… heute mit Klaus, die Maus (Klaus Neuhaus)
Ein Leben mit Musik
Wer in diesen Tagen zum Hansemann-Park geht, wird die 46. Auflage des „Mengeder Ferienspaßes“ erleben. Und gleich erinnern sich die meisten Besucher bei diesem Ereignis an Fritz Neuhaus, der vor knapp 50 Jahren den „Mengeder Ferienspaß“ ins Leben rief.
Klaus Neuhaus, mit dem wir in diesen Tagen „ bei einer bzw. mehreren Tassen Kaffee“ zusammengesessen haben, ist der Sohn von diesem Fritz Neuhaus und dessen Frau Luise. Beide waren bekannte Mengeder, genauer gesagt Oestricher. Sie hatten hier ihre Heimat gefunden: Vater Fritz, langjähriges Mitglied der SPD war mit seiner Frau stark eingebunden in das Mengeder Kulturleben. Diese Nähe zum Heimatort Mengede ist bei Sohn Klaus nicht mehr in dem Maße gegeben, wie es bei seinen Eltern war.
Warum das so ist, versuchten wir in unserem Gespräch herauszufinden. Doch der Reihe nach.
Geboren wurde Klaus Neuhaus 1952 in der Ammerstraße 43, in der heute die Sertürner Apotheke ihre Geschäftsräume hat. 1958 zog er mit seinen Eltern nach Oestrich um, dort ging er auch zur damaligen Willmann Grundschule. Anschließend besuchte er die Albert-Schweitzer-Realschule, damals noch in der Adalmund-Straße. Bereits vorher entdeckte er seine Leidenschaft für die Musik und wurde dabei von seinen Eltern, insbesondere auch von Willi Cremer, dem damaligen Leiter des Mengeder Volkschores, gefördert. (Vater Fritz war übrigens über viele Jahre hinweg der 1. Vorsitzende dieses Chores.) Beim Chorleiter Cremer hatte der damals achtjährige Klaus zwei Instrumente zur Auswahl: Klavier und Akkordeon. Er entschied sich für das Akkordeon. Für das Akkordeonspiel trat mit Prof. Reidys vom Dortmunder Konservatorium ein weiterer Förderer auf den Plan, der den talentierten Jungmusiker in seine Obhut nahm. In dieser Zeit wurde sicherlich schon der – damals noch heimliche – Wunsch geboren, später einmal die Musik als Beruf auszuüben.
Aber zunächst einmal galt es nach dem erfolgreichen Besuch der Realschule einen „ordentlichen“ Beruf zu erlernen. Klaus begann eine kaufmännische Lehre, allerdings war die praktische Musikantentätigkeit für ihn spannender. So kaufte er sich knapp einen Monat nach Ausbildungsbeginn eine kleine Hammond-Orgel, ging damit zum Wirt des Hauses Reinbach in der Ammerstraße/Ecke Dönnstraße und fragte nach, ob dieser Verwendung für ihn in der Tanzkapelle des Hauses habe. Sein Vorspiel war für den Wirt so überzeugend, dass er gleich für die Hauskapelle und kurz darauf auch für weitere Tanzkapellen in der näheren Umgebung engagiert wurde.
Im Nachhinein stellt er fest: „Ich hatte damals einen wohlwollenden und verständnisvollen Ausbildungsleiter, der häufig die Augen zudrückte, wenn ich übernächtigt an meinem Arbeitsplatz erschien.“ Das fand er toll und war deswegen daran interessiert, seinen Job, vor allem jedoch seine Ausbildung nach besten Kräften zu absolvieren. Aber bei allem Bemühen, die Musik interessierte ihn doch zunehmend mehr. So erlernte er in dieser Zeit zusätzlich das Gitarrespiel. Es waren alles beste Voraussetzungen, um mit Gleichgesinnten den „Mengeder Folk-Club“ ins Leben zu rufen, der sich regelmäßig „Auf dem Brauck“ in der Gaststätte „Treffpunkt“ zusammenfand. Von hier aus wurden regelmäßige Veranstaltungen organisiert. Oestrich und der „Treffpunkt“ erwarben sich auf diesem Wege auch überörtlich schnell einen guten Ruf, so dass der Saal im „Treffpunkt“ bei diesen Veranstaltungen meist überfüllt war. Absoluter Höhepunkt dieser Phase war das Folkfestival im Stadion des Mengeder Volksgartens, das er damals zusammen mit seinen Mitstreitern – allen voran Herbert Hirschmann und Axel Bredensteffen – organisiert hat. Im „Treffpunkt“ residierte der Club etwa drei Jahre lang, danach setzte das HoT in Mengede die Veranstaltungsreihe fort
Nach der Ausbildung absolvierte er seinen Zivildienst in der Dortmund Unfallklinik, war mit mehreren Bands unterwegs und machte zum Ende dieser Phase über zwei Jahre erfolgreich politisches Kabarett. Schon 1969 ließ er sich als damals 17-Jähriger von Willy Brand und dessen Forderung „Mehr Demokratie wagen“ anstecken und trat der SPD bei. Hier engagierte er sich über einen längeren Zeitraum bei den Mengeder Jusos.
Mit 30 Jahren hat Klaus Neuhaus sein Leben „komplett umgekrempelt“, wie er selbst sagt. „Job und Wohnung habe ich gekündigt, das einfache Leben in einer Wohngemeinschaft gesucht, mit dem Ziel, nur noch als Musiker zu arbeiten.“
Nach einem längeren Prozess des Nachdenkens hatte er für sich entschieden, nur noch das zu tun, was aus seiner Sicht wichtig für ihn ist im weiteren Leben. Vielen, vor allem jüngere Menschen gehen ähnliche Überlegungen häufig durch den Kopf, aber nur wenige trauen sich – zumeist aus wirtschaftlichen Gründen – daraus konsequentes Handeln folgen zu lassen. Zumal ja die Frage, was ist wichtig für mich im weiteren Leben, Stimmungen unterliegt und nie eindeutig beantwortet werden kann.
Für Klaus Neuhaus muss das klar gewesen sein – eine Entscheidung, die er übrigens auch heute nicht bereut. Der Kündigung seines Jobs und seiner Wohnung folgte wenig später der Austritt aus der Kirche und aus der SPD. Diese beiden letztgenannten Entscheidungen mögen auch mit dem Thema „Gerechtigkeit“ zu tun gehabt haben, mit dem er sich damals und im Laufe seines weiteren Lebens – „mal mehr, mal weniger beschäftigt hat.“ Jedenfalls fand er schon damals weder die kath. Kirche noch die SPD willens, sich dem Thema „Gerechtigkeit“ mit der notwendigen Glaubwürdigkeit zu widmen.
Damals lernte er seine spätere – erste – Frau kennen, die Künstlerin und Grafikerin Ingrid Schmechel, die auch einige seiner Bücher illustriert hat. Beide haben zwei Kinder. Die Tochter ( 25 ) studiert Politik und Englisch, der Sohn ( 23 ) studiert Musik.
Den Austritt aus der Kirche machte er im Jahr 2009 in einem aufwändigen Aufnahmeverfahren wieder rückgängig. Grund dafür war die Eheschließung mit seiner zweiten Frau, der Musikwissenschaftlerin Sabine Kreter, und insbesondere der gemeinsame Wunsch, sich kirchlich trauen lassen. Dass alles erfolgreich verlief, verdanken er und auch die kath. Kirche vor allem dem ehemaligen Netter Pfarrer Uli Stahl, der sich größte Mühe gegeben hat, das verlorene Schäflein wieder zurückzubekommen. Was – auf Klaus Neuhaus bezogen – auch zeigt, dass er durchaus bereit und in der Lage ist, frühere Entscheidungen zu reflektieren und ggf. zurückzunehmen.
Aber zurück zur musikalisch-künstlerischen Entwicklung. Die ersten Jahre als „Berufsmusiker“ waren nicht einfach. Was er bisher zum Vergnügen und freiwillig betrieben hatte, wurde nun seine Hauptbeschäftigung.
Ein Durchbruch gelang im Jahr 1985. Damals wurde ihm der erste Plattenvertrag des Pläne-Verlags angeboten. Mit seiner Partnerin – der Mengederin Karin Heimann – sang er in dieser Zeit vor allem Kinderlieder. Sie produzierten gemeinsam zahlreiche Platten, CDs und Bücher mit Kinderliedern.
Eine der ersten Platten der beiden illustrierte der ehemals in Mengede lebende Henning Eichinger, der seit 1997 als Professor für Zeichnerische Darstellung und Künstlerisches Gestalten an der Hochschule Reutlingen lehrt. Daneben waren sie live in Deutschland auf Tournee – ca. 100 Konzerte im Jahr auf das ganze Land verteilt. Höhepunkt dieses anspruchsvollen Programms war sicher der jeweils einwöchige Festival-Aufenthalt in Berlin mit durchschnittlich jeweils 13 Auftritten.
Zusammen mit Ingrid Schmechel gründete er im Mai 2004 in der Schragmüller Straße eine Musik- und Malschule, die er nach der Trennung von seiner Frau alleine als Musikschule weiter betreibt. Augenblickliche Schwerpunkte des Lernangebots: Klavier, Keyboard, Gitarre, Gesang und musikalische Früherziehung.
Etwa zur Zeit seiner zweiten Eheschließung adoptierte Klaus Neuhaus die jüngste der drei Pflegetöchter, die seine erste Frau Ingrid und er über eine lange Zeit betreut hatten. Sie war inzwischen 36 Jahre alt geworden und war die jüngste von drei Mädchen, die im Jahr 1986 bei ihm vor der Tür standen und um Hilfe baten. Er hatte sie beim Mengeder Ferienspaß kennengelernt. Für seine Frau und ihn war es selbstverständlich, dass sie sich um die Mädchen kümmern mussten, damit sie zumindest eine gute Schulausbildung und berufliche Ausbildung bekamen. Das ist ihnen gemeinsam gelungen. Die jüngste der Drei hatte zu ihm immer eine besondere Beziehung: Sie kümmert sich um ihn, wenn es ihm schlecht ging und umgekehrt war er immer für sie da, wenn sie Probleme hatte. So war es denn eine ungewöhnliche, gleichwohl logische Entscheidung, die frühere Pflegetochter zu adoptieren.
Was sind die augenblicklichen Aktivitäten von Klaus Neuhaus? Mit seinem Dortmunder Kollegen Martin Hörster hat er zwei kleine Firmen gegründet. Einmal das Hör Neu Musik-Label zur Verbreitung von Kindermusik und anderer Musik per Download und Streaming, zum anderen den Unkorekt-Verlag, ursprünglich zum Verkauf von E-Books. Ab September 2016 gehört zusätzlich zum Programm der Druck von Büchern, die dann in jeder Buchhandlung erhältlich sein werden. Hier hat er auch sein erstes E-Book „Bremen sucht den Stadtmusikanten-Star“ herausgegeben, was in Anlehnung an das bekannte Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ für Kinder im 3./4. Schuljahr geschrieben wurde.
Die Herausgabe von Büchern weist auf eine Verlagerung des Interessenschwerpunktes hin. In den letzten zwei Jahren hat er das Komponieren von Kinderliedern reduziert und dafür mehr Lust verspürt, Geschichten und Romane für Erwachsene zu schreiben. So hat der Unkorekt-Verlag Ende Juni sein nächstes E-Book „Der Spielzeug-Reformator und andere Gerechtigkeiten“ herausgegeben.
Gerechtigkeit, das zentrale Thema dieses Buches, mit dem hat sich Klaus Neuhaus sein gesamtes bisheriges Leben beschäftigt. Im Sommer 2015 hat er zu diesem Thema recherchiert, nachdem er in Thüringen die Reformations-Stätten besuchte und zeitgleich die Firma Playmobil den Reformator Martin Luther als Spielzeug-Figur auf den Markt brachte. „Warum bekommt ausgerechnet der bekennende Juden-Hasser Martin Luther diese Würdigung und nicht seine damaligen Mitstreiter?“ fragte er sich. Dass Gerechtigkeit häufig eng mit politischer und wirtschaftliche Macht korrespondiert, obwohl ja alle vor dem Gesetz gleich sein sollen, zieht sich durch alle Geschichten dieses lesenswerten Buches.
Ein gemeinsamer Roman mit Sabine Kreter – eine Liebesgeschichte aus der Dortmund Jazz- und Klassikszene – wird in Kürze veröffentlicht. Derzeit schreibt er an einem Roman über ein One-Hit-Wonder. Es geht darin um die Geschichte eines Interpreten, der nur ein Musikwerk in der Hitparade platzieren konnte.
Zu zwei Fragen, die zum Ende unserer Gespräche gestellt werden, hat Klaus Neuhaus klare Antworten. Befragt, wie es weitergehen soll – schließlich ist er mit 64 Jahren schon im Rentenalter – antwortet er, er möchte weiter machen wie bisher und solange die Gesundheit es zulässt. Aus Sicht des Chronisten kann nur gesagt werden: Wer sich so gesund verhält wie Klaus Neuhaus, der kein Fleisch isst und keinen Alkohol trinkt, hat beste Voraussetzungen 100 Jahre alt zu werden und dabei fit zu bleiben.
Befragt nach seiner Beziehung zu Mengede folgt das etwas überraschende Bekenntnis: „Mengede ist in meinem Herzen, in meinem Kopf und häufig in meinen Träumen. Und so wird es bleiben, obwohl ich dort seit vier Jahren nicht mehr wohne. Mengede ist meine Heimat, so wie es die Heimat meiner Eltern und meiner Großeltern war.“
MENGEDE:InTakt! hat Klaus Neuhaus gebeten, den (aktualisierten) Fragebogen von Marcel Proust* auszufüllen. Hier ist das Ergebnis: