„Meine Entscheidung nie bereut“

Jennifer Smandzich (32). Die gebürtige Marlerin, die in Oberhausen lebt, arbeitet seit elf Jahren beim Lippeverband. Als Vorhandwerkerin ist sie im Betriebsbereich Westliche Lippe vorwiegend in Dinslaken, Voerde und Hünxe beschäftigt. Das Foto zeigt sie auf der Kläranlage des Lippeverbandes in Dinslaken.

Weltfrauentag am 8. März: Jennifer Smandzich (33) sorgt im westlichen Lippe-Gebiet für einen störungsfreien Betrieb von Pumpwerken und Brunnen

Jedes Jahr am 8. März wird international der Weltfrauentag begangen. Bei Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV), gemeinsam Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken, ist der Anteil der Frauen in den vergangenen Jahren gestiegen – auch im technischen Bereich, der vermeintlichen „Männerdomäne“. Eine der Kolleginnen ist Jennifer Smandzich.

Mommbach-Niederung zur Jahreswende 2023/2024
© Jörg Saborowski/EGLV

Die gebürtige Marlerin, die in Oberhausen lebt, arbeitet seit elf Jahren beim Lippeverband. Als Vorhandwerkerin ist sie im Betriebsbereich Westliche Lippe vorwiegend in Dinslaken, Voerde und Hünxe beschäftigt. Eine ihrer größten Bewährungsproben erlebte die 33-Jährige während des Hochwasserereignisses zum Jahreswechsel 2023/2024. Da der zuständige Meister damals krankheitsbedingt ausfiel, musste sie Verantwortung übernehmen.

Tagelanger Dauerregen im gesamten Land hatte an den Feiertagen zur Jahreswende 2023/2024 zu hohen Wasserständen im Rhein sowie im Mommbach in Voerde geführt. Die Folge: Nachdem das Wasser aus dem vollen Rhein unterirdisch ins Landesinnere drückte, stieg das Grundwasser in der Mommbach-Niederung an, die Niederung stand unter Wasser.

„Mit mobilen Pumpen haben wir das Wasser nach und nach wegschaffen können“, sagt Jennifer Smandzich. Gerade erst zur Vorhandwerkerin aufgestiegen, musste sie aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls des Betriebsmeisters kurzerhand selbst Verantwortung übernehmen. „Das stand zwar nicht auf dem Plan, aber ich konnte mich voll und ganz auf das Team verlassen. Hier haben alle mitangepackt“, sagt Smandzich, die vorübergehend neben der Koordinierung der Arbeiten auch die Personaleinteilung übernahm.

Das Hochwasserereignis hat der Lippeverband seinerzeit gut und ohne Schäden bewältigt. Sie selbst, so Smandzich, sei persönlich mit der Herausforderung gewachsen: „Ich habe viel daraus mitgenommen, vor allem die Übernahme von Verantwortung – aber auch das Erleben von echtem Zusammenhalt. Wenn alle Hand in Hand miteinander arbeiten, ist das schon ein gutes Gefühl von Vertrauen und Verlässlichkeit.“

Früh mit dem Lippeverband in Berührung gekommen
Als Frau im technischen Bereich eines Wasserwirtschaftsverbandes zu arbeiten, hat Jennifer Smandzich nie wirklich für etwas Außergewöhnliches gehalten: „Ich habe tatsächlich nie das Gefühl gehabt, dass das hier eine Männerdomäne sei – wenn es so etwas überhaupt gibt. Ich war von Beginn an gut integriert und konnte mich einbringen und weiterentwickeln.“ Zwar sei sie 2014 eine der ersten weiblichen Kollegen in ihrem heutigen Betriebsteam gewesen, heute arbeiten jedoch bereits insgesamt vier Frauen in dem 15-köpfigen Team.

Mit dem Lippeverband kam Jennifer Smandzich früh in Berührung. Als Kind spielte sie in Marl, wo sie aufgewachsen ist, häufig in der Nähe des Silvertbachs. Das Gewässer wird vom Lippeverband unterhalten. Ihre berufliche Ausbildung zur Elektrikerin für Betriebstechnik absolvierte sie, deren Vater als Bergmann unter Tage gearbeitet hat, beim Bergbau. Bei der Berufsfindung sei ihr oftmals klassisches Schubladendenken begegnet, denn vorgeschlagen wurden ihr meist nur Berufe wie etwa „Zahnarzthelferin“ – wohl weniger wegen der Kompetenzen als wegen ihres Geschlechts, vermutet Jennifer Smandzich. Jungen Frauen in der gleichen Situation kann sie nur raten, einfach das zu machen, worauf sie wirklich Lust hätten – und keine Angst zu haben, sondern mutig zu sein: „Ich habe meine Entscheidung nie bereut. Die Arbeit bereitet mir sehr viel Freude und es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Die Ausbildung in Technischen Bereichen bietet weiteres Entwicklungspotenzial, unter anderem Weiterbildungen zum Techniker, Meister oder in spezifischere Fachrichtungen“.

Kritische Infrastruktur bringt Verantwortung mit sich
Beim Lippeverband, wo sie 2014 auf der Kläranlage Dinslaken des Lippeverbandes (nicht zu verwechseln mit der Kläranlage Emscher-Mündung der Emschergenossenschaft, ebenfalls in Dinslaken) anfing, hat Jennifer Smandzich vor knapp fünf Jahren eine zusätzliche Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik absolviert – und sie hat den Führerschein CE (LKW mit Anhänger) gemacht. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört unter anderem die Störungsbeseitigung an zahlreichen Anlagen, darunter drei Kläranlagen, ein Dutzend Pumpwerke, die Wehranlage am Rotbachsee in Dinslaken sowie die 35 Grundwasserbrunnen in der Voerder Mommbach-Niederung. „Die Verantwortung für diese Betriebsanlagen ist schon etwas ganz Besonderes, denn als Kritische Infrastruktur sorgen wir unter anderem dafür, dass unsere Region nicht unter Wasser steht“, sagt Smandzich. Die Bedeutung der öffentlichen Daseinsvorsorge sei ebenfalls ein Aspekt, mit dem sie sich sehr gut identifizieren könne.

Frauenanteil bei Emschergenossenschaft und Lippeverband
Die Kläranlage Dinslaken besuchte vor einigen Wochen auch Liana Weismüller. Sie ist seit Anfang des Jahres die neue Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit bei Emschergenossenschaft und Lippeverband. Vor Ort bildete sie sich ein eigenes Bild von der Arbeit der Wasserwirtschaftsverbände. „Unsere Beschäftigten sind das Rückgrat von Emschergenossenschaft und Lippeverband bei der Wahrnehmung der unverzichtbaren Aufgaben im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge – von der Abwasserentsorgung und -reinigung über den Hochwasserschutz bis zur Flussrenaturierung. Sie sorgen dafür, dass an Emscher und Lippe alles im Fluss ist – und das im wahrsten Sinne“, sagt Liana Weismüller.

Bei ihrem Besuch in Dinslaken und Voerde zeigte sich die Personalchefin begeistert von dem Engagement und der Motivation der Belegschaft. „Mich freut es sehr, dass wir kompetente Kolleginnen und Kollegen haben, die jederzeit bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Hand in Hand zum Wohle der Allgemeinheit zu arbeiten“, so Weismüller mit Blick auf die Bewältigung der Hochwassersituation vor etwas mehr als einem Jahr durch Jennifer Smandzich und ihre Kolleg*innen.

Die Anzahl von vier Frauen in dem 15-köpfigen Betriebsteam freut Liana Weismüller, sie sagt aber auch: „Es könnten im technischen Bereich gerne noch mehr Frauen bei uns arbeiten.“ Der Anteil der Frauen an der Gesamtbelegschaft (1819 Beschäftigte) bei Emschergenossenschaft und Lippeverband ist zuletzt auf 26,44 Prozent gestiegen. 19,6 Prozent der Führungspositionen sind mit einer Frau besetzt. „Der prozentuale Anstieg des Frauenanteils ist auf den ersten Blick selbstverständlich erfreulich und wir arbeiten an verschiedenen Stellen noch weiter daran, diesen zu steigern“, so die 48-jährige Juristin. Zur Steigerung des Frauenanteils bei EGLV schreiben die Verbände nahezu alle Stellen, auf die sich intern keine Frau bewirbt, auch extern aus. Unter anderem bieten sie mit flexiblen Arbeitszeitmodellen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie einer Dienstvereinbarung zur Frauen- und Familienförderung attraktive Anreize vor allem für Frauen. Im Rahmen von Veranstaltungen wie dem Girls‘ Day sowie Jobmessen ermutigen Emschergenossenschaft und Lippeverband regelmäßig weiblichen Nachwuchs, sich vor allem auch für technische Berufe zu bewerben.

„Als Emschergenossenschaft und Lippeverband gestalten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern den Wandel in der Region. Um die Herausforderungen der Zukunft, z.B. die Folgen des Klimawandels, bewältigen zu können, werden wir angesichts der demografischen Entwicklung auch in Zukunft kompetentes Personal brauchen. Über Bewerberinnen, die Interesse an Technik haben, freuen wir uns sehr“, sagt Liana Weismüller und erinnert an Jennifer Smandzichs Rat: „Einfach das machen, worauf man wirklich Lust hat. Keine Angst haben, sondern mutig sein!“

Emschergenossenschaft und Lippeverband
Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) sind öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsunternehmen, die als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip leben. Die Aufgaben der 1899 gegründeten Emschergenossenschaft sind unter anderem die Unterhaltung der Emscher, die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie der Hochwasserschutz. Der 1926 gegründete Lippeverband bewirtschaftet das Flusseinzugsgebiet der Lippe im nördlichen Ruhrgebiet und baute unter anderem den Lippe-Zufluss Seseke naturnah um. Gemeinsam haben Emschergenossenschaft und Lippeverband rund 1.800 Beschäftigte und sind Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken (rund 782 Kilometer Wasserläufe, rund 1533 Kilometer Abwasserkanäle, 546 Pumpwerke und 59 Kläranlagen).

www.eglv.de