Deutscher Alpenverein setzt sich für demokratische Grundwerte ein -
erhält überwiegend Zustimmung, aber auch grobe Schelte
Von Diethelm Textoris
Seit über fünfzig Jahren bin ich begeisterter Wanderer und fast genauso lange Mitglied im Deutschen Alpenverein. Ich gebe zu, anfangs war die Mitgliedschaft motiviert durch die Vergünstigungen für Mitglieder, preiswerte Übernachtungen auf den Hütten, günstiges Bergsteigeressen und Vorteile bei der Platzvergabe bei Übernachtungen. Erfreut beobachtete ich in den vergangenen Jahren, dass innerhalb des Vereins der Umweltschutz einen immer breiter werdenden Raum einnahm und der Bergsport nicht mehr die oberste Priorität einnahm und der Verein so zu einem nachhaltig agierenden Bergsportverband wurde. Er wandte sich gegen die Erschließung neuer Skipisten in Gletschergebieten, gegen Forststraßen und den Bau neuer Hütten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Richtungsweisend ist das umfassende Leitbild von 2022 mit den zentralen Werten Freiheit, Respekt und Verantwortung. Mutig war die zwar späte aber konsequent selbst kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in den eigenen Reihen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und während des Nationalsozialismus, die schonungslose Offenlegung der braunen Vergangenheit und der Verstrickungen mit dem Unrechtssystem.
Im Zuge der diesjährigen Europawahlen und der anstehende Landtagswahlen in mehreren Bundesländern positionierte sich der Verein am 15.5. in seiner Zeitschrift „Panorama“ und auf seiner Homepage mit einem Appell „Für Offenheit, Vielfalt und Akzeptanz“, die verkürzt wiedergegeben folgenden Inhalt hat.
„…Wir appellieren an alle Wahlberechtigten in Deutschland, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Uns macht Sorge, dass auch Parteien zur Wahl stehen, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage stellen, und damit auch zentrale demokratische Werte wie Offenheit, Vielfalt und Akzeptanz. Für diese Werte stehen wir als deutscher Alpenverein, diese Werte verteidigen wir…“
Der überwiegende Teil der Vereinsmitglieder und Leser der Zeitschrift stimmte diesem Appell zu und es gab Reaktionen wie diese: „Danke für die klaren Worte und eure Haltung.“ oder „Ein klares Statement für demokratische Grundwerte.“ Common sense also? Mitnichten.
Da gab es auch Reaktionen, die mich erschrecken ließen. „Heute… las ich Ihren Appel…, mit dem Sie sich der Politik der Altparteien einschleimen und versuchen, die DAV-Mitglieder hinsichtlich der bevorstehenden Wahlen zu beeinflussen.… Ich hoffe sehr, dass mir weitere solche Tiefpunkte …erspart bleiben“, hieß es in einem Statement, und das gehörte noch zu den harmloseren.
Denn es gab viel schlimmere: „Eure woke linksgrüne Scheiße könnt ihr euch in eure Ärsche schieben!“ oder auch:
„Ihr seid ja wirklich der letzte Dreck. Bei eurer Vergangenheit wäre ich mal lieber ganz leise. Und glaubt ihr geistigen Amöben wirklich, irgendjemand hört auf euch? Ihr seid einfach nur Mitläufer, und das ihr auch noch gendert, zeigt ganz deutlich, dass ihr mit Sicherheit mal zu wenig Sauerstoff aufm Berg bekommen habt. Mit tiefster Verachtung.“
Ich bin entsetzt, in welche Tiefen unsere Streit -und Diskussionskultur gestürzt ist, wo keine Argumente mehr ausgetauscht und nur noch Beleidigungen und Diffamierungen ausgestoßen werden. Wir regen uns über den schmutzigen Wahlkampf von Trump und seinen Unterstützern auf?
Wir sind gar nicht mehr weit entfernt davon.
Info:
– Der deutsche Alpenverein (DAV) hatte am 31.12.2023 über 1,5 Mio. Mitglieder. 43,3% sind weiblich.
– Damit ist er die größte nationale Bergsteigervereinigung der Welt und der viertgrößte nationale Sportverband Deutschlands.
– 30.000 Ehrenamtler erbringen jährlich eine Wertschöpfung von 25 Mio. in Bereich der volkswirtschaftlichen Wohlfahrt