… heute mit Ulrich Cuypers:
Alles über Bienen und Bienen über alles
Als sich der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow kürzlich in Schwieringhausen vom Mengeder Bienensachverständigen Ulrich Cuypers (66) über die Bienen im Allgemeinen und über das Bienensterben im Besonderen informieren ließ, fragte sich die weniger informierte Öffentlichkeit, warum der Bülow deshalb gerade nach Mengede kommt. Bienensachverständiger? Sollte nicht eigentlich jeder Imker Bienensachverständiger sein? Ebenso, wie z. B. jeder „Taubenvatter“ für sich in Anspruch nehmen wird, ein Taubensachverständiger zu sein.
Um die Unterschiede herauszufinden hat MENGEDE:InTakt! mit Ulrich Cuypers einen Termin vereinbart, um von ihm etwas mehr über das Hobby des Imkers zu erfahren. Aber auch darüber, wie es sich mit dem Sachverständigen verhält. Wer mit Ulrich Cuypers ins Gespräch kommt, erhält eine Menge an Informationen über die Westliche Honigbiene; beispielsweise:
- dass die Bienen zur Insektenfamilie der Hautflügler gehören – ebenso wie die Wespen, Hornissen und Hummeln. Umgangssprachlich wird der Begriff Biene meist auf eine einzelne Art, die Westliche Honigbiene reduziert, die wegen ihrer Bedeutung als staatenbildender Honigproduzent besondere Aufmerksamkeit erfährt. Dabei bilden die Bienen eine recht große Gruppe mit sehr unterschiedlichen Arten. Viele davon, vor allem die solitär lebenden, werden unter dem Begriff Wildbienen zusammengefasst.
- dass die Bienen in erheblichem Maße zum Erhalt von Wild- und Kulturpflanzen und deren Erträgen beitragen. Ihre ökologische Bedeutung ist beträchtlich und muss als die eigentliche Leistung angesehen werden. Bienen zählen weltweit zu den wichtigsten Bestäubern. Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace liegt die jährliche Bestäubungsleistung weltweit bei rund 265 Milliarden Dollar. Ihre damit zusammenhängende ökonomische Bedeutung wird auch dadurch deutlich, dass z. B. in Deutschland derzeit von über 80.000 Imkern zirka eine Million Bienenvölker gehalten werden. Diese decken mit etwa 25.000 Tonnen Honig pro Jahr ca. 20 % des heimischen Bedarfs.
- dass es im Frühsommer häufig zu einem sog. Schwarm kommt. In dieser Jahreszeit verfügt ein Bienenvolk über den größten Bestand an Individuen im Jahresverlauf. Dadurch sind viele Ammenbienen vorhanden, die die Brut pflegen wollen, aber nicht mehr ausreichend Brut vorfinden. Dies ist beispielsweise bei einem zu eng gewordenen Bienenstock der Fall. Dann verlassen schlagartig 10.000 Bienen und mehr mit ihrer Königin in einer riesigen Wolke den Bienenstock. In der Nähe des Bienenstocks sammeln sie sich später als Schwarmtraube und legen eine Ruhepause ein, um sich weiter zu orientieren. Dazu machen sich einige hundert Kundschafter, auch Spurbienen genannt, auf den Weg und suchen nach einer geeigneten neuen Nistgelegenheit. Bei diesen Erkundungen kehren immer wieder Spurbienen zum Schwarm zurück und führen auf der Oberfläche der Schwarmtraube den Schwänzeltanz auf, um weitere Kundschafter an die neu entdeckten Orte zu locken.Die Informationsübermittlung der Spurbienen hinsichtlich Richtung und Entfernung entspricht der des Tanzes bei der Übermittlung einer Futterquelle. Je überzeugter sie von der Lage des neuen Nistplatzes sind, desto ausdauernder vollziehen sie diesen Tanz.
- dass die Behauptung nicht zutrifft, Bienen seien angriffslustig und würden gerne mal zustechen. Bienen sind friedliebende Insekten. Weibliche Bienen verfügen zwar über einen sog. Wehrstachel mit Widerhaken, setzen ihn aber nur in höchster Not ein, denn sie verlieren ihn beim Stechen und sterben anschließend.
- dass es eine – mit viel Emotionen in Imkerkreisen, aber natürlich auch in der Landwirtschaft und in den einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen – geführte Auseinandersetzung um das Thema Bienensterben gibt. Unter diesem Begriff werden vor allem die Sterbeursachen und -folgen der Westlichen Honigbiene diskutiert.
Als wichtigste Ursachen für diese Situation gelten weltweit die Varroamilbe und mit einigem Abstand die amerikanische Faulbrutkrankheit. Inwieweit Rückstände von Pflanzenschutzmitteln eine Rolle spielen, wird kontrovers diskutiert. Sicher scheint zu sein, dass Bienen sich wegen des Einsatzes von Giften in der Landwirtschaft nicht ausreichend ernähren können. Manche Gifte dezimieren die Bienenbestände erheblich, so dass die Forderung im Raum steht, diese Gifte aus der europäischen Landwirtschaft zu verbannen.
dpa meldet in diesen Tagen, dass „Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonikotinoide nicht nur Honigbienen, sondern auch Wildbienen und Schmetterlinge“ gefährden. (taz vom 17.8.2016). Auch „spiegel online“ berichtete am gleichen Tag, dass nach einer Studie des britischen Zentrums für Ökologie und Hydrologis ein Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Pestiziden und dem Rückgang der Wildbienen-Population naheliegt.
Die im Jahre 2011 veröffentlichten Ergebnissen der Langzeitstudie „Deutsches Bienen Monitoring“, die von der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung koordiniert wurde, kommt allerdings zu dem Schluss, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln beim Bienensterben kaum ins Gewicht fallen. Die Ergebnisse dieser Studie werden jedoch von vielen Imkern und Umweltverbänden wie NABU und BUND heftig kritisiert. Hauptvorwurf: Die Anwendung von Pestiziden und deren Folgen sei gar nicht untersuchtworden. Als kritisch wird zudem angesehen, dass „50 Prozent der Kosten des Projekts von der Industrie (BASF, Bayer und Syngenta) getragen“ wurde, welche die umstrittenen Pestizide produzieren.
- dass die Varroamilbe als der bedeutsamste Bienenschädling weltweit gilt und dass sie als eine Hauptursache des in Deutschland seit einigen Jahren immer wieder im Herbst oder dem Winterhalbjahr auftretenden seuchenartigen Bienensterbens gesehen wird. Der Befall von Bienenvölkern durch die Milbenart wird als Varroose bezeichnet.
- dass die Amerikanische Faulbrut ebenfalls weltweit als
bedeutsame Ursache für das Bienensterben gilt. Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung der älteren Bienenbrut. Im Erkrankungsverlauf löst sich die gesamte Körperstruktur der Larven oder Puppen auf und es bleibt nur eine zähe, braune, schleimige Substanz übrig, die später zu einem dunklen Schorf eintrocknen kann. Jede unerkannt gebliebene, infizierte Larve trocknet in der Zelle ein und enthält nach vollständiger Zersetzung bis zu 2,5 Milliarden neuer Sporen. Zusammenbrechende Bienenvölker werden von Bienen anderer Völker ausgeräubert, wodurch sich die Sporen in deren Völker verteilen. Früher musste jedes Volk, bei dem eine Faulbruterkrankung erkannt war, abgetötet werden. Heute wird nur noch die Brut vernichtet. In Dortmund ist diese Erkrankung in den letzten drei Jahren allerdings nicht mehr aufgetreten, auch ein Erfolg der verbesserten Wabenhygiene.
Bevor wir uns weiter mit den Bienen beschäftigen, ist es natürlich auch interessant zu erfahren, wie jemand, der seit 1981 am Phoenix – Gymnasium in Hörde in den Fächern Englisch, Erdkunde und evgl. Religion unterrichtet hat, als Hobby die Imkerei entdeckt und im Imkerverband gleich auch noch zu verantwortungsvoller Tätigkeit herangezogen wird.
Auf diese Fragen erfährt man, dass Ulrich Cuypers im Jahr 2005 zufällig aus einer Zeitungsmeldung von einer Veranstaltung des Kreisimkervereins im Lehrbienenstand im Rombergpark las. Er wollte sich den angekündigten Vortrag mal anhören, obwohl ihn das Thema „Bienen“ bis dahin nicht sonderlich interessiert hatte. Dort lernte er nach der Veranstaltung zwei ältere Imker kennen, kam mit ihnen ins Gespräch und war von deren Sachkunde fasziniert, mit der sie über Bienen sprachen. Zum Schluss des Gesprächs gaben sie ihm den Rat, den Umgang mit Bienen könne man nicht aus Büchern lernen, sondern nur, wenn man täglich mit ihnen umgehe. Das war nicht nur eine theoretische Empfehlung, sondern er bekam sogleich von ihnen zwei sog. Ableger geschenkt. Danach war ihm klar: Ich werde Hobby-Imker!
So kam es dann auch, und da er in seinem Beruf gelernt hatte, neben den praktischen Erfahrungen die theoretischen Grundlagen nicht zu vernachlässigen, war es zwangsläufig, dass er an Weiterbildungsveranstaltungen des Imkerverbandes teilnahm. Er lernte zunächst, durch welche Maßnahmen die Honigqualität verbessert werden kann. Nach erfolgreichem Abschluss einer entsprechenden Prüfung darf er seinen Honig nun entsprechend der Qualitätsanforderung des „Deutschen Imker Bundes“ mit diesem Warenzeichen anbieten. Im September 2011 bestand er nach halbjähriger Schulung des Landesverbandes die Prüfung als Honigsachverständiger.
Danach folgte der nächste Schritt: Die Ausbildung zum Bienensachverständigen. In dieser Phase musste er sich mit für ihn bisher fremden Fachgebieten wie Biologie, Chemie, Botanik und Medizin beschäftigen. Nach erfolgreichem Abschluss der 6-monatigen Ausbildung konnte er sich Bienensachverständiger des Imkerkreises Dortmund nennen und ist seit 2012 Obmann für Bienengesundheit für den Kreisimkerverein Dortmund.
Nach einer weiteren 6 Monate dauernden Ausbildungsphase legte er eine Prüfung als Systemberater ab. Aufgabe des Systemberaters ist z.B. die fachliche Beratung der Imker, die ihre Imkerei zertifizieren möchten.
Zurück zum Hobby-Imker Ulrich Cuypers. Er begann mit der Bienenzucht im Jahr 2005 mit zwei Völkern im eigenen Garten. „Das war meine schönste Zeit“, erinnert er sich, „weil ich die Bienen in meiner Freizeit praktisch immer um mich herum hatte.“ Es drohte jedoch Streit mit der Nachbarschaft, und so siedelte er seine Völker aus. Heute hat er sie auf vier Standorte verteilt: Deinighauser Straße, Obstbaummuseum in Schwieringhausen, Kleingartenanlage in Nette, Phoenix-Gymnasium in Hörde, und demnächst soll noch ein weiterer Standort in Ellinghausen von der DEW hinzukommen. An jedem Standort hat er zwei bis zehn Völker, zu jedem dieser Völker gehören im Sommer bis zu 50.000 Bienen. Beachtlich!
Zur Zeit gibt es in Dortmund ca. 300 Imker. Das Interesse an ihrer Arbeit nimmt deutlich zu, vor allem bei Jugendlichen und bei Frauen. Ulrich Cuypers ist – da es in Mengede nur noch wenige Imker gibt – Mitglied im Ortsverein Hombruch, der ungefähr 90 Mitglieder zählt. Von diesen 90 ist nur einer Berufsimker, die anderen betreiben die Imkerei als Hobby. Jeder von ihnen hat im Schnitt 6 Bienenvölker, deren durchschnittlicher Honigertrag beträgt im Jahr ca. 120 kg. Das wären 240 Gläser, und das ist kein Ertrag, mit dem man reich werden könnte.
Die Lebensbedingungen der Bienen hier in Dortmund sind überdurchschnittlich gut. Es gibt in den zahlreichen Kleingärten viele Obstbäume und auch ansonsten mehr Wildbäume und unterschiedliche Blumen und Pflanzen als in anderen Gegenden, die den Bienen ausreichend Nahrung bieten können. Allerdings erfordert der Sommer in diesem Jahr mit seinem anfangs eher bescheidenen Wetter eine erhöhte Aufmerksamkeit der Imker. Wichtig ist in dieser Zeit, den möglichen Befall der Bienenvölker durch die Varroamilbe in den Griff zu bekommen. So gibt es denn auch im Verlauf des Jahres nur wenige Phasen, in denen Ulrich Cuypers die Bienen sich selbst überlassen würde.
Der Jahresablauf des Imkers Cuypers ist an der Entwicklung der Bienenvölker orientiert und von Wettereinflüssen und vom Trachtangebot abhängig. Dabei fallen in der Regel die folgenden Tätigkeiten an:
- Im zeitigen Frühjahr zur Salweidenblüte wird der vorjährige Brutraum entnommen und eingeschmolzen. Dies dient der Wabenhygiene, da das Volk nun im noch nicht bebrüteten vorjährigen Honigraum brütet.
- Je nach Bedarf des einzelnen Volkes wird über einem Absperrgitter eine Zarge mit Mittelwänden aufgesetzt, die die Bienen zum Honigraum ausbauen.
- Ab Anfang Mai bis Ende Juni hat der Imker viel zu tun – an dieser Stelle nur stichwortartig:
- wöchentliche Kontrolle des Brutraums auf Schwarmzellen,
- im vierzehntägigen Rhythmus Drohnenrahmen setzen und ausschneiden,
- bei guter Tracht zweiten Honigraum aufsetzen,
- im gleichen Zeitraum Ablegerbildung,
- vollverdeckelte Honigwaben Mitte Mai abschleudern,
- nach der Lindenblüte erfolgt die Sommerernte, in diesem Jahr Mitte Juli,
- danach Auffütterung der Bienen und Ermittlung der Varroabelastung,
- In Abhängigkeit des Varroadrucks Behandlung des Bienenvolkes mit Ameisenmeisensäure.
- Vor der Schleuderung muss der Raum, in dem geschleudert wird, gründlich gereinigt und die benötigten Geräte auf Sauberkeit und Funktionstüchtigkeit überprüft werden.
- Nach der Schleuderung wird der Honig abgeschäumt und gerührt, bis er die gewünschte Konsistenz hat, dann in Gläser abgefüllt und etikettiert. Beteiligung an der Honigbewertung des Landesverbandes.
- Im Herbst wird – falls nötig – weiter eingefüttert und die Varroa bekämpft. Hierbei sind Temperaturen um 20˚Celsius notwendig. Fluglöcher werden eingeengt und Mäuseschutzgitter werden angebracht.
- Im brutfreien Zustand erfolgt bei niedrigen Temperaturen die letzte Behandlung der Varroamilbe im Dezember.
- Im zeitigen Frühjahr beginnt hoffentlich die neue Saison mit starken und gesunden Völkern.
Zum Standort Phoenix-Gymnasium erzählt Ulrich Cuypers folgende schöne Geschichte. Im Herbst 2009 habe ein Referent auf dem Honigtag in Siegen den Imkern einen Spiegel vorgehalten. Ohne hinreichenden Nachwuchs, so seine pessimistische Prognose, sei die Imkerei in Westfalen in spätestens zwanzig Jahren am Ende. Das habe ihn beeindruckt und auf der Rückfahrt von Siegen beschloss er – vemutlich auch inspiriert durch die soeben erhaltene Goldmedaille für seinen Honig – den Schülern des Phoenix-Gymnasiums eine Bienen AG anzubieten.
Die Bienen AG startete mit drei Schülern aus der Oberstufe und sieben Fünftklässlern. Diese Schüler sind heute natürlich nicht mehr in der Bienen AG. Da aber mit jedem neuen Schuljahr neue Schüler hinzukommen, hat die Bienen AG derzeit zehn Mitglieder, die im kommenden Schuljahr die Klassen sechs und sieben besuchen. Aus den jetzigen 5er Klassen werden sicher neue Schüler hinzukommen. Die AG trifft sich wöchentlich nach Unterrichtsschluss, arbeitet mit den Schulbienen und entwickelt aus der Gruppe heraus Fragestellungen, die dann aufgearbeitet werden. Die Bienen AG beteiligt sich an den Bildungsangeboten des Landesverbandes. Sie hat die beiden Landeswettbewerbe der Jugendimkerei gewonnen. Durch ihre Beteiligung am Bundeswettbewerb des „Deutschen Imker Bundes“ 2013 in Weimar, 2014 in Ludwigshafen und 2015 in Amberg haben die Mitglieder der Bienen AG des Phoenix Gymnasiums nach den anerkennenden Worten des Präsidenten des bayrischen Imkerverbandes in der „ersten Liga mitgespielt“.
Und zum Abschluss wollen wir unseren Lesern eine besondere Geschichte nicht vorenthalten, die am 22.8. 16 im Dortmunder Teil der Ruhr Nachrichten zu lesen war. Da berichtete Kerstin Hanke, Pfarrerin in der evgl. Kirchengemeinde Wickede, von einem Edikt*, das die Archivarin Marianne Dülken in den Unterlagen der Kirchengemeinde gefunden hatte. Friedrich, König von Preußen, hatte 1775 allen Predigern aufgetragen, jährlich dieses „ Edikt auf die Vergiftung und vorsätzliche Beschädigung derer Bienen, gesetzte Strafe betreffend“ von der Kanzel zu verkünden.
Frau Hanke schließt ihren Beitrag mit dem Hinweis, sie sei keine Monarchieanhängerin, aber dieser königlichen Bitte komme sie gerne nach.