Roterkeil und Mitternachtsmission gemeinsam
gegen Kinderprostitution
Roterkeil Dortmund e.V. lädt am 23.4.2016 ab 19.00 Uhr im Schloss Bodelschwingh zu einem Benefiz-Abend ein. Ziel der Veranstaltung ist es, auf diesem Wege über die Arbeit der Dortmunder Mitternachtsmission und von roterkeil zu informieren. MENGEDE:InTakt! hat bereits über den geplanten Benefiz-Abend berichtet (vgl. Beitrag vom 21.3.2016) und nimmt die Veranstaltung zum Anlass, noch einmal ausführlicher über die Arbeit der Mitternachtsmission und über roterkeil zu informieren.
Informationen zur Dortmunder Mitternachtsmission
Die Dortmunder Mitternachtsmission ist ein kleiner, gemeinnütziger Verein im Dachverband des Diakonischen Werkes und arbeitet seit 1918 in Dortmund. Zur wesentlichen Aufgabe des Vereins zählt die Beratungsarbeit für Prostituierte, für ehemalige Prostituierte und für Opfer von Menschenhandel. Hierbei erhält der Verein eine finanzielle Unterstützung von der Evangelischen Kirche, der Stadt Dortmund und dem Land NRW. Der größte Teil der Arbeit vor Ort wird über Spenden finanziert; der Arbeitsbereich „Kinder und Jugendliche in der Prostitution“ finanziert sich seit Jahren ausschließlich auf diese Weise.
Die Mitternachtsmission arbeitet mit einem Kernteam von hauptamtlichen MitarbeiterInnen sowie einer großen Anzahl von Honorarkräften und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der aufsuchenden Sozialarbeit. Aufsuchende Soziale Arbeit als professionelles Konzept der Sozialen Arbeit wendet sich Menschen mit speziellen Problemlagen zu. Die Mitarbeiterinnen suchen die Frauen regelmäßig in der der Dortmunder Bordellstraße (Linienstraße), in den Wohnungen (ca. 55) und in den Clubs (9) auf. Darüber hinaus werden Mädchen und Frauen täglich auf den Straßen und an anderen Orten an den Prostitution stattfindet aufgesucht (z.B. Parks, Einkaufszentren, Bahnhöfen, Lokalen, öffentliche Plätzen).
Die Ziele der Arbeit sind:
- den Klientinnen zu helfen, ein gesundes, selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben in Sicherheit zu führen, angstfrei und ohne finanzielle und emotionale Abhängigkeiten
- sozialrechtliche Gleichstellung von allen in der Prostitution arbeitenden Menschen
- Beendigung von Diskriminierung und Kriminalisierung
Nachstehend ein Fallbeispiel aus dem Aufgabenbereich „Hilfe für Opfer von Menschenhandel“
Valeria 15 Jahre alt
Als Valeria nach Deutschland kommt ist sie 15 Jahre alt. Zusammen mit einer Freundin ist sie zu einer Party in ein Nachbardorf gegangen. Die Leute auf dieser Party hat sie nicht gekannt. Sie erinnert sich, dass sehr viele, ihr unbekannte Männer dort gewesen sind, die ihr Glas immer wieder mit Alkohol gefüllt haben. Sie ist sehr schnell müde geworden und eingeschlafen und vermutet, dass ihr ein Schlafmittel in ihr Getränk getan wurde.
Als Valeria aufwacht, ist sie mit Handschellen an ein Bett gefesselt, das in einem kleinen dunklen Raum steht. Ein Mann, den sie vorher nie gesehen hat, sagt ihr, dass sie in einem Bordell in Deutschland ist und dass sie nun als Prostituierte arbeiten müsse.
Valeria ist verzweifelt und wehrt sich dagegen. Ihr Widerstand wird durch schwere Misshandlungen gebrochen. Mehrmals wird sie von verschiedenen Männern vergewaltigt. Valeria wird danach gezwungen bis zu 10 Freier am Tag zu bedienen.
Während der ersten 4 Wochen darf Valeria das Haus nicht verlassen. Sie wird eingeschlossen oder bewacht. Danach ist ihr Widerstand gebrochen. Sie darf danach in Begleitung eines Mannes in einem Supermarkt einkaufen. Da sie die deutsche Sprache nicht versteht und sie nicht weiß, wo sie ist, wagt sie nicht, jemanden um Hilfe zu bitten.
Da sie keine Papiere hat und die Menschenhändler ihr erzählt haben, dass die Polizei mit ihnen zusammenarbeitet, erscheint ihr die Flucht aus dem Bordell aussichtslos.
Als Valeria ca. 3 Monate in dem Bordell festgehalten wird, findet eine Polizeirazzia dort statt. Valeria gibt an, 18 Jahre alt zu sein, wird festgenommen und nach der Vernehmung in die Betreuung der Mitternachtsmission gegeben.
Valeria ist physisch und psychisch in einem sehr schlechten Zustand. Eine Schwangerschaft wird festgestellt. Außerdem wird eine schwere Infektion in Genitalbereich diagnostiziert. Valeria ist über die Feststellung der Schwangerschaft sehr verstört. Sie will auf keinen Fall das Kind austragen. Fristgemäß findet ein Schwangerschaftsabbruch statt. Die Infektion kann erfolgreich behandelt werden.
Valeria muss noch 10 Wochen auf ihre Passersatzpapiere warten, bevor sie ausreisen kann. Für die Mitternachtsmission gestaltet sich die Beschaffung der Passersatzpapiere sehr schwierig, da sich herausstellt, dass Valeria noch minderjährig ist und die Erziehungsberechtigten Unterschriften für die Ausweispapiere leisten müssen.
Die Großmutter, bei der Valeria in Lettland lebt, ist schockiert, als die Mitternachtsmission Kontakt zu ihr aufnimmt. Da sie zunächst nicht versteht, welche Rolle und Aufgabe die Mitternachtsmission hat, verweigert sie die Zusammenarbeit. Erst durch mehrmalige Telefonate mit unseren muttersprachlichen Honorarkräften kann das Misstrauen gebrochen und ein gemeinsames Vorgehen für Valerias Heimreise geplant werden.
…
Valeria hält es für möglich, dass die Männer, die sie nach Deutschland verschleppt haben, sie in ihrem Dorf wieder finden werden.
Sie kann sich nicht vorstellen, wie die Zukunft in ihrer Heimat für sie aussehen wird.
Ein Fallbeispiel aus dem Aufgabenbereich „Kinder und Jugendliche in der Prostitution“
Jana (geschrieben von einer Streetworkerin)
DIE PERSON
Ein 14 Jahre altes Mädchen, anonymisierter Name Jana, war von zu Hause ausgerissen; der Stiefvater hatte sie immer wieder geschlagen, die Mutter konnte sie nicht davor schützen. Während der Streetworkarbeit im Dortmunder Norden bekam ich den ersten Kontakt zu ihr.
JANAS LEBEN AUF DER STRASSE
Zu ihrer Vorgeschichte kann ich sagen, daß Jana sich einer Clique von Jugendlichen angeschlossen hatte, die vornehmlich in Bahnhofsnähe ihre Freizeit verbrachte. Zu dieser Zeit wohnte sie bei einem ca. 20 Jahre alten Mann, der erst arbeitslos war und später bei einer Drückerkolonne arbeitete.
Zu diesem Mann hatte sie aus ihrer Sicht eine Beziehung. Dieses Verhältnis war, unserer Meinung nach, jedoch von Anfang an ein sehr starkes Abhängigkeitsverhältnis.
Jana wollte in der Drückerkolonne ihres Freundes mitarbeiten; sie hatte sich dadurch finanzielle Eigenständigkeit erhofft. Der Zugang war aber nicht gegeben, da sie erst 14 Jahre alt war. Die Verbindung zu den Bahnhofkids und ein nicht unerheblicher Alkoholverzehr in dieser Zeit brachten sie auf die Idee, durch Prostitution ihren Lebensunterhalt zu sichern. Als ihr damaliger Freund davon erfuhr – er kam eines Nachts unerwartet von einer Arbeitstour nach Hause -, schlug er sie und warf sie aus der Wohnung. Sie hat danach mit vier weiteren Jugendlichen in einer sogenannten „Bunkerwohnung“- vom Mieter zumindestens zeitweise nicht genutzte Wohnung – gelebt. In diesem Fall gehörte die Wohnung einem jungen Mann, der inhaftiert war.
HILFEANGEBOTE
Als ich Jana eines Nachts in einem Hauseingang sitzen sah, war sehr schnell klar, daß sie „so nicht mehr weitermachen wollte“. Im Vordergrund stand nun für mich, eine geeignete Unterkunft für Jana zu finden. Nach Möglichkeit sollte sie sich weitgehend von ihrem Umfeld lösen können. Zunächst nahm ich sie mit in unsere Beratungsstelle, die Dortmunder Mitternachtsmission.
Die Unterbringung in einer Übernachtungsstelle innerhalb Dortmunds wurde organisiert. Hier gibt es derzeit das Angebot des „Sleep In“ (Trägerschaft: VSE, Verband Sozialpädagogscher Einrichtungen); aber auch die Jugendschutzstelle kann für eine Innobhutnahme genutzt werden.
Zweitens galt es, die gesundheitliche Stabilität des Mädchens wieder herzustellen. Jana litt damals an einer chronischen Blasenentzündung, und sie hatte sich mit Krätze infiziert. Insbesondere letzteres erfordert hundertprozentige Hygienevorschriften. Jana wurde daher von uns mit neuer Kleidung, sowie mehreren Garnituren kochfester Bettwäsche ausgestattet. Die täglichen Arztbesuche wurden ebenfalls von uns abgedeckt.
Erst als die basale Versorgung abgesichert und eine tragfeste Vertrauensbasis geschaffen war, konnten wir darangehen, mit dem Dortmunder Jugendamt eine neue Zukunftsperspektive zu realisieren – eine Perspektive, die zum einen für Jana vorstellbar und zum anderen für das Jugendamt umsetzbar war.
Da Jana unmissverständlich klarmachte, dass sie niemals wieder nach Hause zurückkehren wollte, lebt sie heute in einer betreuten Wohngemeinschaft. Hier baute sie neue soziale Kontakte auf, übte eine relative Selbständigkeit ein und konnte dennoch in Krisenfällen auf eine pädagogische Unterstützung zurückgreifen.
Sie geht wieder regelmäßig zur Schule und hat, da mittlerweile die Loslösung von der früheren peer-group erfolgt ist, heute kaum mehr als die üblichen, altersbedingten Probleme eines Teenagers.
Aber die Gewalterfahrungen, die sie sowohl in ihrer Familie als auch im sogenannten Freundeskreis und während der Prostitutionstätigkeit sammelte, werden sie sicherlich noch ein Leben lang begleiten.
Das Erlernen von gewaltfreien Beziehungsmustern und er Aufbau des Selbstwertgefühls werden für Jana ein schwerer Weg sein, doch wir hoffen, dass sie die Chance, die sie jetzt bekommt, nutzen kann.
Förderverein Dortmund Mitternachtsmission
Die Arbeit
der Dortmunder Mitternachtsmission wird finanziell und ideell durch einen Förderverein unterstützt. Durch finanzielle Zuwendungen wird versucht, die Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen zu erleichtern und Arbeitsmittel und -geräte zu optimieren.
Hier einige Beispiele für diese Unterstützung:
- Die Mitarbeiterinnen arbeiten oft in unwägbaren Gefahrensituationen und sind allein deshalb auf moderne und zuverlässige Kommunikationsgeräte angewiesen.
- Um den Klientinnen, die oft kein oder nur wenig deutsch sprechen, helfen zu können, sind fast immer die Dienste von Dolmetscherinnen erforderlich. Alleine können wir das finanziell nicht stemmen!
- Die Eindrücke, Erlebnisse und menschlichen Schicksale, mit denen die MitarbeiterInnen der Mitternachtsmission in ihrer Arbeite konfrontiert werden, hinterlassen auch bei ihnen selbst seelische Spuren und Narben. Durch die Finanzierung von zusätzlichen Supervisionen kann der Förderverein hier zur seelischen Regeneration beitragen.
- Klientinnen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, haben in der Regel buchstäblich nichts und bedürfen jeder Hilfe.
Informationen zu Roterkeil – holt die Kinder vom Strich!
Kinder und Jugendliche in aller Welt sind zunehmend bedroht von pädokriminellen Verbrechern. Es ist ein gigantisches Geschäft! Der weltweite Umsatz wird auf jährlich über 10 Milliarden US Dollar geschätzt. Die Berichte über Kinderschänder, Kinderprostitution und Kinderpornographie häufen sich, zunehmend auch in Deutschland.
roterkeil.net ist ein gemeinnütziges Netzwerk gegen Kinderprostitution und besteht aus einer Vielzahl von Menschen, die Hand in Hand arbeiten, um dem Kindesmissbrauch eine starke Bewegung entgegenzusetzen. Die organisatorische Struktur des Netzwerks bilden roterkeil.net-lokal (Ortsgruppen als eingetragene Vereine, wie roterkeil Dortmund e.V.), das unternehmernetzwerk@roterkeil.net und die roterkeil.net-Stiftung. Es engagieren sich prominente Persönlichkeiten als Schutzengel sowie eine Vielzahl von Förderern beständig für die Ziele des Netzwerkes. Im Dortmunder Raum dürften die Fußballprofis Sebastian Kehl, Roman Weidenfeller und Florian Kringe die bekanntesten Schutzengel sein. Darüber hinaus engagieren sich u.a. die Sängerin Helene Fischer, die Comedians Gaby Köster und Atze Schröder, die Sport-Moderatoren Marcel Reif und Sebastian Hellmann, die Dressurreiterin Ingrid Klimke, sowie die ehemalige Familienministerin und Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth für roterkeil.
roterkeil verfolgt mit all seinen Aktivitäten zwei wichtige Ziele:
- Einwerbung von Mitteln zur nachhaltigen Unterstützung erfolgreich arbeitender Projekte. In Dortmund unterstützt roterkeil Dortmund e.V. vorwiegend die Projekte der Mitternachtsmission.
- Die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger aus Politik, Justiz, kirchlichen und nichtkirchlichen Trägern sowie Sponsoren aus der Gesellschaft und Geschäftswelt zu einem einflussreichen Bündnis zusammenzuschließen, um das Thema Kinderprostitution aus der Tabuzone unserer Gesellschaft zu holen. Nur so ist es möglich, langfristig den Kindern und Jugendlichen die Hilfe zukommen lassen, derer sie bedürfen.
Weitere Informationen: