Der Watzmanntrek – eine Herausforderung besonders bei schlechten Wetterverhältnissen
Seit über 40 Jahren ist Diethelm Textoris – Redaktionsmitglied von MENGEDE:Intakt! auf internationalen Weit- und Fernwanderwegen unterwegs. Im vergangenen Monat war er wieder auf Tour. Im Alleingang umrundete er den zweithöchsten Berg Deutschlands, den 2713 Meter hohen Watzmann.
Während bei uns die Temperaturen 30 Grad erreichten, war er Kälte, Regen und Schnee ausgesetzt. Nachfolgend sein Bericht:
„Schon der Start ist etwas Besonderes. Denn der Ausgangspunkt ‚Salet‘ des ‚Watzmanntreks‘ ist nur mit dem Boot zu erreichen. Sechs Wandertage liegen vor mir. ‚Die schönsten Juwelen der Bayerischen Alpen‘, hat mir der Wanderführer versprochen. Da überliest man gern die nächsten Ausführungen:‚Sie gehen auf felsigen Bergpfaden und alpinen Bergsteigen und müssen mit jedem Wetter rechnen.‘
Noch befinde ich mich auf dem vollbesetzten Elektroboot im Strom der internationalen Touristen. Routiniert erklärt der Schiffbegleiter die Sehenswürdigkeiten zur Linken und Rechten: Den Malerwinkel, die Kesselwand, St. Bartholomä. Mit seiner Posaune lässt er das berühmte Echo erklingen. Das freiwillige Trinkgeld wird sofort kassiert. ‚Denken Sie daran, dass wir das Geld mit dem Kollegen oben am Berg teilen müssen.‘
‚Vor uns sehen Sie den Röthbachwasserfall, mit 470 Metern der höchste Wasserfall Deutschlands‘, verkündet der Schiffsbegleiter. Ich bekomme doch ein ziemlich mulmiges Gefühl, als mir klar wird, dass ich genau parallel dazu über einen Steig mit anschließenden weiteren 300 Höhenmetern zur ‚Wasseralm‘ aufsteigen muss.
Am Fuße des Wasserfalls lasse ich die letzten Tages-Touristen hinter mir, dann geht es nur noch aufwärts. Über steile, schmale und felsige Pfade, mit Seilen gesicherte Kletterstufen, bei denen auch die Hände zum Einsatz kommen. Seit Beginn des Aufstiegs hat ein heftiger Regen eingesetzt, und das vom Berg herabfließende Wasser sucht sich vorwiegend meinen Weg als Abflussrinne. Einmal bekomme ich bei Durchquerung eines Wasserfalls eine ziemlich heftige Dusche ab. Als ich nach vier Stunden die Wasseralm in 1420 m Höhe erreiche, weiß ich, dass sie ihren Namen zu Recht trägt.
Bei der Wasseralm merkt man, dass man beim ‚Watzmanntrek‘ ein Stück moderner Zivilisation hinter sich lässt. Man muss sich zwar nicht mehr, wie noch vor kurzem, in der Viehtränke waschen. Aber die Waschräume sind im höher gelegenen Nebengebäude und haben keine Duschen. Dafür ist das nostalgische ‚Plumpsklo‘ mit dem Herz in der Tür erhalten geblieben. Wer nachts bei Regenwetter im Schein der Taschenlampe die Örtlichkeiten aufsuchen muss, bekommt die ‚Wasserspülung‘ schon vorher. Handyempfang? Fehlanzeige. Den habe ich erst am nächsten Tag, (wieder ein Regentag) an einer einzigen, genau im Reiseführer beschriebenen Stelle. Dann ist für drei Tage wieder Funkstille. Zum Glück habe ich die Angehörigen darauf hingewiesen. Damit sie nicht gleich das Schlimmste befürchten.
Beim Blick aus dem Fenster des Kärlinger Hauses (1638 m) am nächsten Tag zeigen sich die umliegenden Berge verschneit. Ich beschließe, wie auch die übrigen Gäste, auf direktem Weg zum Ingolstädter Haus (2120 m) zu gehen, denn im ‚Steinernen Meer‘ sind die Boden-Markierungen bei Schnee nicht mehr zu erkennen.
Trotzdem muss ich hochkonzentriert aufpassen, wie ich jeden Tritt setze und immer vorausschauend im Nebel die nächste Markierungen suchen. So bin ich froh, dass ich nach einer doppelt so langen Zeit wie vorgegeben hinter einer hohen Schneewehe bei einem Schild ‚Herzlich Willkommen‘ die Hütte erreiche.
‚Im Nebenraum spielt der Franz‘, flüstert mir die Bedienung als Geheimtipp zu.
Franz, 60 Jahre alt, genießt mit seiner Gitarre Kultstatus auf der Hütte. Während früher ‚La Montanara‘ oder das ‚Kufsteinlied‘ die Renner waren, treibt er heute mit ‚Smoke on the water‘ und ‚Highway to Hell‘ die Gäste auf die Sitze und Tische. Ich finde, dass in die Super-Stimmung ein zünftiges Seemannslied gut passt. So darf ich mit Franzens instrumentaler Unterstützung ‚La Paloma‘ vortragen und mit ‚Lili Marleen‘ den Abend beschließen.
Nach zwei weiteren trüben Tagen, bei denen ich die risikolosere Wegführungsvariante über Österreich mit dem Gasthaus ‚Hirschbichl‘ als Übernachtungsstation nehme, erreiche ich das Watzmannhaus in 1930 m Höhe. Da ich eine Gipfelbesteigung nicht ernsthaft erwogen habe, steige ich nach Tagen der Kälte am einzigen Sonnentag bei angenehmer Hitze hinab zum Königssee.
Der Kreis hat sich geschlossen. Den Watzmann habe ich kein einziges Mal in seiner vollen Schönheit sehen können. Nach Tagen mit Kompromissen bezüglich der Körperhygiene genieße ich das komfortable Zimmer im Hotel ‚Schiffmeister‘. Vom Balkon beobachte ich die unzähligen Touristen, die im 15-minütigen Rhythmus die Schiffe füllen. Die internationale Beliebtheit merke ich auch am nächsten Morgen, als ich beim Frühstück ziemlich allein unter Japanern bin.“