über Generationen hinweg durch ihre Arbeit emanzipiert haben. Die Lyrik und Prosa-Texte erzählen von den Herausforderungen und Erfolgen, die Frauen bei der Bewältigung ihres Alltags und der Überwindung von Verfolgung erfahren haben. Diese literarischen Veranstaltungen bieten eine Plattform, um die vielschichtigen und oft unbeachteten Lebensgeschichten der Frauen aus den Gemeinschaften zu würdigen und zu diskutieren. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der historischen Perspektive und der Frage, wie die Erfahrungen der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft hineinwirken.
Alle Infos zum Festival, zu Orten und zu den Veranstaltungen: www.djelemdjelemfestival.de
Das Djelem Djelem Festival auf Instagram www.instagram.com/djelemdjelemfestival und Facebook www.facebook.com/DJELEM.DJELEM.Dortmund