Das Bedingungslose Grundeinkommen

Bedingungsloses Grundeinkommen als soziale Basisinnovation 

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept, nach dem jeder Bürger – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage – eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche – vom Staat ausgezahlte – finanzielle Zuwendung erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen.
Die Idee, jedes Gesellschaftsmitglied an den Gesamteinnahmen dieser Gesellschaft ohne Bedürftigkeit zu beteiligen, wird weltweit diskutiert, wobei sich der Name der Idee von Land zu Land und zu verschiedenen Zeiten unterscheidet.

Stand der Diskussion in Deutschland …
In Deutschland wird der Gedanke eines Grundeinkommens schon seit längerer Zeit diskutiert. Im Jahr 2008 z.B. ist ein Buch mit dem Titel „Klimawandel und Grundeinkommen – Die nicht zufällige Gleichzeitigkeit beider Themen und ein sozialökologisches Experiment.“ Dieses Buch enthält in seinem II. Kapitel Hintergrundtexte zum Thema u.a. von Kurt Biedenkopf, Ralf Dahrendorf, Erich Fromm, Petra Kelly, Götz Werner, also Texte, die teilweise vor 40 Jahren verfasst worden sind. *

Zu den bei uns bekannten diskutierten Modellen eines BGE gehört der Vorschlag der von dem Unternehmer Götz Werner gegründeten Initiative „Unternimm die Zukunft.“ Werner – Jahrgang 1944 – ist Gründer und Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens dm-drogerie markt. (Einzelheiten: www.unternimm-die-zukunft.de )

Einen interessanten Versuch startete im Juni 2014 der Berliner Startup-Gründer Michael Bohmeyer mit dem Projekt „Mein Grundeinkommen“. Hier wird Geld über Crowdfunding und Spenden gesammelt, aber auch, indem Werbeprovisionen der Online-Shops auf das Mein-Grundeinkommen-Konto gehen. Mit dem Geld
wurde bisher mehreren Menschen ein BGE von 1.000 € pro Monat für ein Jahr ermöglicht. Immer wenn 12.000 € zusammen gekommen sind, werden sie an eine Person ausgelost. Rd. 43.800 Menschen haben so bisher 43 Grundeinkommen für die Dauer eines Jahres finanziert. Jeder, der an der Verlosung teilnehmen möchte, kann sich hierum bewerben auf der Seite
www.mein-grundeinkommen.de 

Der OMNIBUS für Direkte Demokratie und die großen Grundeinkommensinitiativen in Deutschland haben vor einiger Zeit einen Aufruf ‚grundeinkommen abstimmen’ gestartet. Damit soll die Idee des Grundeinkommens weiter verbreitet und vor allem für eine Volksabstimmung auf Bundesebene zum Thema Grundeinkommen geworben werden.
Mehr als 100.000 Befürworter haben diese Petition unterzeichnet. Am 30. Mai wurden die Unterschriften an den Präsidenten des Deutschen Bundestags übergeben.

… und in der Schweiz
In der Schweiz wurde im Januar 2006 die „Initiative Grundeinkommen“ gegründet. Ihr Ziel ist es, die Idee eines BGE bekannt zu machen und die Erfolgschancen einer Volksinitiative in der Schweiz zu ermitteln.
Am 21. April 2012 startete in der Schweiz die Unterschriftensammlung für eine Eidgenössische Volksinitiative zum BGE.  Am 4. Oktober 2013 wurden 126.000 beglaubigte Unterschriften in Bern eingereicht. Die Bevölkerung der Schweiz wird am 6. Juni 2016 über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abstimmen.
In der Schweiz soll das BGE 2.500 Franken im Monat betragen. Das klingt für unsere Verhältnisse viel, allerdings besteht wohl Konsens, dass von 2.500 Franken ein Erwachsener in der Schweiz kaum leben kann.

Die Befürworter eines BGE haben zusätzlichen Aufwind bekommen, nachdem das Grundeinkommen zentrales Thema auf dem Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos war.

Digitalisierung spart Arbeitsplätze in erheblichem Umfang ein
Die in Deutschland eher reservierte Haltung gegenüber einem  BGE dürfte sich in absehbarer Zeit ändern. Z. Zt. wird außer acht gelassen oder bewusst ausgeblendet, dass auch in Deutschland ein erheblicher Umbruch bezogen auf die Arbeitsplätze bevorsteht.
In vielen Produktionsbereichen ist absehbar: Industrie 4.0 – d.h. Digitalisierung in Verbindung mit Big Data – spart in erheblichem Umfang Arbeitsplätze ein. Nach Schätzungen der Bosting Consulting Group (BCG) werden dies in den kommenden zehn Jahren in Deutschland etwa 500.000 sein und zwar allein

  • im Maschinenbau rd. 220.000,
  • in der Autoindustrie rd. 165.000 und
  • in der Nahrungsmittelindustrie rd. 100.00 Arbeitsplätze.

Es wird bei dem bevorstehenden Wandel nicht mehr nur um einfache Jobs gehen. Zusätzlich werden Roboter auch verstärkt Aufgaben im Dienstleistungssektor übernehmen. Hier nur einige Beispiele:

  • in Japan heben, tragen und waschen Roboter die Alten und Kranken,
  • unter Leitung eines Fraunhofer-Instituts perfektionieren deutsche Unternehmen den Einsatz von Reinigungsrobotern,
  • in Anwaltskanzleien prüfen Roboter die Rechtsgrundlagen von Verträgen,
  • in Sportredaktionen schreiben Roboter Berichte von Fußballspielen über niedrigklassige Vereine,
  • die Deutsche Bahn erklärte kürzlich, noch in diesem Jahrzehnt mit der fahrerlosen Mobilität beginnen zu wollen,
  • der fahrerlose LKW ist keine Utopie, was sich aus einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger ergibt.

Fazit: In allen denkbaren Bereichen werden MitarbeiterInnen nach und nach durch Systeme künstlicher Intelligenz ersetzt. Die Industrie 4.0, d.h. die Digitalisierung wird nach vorsichtigen aber übereinstimmenden Schätzungen in den nächsten 20 Jahren etwa die Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze überflüssig machen. Offen ist, in welchem Umfang neue Arbeitsplätze durch den erwarteten technischen Fortschritt geschaffen werden können.

Hartz IV lösungsuntauglich
Vor diesem Hintergrund wird Hatz IV endgültig als lösungsuntauglich angesehen, denn mit einer Vielzahl arbeitsfähiger Menschen, für die es dann allerdings keine Arbeit mehr gibt, kann künftig nicht mehr umgegangen werden, wie es heute mit Hartz IV -Empfängern geschieht.

Neue Ideen sind gefragt, und eine Lösung könnte das BGE sein.
Das BGE würde vermutlich die Kreativität und Eigeninitiative vieler Menschen erhöhen. „Ist die Existenz gesichert, werden mehr Menschen – vor allem Frauen – den Schritt in die Selbständigkeit wagen“, davon ist Anke Domscheid-Berg – ehemalige Vorsitzende der „Piraten“ in Brandenburg – überzeugt. Sie geht davon aus, dass „der künftige Arbeitsmarkt Spielräume vor allem für kreative und flexible Menschen bieten wird. Kreativität und Flexibilität muss man sich aber auch leisten können. Mit einem BGE im Rücken ist das einfacher.“

Ein Argument der Skeptiker lautet: „Dann geht keiner mehr arbeiten!“
Das käme auf einen Versuch an; jedenfalls wären Arbeitsplätze nur dann noch interessant, wenn sie angemessen bezahlt würden. Es könnte niemand mehr erpresst werden, die Tätigkeit z. B. als Klofrau/-mann auszuüben, weil die übrigen Einkommen nicht zum Lebensunterhalt reichen.

Machbarkeit wissenschaftlich prüfen
Neben den Chancen gibt es auch hier vermutlich Risiken. Deswegen wäre es an der Zeit, die Machbarkeit und vor allem die Finanzierung eines solchen Vorhabens wissenschaftlich zu untersuchen und zu begleiten.
Es lohnt alle Anstrengungen, denn nach Auffassung des Mitinitiators der schweizer Initiative -Enno Schmidt – geht es darum, „die Menschen freier zu machen. Auf dieser Grundlage würde die Wirtschaft nach Maß des Menschen und nicht nach Maß der Profitmaximierung angekurbelt. Das Grundeinkommen wird von der gängigen Ökonomie als Störung empfunden. Mit der Bedingungslosigkeit bricht etwas Unberechenbares in ihr Universum, etwas, für das Ökonomen keine Formel haben.“

Weitere Infos zum Thema BGE:

NETZWERK GRUNDEINKOMMEN www.grundeinkommen.de
und www.archiv-grundeinkommen.de

*Autoren und Titel der vorne erwähnten Hintergrundtexte:

Erich Fromm: Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle
Ralph Dahrendorf: Ein garantiertes Mindesteinkommen als konstitutionelles Anrecht
Dieter Althaus: Soziale Sicherheit und wirtschaftliche Freiheit
Götz Werner: Bedingungsloses Grundeinkommen also soziale Basisinnovation
Sascha Liebermann: Freiheit ermöglichen, Demokratie stärken, Leistung fördern
– durch ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger
Ronald Blaschke: Oikos und Grundeinkommen. Ansprüche an Transformation und Emanzipation
Katrin Mohr: Grundeinkommen als Grundlage sozialer Inklusion
Kurt Biedenkopf: Die Vermittlungsaufgabe kleiner Lebenskreise
Bernd Markert: Für integrative Problemlösungen
Petra Kelly: Über Joseph Beuys und die Zärtlichkeit in der Politik
Maik Hosang: Nachhaltigkeits- und Glücksforschung