Die Steinwache ist seit über 30 Jahren ein wichtiger Ort der Erinnerung an die NS-Geschichte in Dortmund: Tausende haben hier jedes Jahr neu in der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 – 1945“ Geschichten über den Schrecken der NS-Herrschaft erfahren. „Die Ausstellung war herausragend zur damaligen Zeit, aber sie muss dringend modernisiert werden“, so Dr. Stefan Mühlhofer, Leiter des Stadtarchivs und der Kulturbetriebe.
Neugestaltet wird aber nicht nur die Ausstellung, sondern auch das denkmalgeschützte Gebäude, ein ehemaliges Polizei-Gefängnis: Es bekommt einen Anbau mit einem neuen Eingangsgebäude und einem L-förmigen Gebäuderiegel, der sich wie eine Burgmauer an das Gebäude schmiegt. Hier sollen zum Beispiel Seminarräume für die Besuchergruppen und Vermittlungsarbeit entstehen. Die Baugenehmigung für Sanierung und Neubau liegen jetzt vor.
Neubau mit Seminar- und Veranstaltungsräumen
Beginn für den Umbau ist im Juni, die Ausstellung schließt dann Ende Mai. Der Fensterkomplex wird ausgebaut und restauriert – die Arbeiten müssen bei einer Spezialfirma erledigt werden. Das neue Empfangsgebäude an der Westseite inklusive neuer Seminar-, Ausstellungs-, und Veranstaltungsräume planen die Architekten „Konermann + Siegmund“ aus Lübeck, die 2019 den Auswahl-Wettbewerb gewonnen haben. Für den Neubau sollen im Herbst 2025 die Bagger anrollen und das Fundament ausheben. Um Platz zu schaffen und das Denkmal nicht zu sehr „zuzubauen“, wird ein Teil des Gebäudes nach „unten“ verlegt – in enger Absprache mit der Denkmalbehörde.
Gesellschaftsgeschichte steht in der neuen Ausstellung im Mittelpunkt
Wer das Gebäude saniert und die Ausstellung erarbeitet, steht bereit seit 2016 fest – das Architekturbüro Demirag aus Stuttgart ist damit beauftragt. „In der neuen Dauerausstellung stehen die Insassen des Polizeigefängnissen im Vordergrund. Dazu gehören neben Juden und den politischen Verfolgten auch gesellschaftliche Minderheiten, deren Schicksale bislang in der Ausstellung nicht erzählt wurden“, erklärt Dr. Markus Günnewig, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache das neue Konzept. Dazu gehören verfolgte Obdachlose, Prostituierte, Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebten. Dabei werden starke Aktualitätsbezüge möglich: Wie geht die Gesellschaft heute mit Minderheiten um?
Aber auch die Täter – zum Beispiel die Polizei zur NS-Zeit – wollen die Ausstellungsmacher*innen stärker in den Mittelpunkt rücken. „Nur wenn man die Rolle der Verantwortlichen einbezieht und den ganzen Fall sieht, kann Geschichte begriffen werden“, so Dr. Markus Günnewig. Zur modernen Inszenierung gehört auch viel Medieneinsatz, beispielweise extra produzierte Filme und Interviews mit Zeitzeug*innen. Gefängnisalltag und die Geschichten der Menschen stehen im Vordergrund. Wichtigstes Ausstellungsstück ist dabei die Steinwache selbst: Dazu teilen die Ausstellungsmacher*innen die 40 Räume neu auf und gestalten den Rundgang neu. Es gibt Funktionsräume wie den ehemaligen Aufnahmeraum, und die Zellen, in denen in der NS-Zeit rund 66 000 Menschen inhaftiert waren.
Sanierung, Neubau und Eröffnung
Die Sanierung soll die Steinwache so gut es geht in den Originalzustand versetzen. Restauriert werden Beton, Bodenbeläge, Außenputz und Fenster. Ende Mai wird dazu die Dauerausstellung geschlossen. Das Bildungs- und Veranstaltungsprogramm läuft aber an wechselnden Orten weiter. Ziel ist es, die Ausstellung Mitte 2028 neu zu eröffnen. Der Rat der Stadt Dortmund hat Baukosten in Höhe von rund 18 Millionen Gesamtkosten bewilligt. Das Projekt wird gefördert durch Bund, das Land NRW und den Landschaftsverband Westfalen Lippe.
Hintergrund: Erinnern und Gedenken in Dortmund
Vor über 30 Jahren eröffnete die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache: Seit Oktober 1992 ist in dem ehemaligen Polizeigefängnis an der Steinstraße die ständige Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ zu sehen.
Schon kurz nach Kriegsende fand im August 1945 auf dem Hansaplatz eine erste „Trauerkundgebung“ für die „Gemordeten des Faschismus“ statt, bei der die beiden Verfolgten Fritz Henßler (SPD) und Josef Smektala (KPD) sprachen. Vor allem das Gedenken in der Bittermark an die über 200 von der Gestapo Ermordeten war seitdem ein zentraler Kristallisationspunkt der NS-Erinnerung in Dortmund.
Ein weiterer Meilenstein: Der Ratsbeschluss zur Schaffung der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ im Jahr 1978. Die Ausstellung wurde zunächst im Foyer des Rathauses und anschließend an zahlreichen Schulen und in Dortmunder Partnerstädten gezeigt. Sie war Ausdruck eines wachsenden Interesses der Stadtgesellschaft vor allem am Thema des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.
Parallel entstanden verschiedene Initiativen zum Erhalt des zwischen 1928 und 1958 als Polizeigefängnis genutzten Gebäudes an der Steinstraße, der „Steinwache“. Schließlich öffnete hier, am Ort historischer Verfolgung, im Oktober 1992 die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache mit einer erweiterten Version von „Widerstand und Verfolgung“ als Dauerausstellung. Sie ist seit nunmehr 30 Jahren der zentrale Ort zur Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in Dortmund.