Alles Beschiss – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Alles Beschiss

Eine Kolumne von Peter Grohmann
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Peter Grohmann muss das Frühstück bei ehrenamtlichen Reisen selbst bezahlen. Foto: Martin Storz

KONTEXT:Wochenzeitung vom 28.09.2016

Jeremy Corbyn, linker Stürmer bei Labour United, hat rund 300 000 Parteimitglieder so manipuliert, dass sie ihn als Parteichef wiedergewählt haben. Corbyn, das linke Ei der englischen Sozialisten, ist im Gegensatz zu den hiesigen ein unorthodoxer Marxist, der die Kaufkraft der Massen stärken und das Militärische schwächen will – und noch mehr in der Richtung.

So etwas hätte in Deutschland null Chancen. Sigmar Gabriel kann sich nun wie geplant an seine Basis wenden und fragen, wen die denn gern als Kanzlerkandidatin hätte.

Anstand bescheißt nicht, daran glaubte meine Omi Glimbzsch aus Zittau ebenso wie an den Heiligen Vater. Das globale Wirtschaftssystem führt zur Barbarei, sagte der, es braucht den Krieg, und es stellt das Geld und nicht den Menschen in den Mittelpunkt. Okay, das war 2014. Solche Zitate gelten maximal zwölf Monate.
Für Papst Franziskus ist die freie Marktwirtschaft Teufelszeug. Weiß er eigentlich genau, wohin seine Kritik führt? Man dürfte von einem Heiligen mehr Fähigkeit zur Differenzierung erwarten, etwa, wenn beim Mundgeruch: „Meist bemerkt der Korrupte seinen Zustand nicht einmal, ähnlich wie jemand, der starken Mundgeruch hat und diesen selbst gar nicht bemerkt.“

Es stinkt. Mundgeruch hat auch der international tätige Cum-Ex-Klan*. Er soll allein den deutschen Fiskus um mehr als zehn Milliarden Euro beschissen haben – verzeihen Sie die ordinäre Sprache, aber ich hab das Wort aus einer E-Mail geklaut, die im Kontext des VW-Bosch-Audi-Dobrindt-Abgasskandals die Runde machte. In Wahrheit haben die betroffenen Ingenieure und ihre Herren ja nicht selbst beschissen, gelogen und betrogen, sondern lediglich ihren Autos korrektes Lügen beigebracht.
Ob nun beim Cum-Ex-Skandal Lügner und Betrüger aus echtem Schrot und Korn den Fiskus manipuliert haben, bleibt ein Geheimnis. Aber viele sind sauer, weil es rausgekommen ist. International hoch angesehene Geldinstitute wie JP Morgan aus New York, Barclays aus London und BNP Paribas aus Paris waren an den Aktiendeals beteiligt – und wer hat den Schaden? Sie!

Ich muss einräumen, dass es hier allenfalls um zehn Milliarden Euro geht. Mit im Boot auch HSBC Deutschland, „die global vernetzte Geschäftsbank für Firmenkunden, institutionelle Investoren und vermögende Privatkunden“, UBS aus Zürich und weiß Gott wer noch – und ich prügle mich mit meinem Steuerberater um die Frage, ob bei ehrenamtlichen Reisen das Frühstück selbst bezahlt werden muss oder erstattet wird.

* Banken und andere Schwindler haben sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten lassen. siehe auch:

https://mengede-intakt.de/2016/05/06/der-skandal-um-die-cum-cum-cum-ex-geschaefte/

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit 5 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Großmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne.
Näheres unter:
https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/287/alles-beschiss-3895.html