32 Fischarten im Emscher-System gratulieren zum Jubiläum

Schmerle
© Bernd Stemmer/EGLV

125 Jahre Emschergenossenschaft: Zum „Tag des Fisches“ (22. August) vermeldet der Verband Positives vom einst „dreckigsten Fluss Europas“

Kaum ein anderer Fluss blickt auf eine so abwechslungsreiche Geschichte zurück wie die Emscher. Vom einst fischreichen Tieflandfluss entwickelte sie sich zum Abwasserkanal eines der am dichtesten besiedelten industriellen Ballungsräume Europas. Als vor 125 Jahren die Emschergenossenschaft gegründet wurde, war die Emscher ein biologisch toter Fluss – und blieb dies über 100 Jahre lang. Erst der Emscher-Umbau und die Umgestaltung zahlreicher ehemals offener Schmutzwasserläufe zu naturnahen Fließgewässern hauchte der Emscher neues Leben ein. Zum „Tag des Fisches“ am Donnerstag, 22. August, vermeldet die Emschergenossenschaft Positives: Bislang konnten bereits 32 verschiedene Fischarten in der Emscher und ihren Nebenläufen festgestellt werden. Das blaugrüne Leben kehrt in den einst „dreckigsten Fluss Europas“ zurück!

Neunstachliger Stichling
© Bernd Stemmer/EGLV

Ein schönes Beispiel für eine sich auf natürlichem Weg ansiedelnde Art ist der Döbel. Dieser Fisch findet seinen Weg über die neue Anbindung der Emscher an den Rhein bei Dinslaken/Voerde ins Emscher-System. Der Döbel (Squalius cephalus) lebt bevorzugt in langsam bis schnell fließenden Bächen und Flüssen. Dieser Friedfisch aus der Ordnung der Karpfenartigen ist ein Allesfresser – wo kein Kleingetier zur Verfügung steht und viele Unterwasserpflanzen stehen, begnügt er sich auch mit pflanzlicher Nahrung. Besonders gerne hält sich der Döbel in kleineren Schwärmen an der Wasseroberfläche auf und ist dabei manchmal auch gut von Gewässerbrücken aus zu beobachten – also Augen auf, denn in der früheren „Köttelbecke“ Emscher sind mittlerweile längst Fische und keine „Köttel“ mehr zu beobachten!

Bei einigen Fischarten handelt es sich noch um Einzelfunde, bei denen ein Nachweis über eine selbstständige Vermehrung noch fehlt. Reproduzierende Bestände bilden aktuell insgesamt 17 Fischarten im Emscher-System – darunter die Groppe, der Flussbarsch, das Rotauge, die Rotfeder, die Schleie, der Neunstachlige Stichling und der Dreistachlige Stichling. Letztere ist die am häufigsten in der Emscher vorkommende Fischart. Insgesamt konnten mit dem Umbau der Emscher und ihrer Nebenläufe bereits wieder 32 verschiedene Fischarten festgestellt werden – ein enormer Erfolg, denn bis vor wenigen Jahren war in der Emscher noch kaum biologisches Leben möglich.

Dreistachliger Stichling
© Gunnar Jacobs/EGLV

„Reisefreiheit für Fische“
Wie die Fische ihren Weg in das Emscher-System im Einzelnen gefunden haben, ist auch für die Emschergenossenschaft nicht immer leicht nachzuvollziehen. Einen wesentlichen Beitrag stellt die Renaturierung der Emscher-Mündung und die Herstellung der Durchgängigkeit des Flusses dar – über die von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie geforderte „Reisefreiheit für Fische“ besteht nun Anschluss an den Rhein, aber auch an weitere Fließgewässer-Systeme. So sind Rhein, Main und Donau heute über einen Schifffahrtskanal bis in den Schwarzmeerraum untereinander verbunden, von wo aus sich die Marmorierte Grundel und die Schwarzmund-Grundel mit erstaunlicher Schnelligkeit über ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet hinaus in den Rhein und nun auch bis in die Emscher ausbreiten konnten.

Blaubandbärbling
© Gunnar Jacobs/EGLV

Aber bereits auch vor dem Bau der neuen Emscher-Mündung konnten in den Nebenläufen und im Oberlauf der Emscher einige Fischansiedlungen beobachtet werden. Hier können die Fische aus den Stillgewässern der Parkanlagen oder Gräften im Revier ihren Weg in die Emscher-Gewässer gefunden haben. Oftmals haben aber auch Menschen ihre Hände im Spiel. So gelangen mancherorts Fische durch illegales Angeln in die Emscher-Gewässer, wenn zum Beispiel Köderfische verwendet werden und übrig gebliebenen Fische in die Gewässer entlassen werden. Sogar aus Aquarien oder Gartenteichanlagen gelangen die Wasserbewohner ins Emscher-System, wenn Menschen sich etwa ihrer Fische „entledigen“ wollen, indem sie sie einfach in die Freiheit entlassen. „Nur mit viel Glück haben diese unbedachten Aussetzungen in der Folge keine negativen Auswirkungen auf unsere Fischbestände. Manchmal aber können die unerlaubt besetzten Fische unsere heimischen Ökosysteme auch ordentlich durcheinanderbringen und sich im schlimmsten Fall unkontrolliert weiter ausbreiten“, sagt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.

Als Besonderheit in der 125-jährigen Geschichte der Emschergenossenschaft ist der Restbestand einer Groppen-Population anzusehen, welcher in einem isolierten Abschnitt der Boye in Bottrop die Zeit der industriellen Gewässerverschmutzung überdauern konnte. Ein Teil dieser Tiere wurde vor einigen Jahren in zahlreiche renaturierte Gewässer umgesetzt. „Alle Wiederansiedlungen verliefen erfolgreich. Das ist ein Ergebnis, auf das wir mit Recht stolz sein können. Mit dem Emscher-Umbau schenken wir den einst geschundenen Bächen dieser Region neues Leben, und die Natur nimmt dieses blaugrüne Leben an“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.

Groppe
© Gunnar Jacobs/EGLV

Erfolgskontrollen bestätigen Etablierung der Fischbestände
Etwas mehr als ein Jahr nach dem Aussetzen der Groppen im Deininghauser Bach in Castrop-Rauxel führte die Obere Fischereibehörde 2012 eine Elektrobefischung an den Besatzstellen durch, um nach dem Verbleib der besetzten Tiere und einer möglichen Reproduktion zu sehen. An der unteren Besatzstelle konnten bereits auf den ersten 20 Metern der untersuchten Strecke 17 junge Emscher-Groppen nachgewiesen werden. Auf ein weiteres Fischen wurde daraufhin verzichtet. Auch an der oberen Besatzstelle wurde das Fischen nach 20 Metern eingestellt. Dort ließen sich bereits 19 junge Groppen fangen. Da außer den Jungtieren auch einige Elterntiere gefangen wurden, zeigte sich sehr schön der Größenunterschied zwischen den Generationen. Für den Deininghauser Bach konnte damit seinerzeit belegt werden, dass sich die Groppenbestände etabliert haben.

Erfolgskontrollen der Emschergenossenschaft im Jahr 2013 förderten am Ostbach in Herne sowie am Läppkes Mühlenbach an der Stadtgrenze Oberhausen und Essen ebenfalls positive Ergebnisse zu Tage. Bereits in der ersten Laichzeit (März bis April) nach dem Umsetzen hatten sich die Tiere fortgepflanzt. Eine Elektrobefischung, die im Läppkes Mühlenbach durch den Rheinischen Fischereiverband 1880 e.V. erfolgte, zeigte bereits eine Ausbreitung der Groppen nach ober- und unterhalb der ehemaligen Besatzstellen.

Auch in den Gewässern Landwehrbach, Roßbach, Emscher (Oberlauf in Dortmund), Hörder Bach und Borbecker Mühlenbach konnten im Rahmen der Erfolgskontrollen die Vermehrung der Groppen nachgewiesen werden. Nach über hundert Jahren der Abwesenheit ist die Groppe nunmehr endgültig ins neue Emscher-Tal zurückgekehrt.

Giebel
© Gunnar Jacobs/EGLV

Alte Emscher ist mittlerweile Fischereigewässer
Von der einst biologisch toten Köttelbecke zum lebendigen Fischereigewässer – in Duisburg ist dies längst keine Zukunftsvision mehr, denn im Bereich des Landschaftsparks Duisburg-Nord ist dieser Aspekt des Emscher-Umbaus schon seit acht Jahren wunderbare Realität! Auf dem ehemaligen Industriestandort der Thyssen AG, dem „Hüttenwerk Meiderich“, fügt sich inmitten des Landschaftsparks der ökologisch verbesserte Gewässerabschnitt der Alten Emscher ein. Neben den Industriemonumenten aus einer vergangenen Zeit stellt hier der Gewässerlauf ein wichtiges Gestaltungselement dieser Parklandschaft dar. Als „Kiesgeprägtes Fließgewässer“, welches die Oberflächenwässer der Umgebung aufnimmt, bietet die Alte Emscher darüber hinaus für zahlreiche, teils seltene Tier- und Pflanzenarten neuen Lebensraum. Bei einem Monitoring vor knapp zehn Jahren konnten in Summe 13 Fischarten nachgewiesen werden – darunter Flussbarsch, Sonnenbarsch, Rotfeder, Karpfen, Stichling, Döbel, Rotauge, Wels und Hecht.

„Während man hier früher sehen konnte, was über die Toilette oder Industrieabläufe auf die Reise geschickt wurde, lassen sich heute Wasservögel und Fische beobachten – und mit viel Glück sogar Libellen. Unsere „neue“ Alte Emscher bietet wieder zahlreichen Tier- und Pflanzenarten einen geeigneten Lebensraum. Dies ist ein echtes Erfolgsprojekt – für Mensch und Natur“, sagt Uli Paetzel.

Doch nicht alle Fische gehören in das Gewässer – vor allem der hohe (vermutlich von Menschenhand eingebrachte) Raubfischbestand führte in der Vergangenheit häufig dazu, dass vermehrt Entenküken „verschwanden“, aber auch einige nicht heimische Arten wie Grundel, Sonnenbarsch & Co. deuten auf einen eher ungelenkten menschlichen Einfluss hin… Um für Ordnung im Gewässer zu sorgen, hat die Emschergenossenschaft im Jahr 2016 mit dem Rheinischen Fischereiverband 1880 e.V. einen Pachtvertrag abgeschlossen. Die Alte Emscher ist seitdem offiziell ein Fischereigewässer – auch dies ist einer der besonderen Meilensteine in der 125-jährigen Historie der Emschergenossenschaft!

Artenvielfalt dank neuer Emscher-Mündung
© Rupert Oberhäuser/EGLV

125 Jahre Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Am 14. Dezember 1899 als erster deutscher Wasserwirtschaftsverband gegründet, ist die Emschergenossenschaft heute gemeinsam mit dem 1926 gegründeten Lippeverband Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Unternehmens sind die Abwasserentsorgung, der Hochwasserschutz sowie die Klimafolgenanpassung. Ihr bekanntestes Projekt ist der Emscher-Umbau (1992-2021), bei dem die Emschergenossenschaft im Herzen des Ruhrgebietes eine moderne Abwasserinfrastruktur baute. Dafür wurden 436 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen verlegt und vier Großkläranlagen gebaut. Rund 340 Kilometer an Gewässern werden insgesamt renaturiert. Parallel entstanden über 130 Kilometer an Rad- und Fußwegen, die das neue blaugrüne Leben an der Emscher und ihren Nebenläufen erleb- und erfahrbar machen.

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