Sternlauf am 1. Mai im Stadtbezirk Mengede

Mengede ist bunt – Vielfältige Aktivitäten unter dem  Motto „Demokratie leben“

Vor drei Jahren, am 1. Mai 2014, musste der Stadtbezirk Mengede den bislang schlimmsten Nazi-Aufmarsch der jüngsten Geschichte über sich ergehen lassen, als 450 pöbelnde, hasserfüllte Rechtsextreme durch die Straßen von Westerfilde, Nette und Mengede marschierten und ihre schlimmen, menschenverachtenden Parolen gegen friedliche Demonstranten und Anwohner schleuderten.

Diese Nazi-Hetze darf sich nicht wiederholen, darin waren sich viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Stadtbezirk damals einig. Das „Netzwerk gegen Rechts“, ein breites parteiübergreifendes Bündnis verschiedenster demokratischer Kräfte und gesellschaftlicher Gruppierungen, wurde ins Leben gerufen und engagiert sich seither für eine weltoffene, tolerante, demokratische Gesellschaft und ein buntes Mengede.

Die Idee wurde geboren, jeweils zum 1. Mai einen Sternmarsch im Stadtbezirk zu veranstalten, der in diesem Jahr zum dritten Mal stattfand. In vier Gruppen sollten Menschen starten, die „Demokratie leben“ wollen – so das diesjährige Motto. Geplant waren Starts in den Ortsteilen Westerfilde/Bodelschwingh, Oestrich, Nette und von der Mengeder Heide zum Mengeder Markt, um dort gemeinsam ein buntes Fest für Toleranz, Vielfalt, Menschlichkeit und Demokratie zu feiern und so ein Zeichen gegen Hass, Gewalt und Menschenverachtung zu setzen.

Im Vorfeld zeigte sich bereits, dass es in den Ortsteilen Westerfilde/Bodelschgwingh und Oestrich nicht zu einem „Sternmarsch“ langen würde, was jedoch einzelne Bewohner aus diesen Ortsteilen nicht davon abhielt, zum zentralen Veranstaltungsort – dem Mengeder Markt – zu kommen. MENGEDE:InTakt! beschränkt seine Berichterstattung in dieser Ausgabe zunächst auf die Startveranstaltungen in Nette und am Jüdischen Friedhof in der Mengeder Heide. Über die  Veranstaltung auf dem Mengeder Marktplatz und weitere Ereignisse am Rande werden wir zu einem späteren Zeitpunkt berichten.

Im Stadtteil Nette
erfreuten sich die TeilnehmerInnen an einem zweistündigen Musikprogramm, vorgetragen von Friederike Mönninghoff (Gesang) und Christoph Greven (Keyboard, Gesang). Bekannte Melodien unterschiedlicher Musikgenres waren ein passendes – weil aufwärmendes – Gegenmittel zur nasskalten Witterung. Inhaltlich ergänzt wurden die Darbietungen von den Redebeiträgen bekannter Netter Persönlichkeiten.
Rainald Martin-Bullmann, Sprecher des Netzwerks gegen Rechts im Stadtbezirk Mengede und Pfarrer der Ev. Noahkirchengemeinde, freute sich besonders auch über die katholischen Menschen unter den Teilnehmern. Er forderte dazu auf, rechtspopulistischen Strömungen Widerspruch und Widerstand entgegenzusetzen und für Respekt, Toleranz und Demokratie zu kämpfen.

Dr. Heinrich Mönninghoff, seit 1963 in Nette berufstätig, begrüßte die Teilnehmer als „Mitstreiter für eine gelebte Demokratie“ und erinnerte an die Netter Bevölkerungsentwicklung, die, vom gewaltigen Bedarf des Kohlebergbaus nach Arbeitskräften geprägt, mit dem Zuzug einer großen Zahl von Arbeitsmigranten aus dem In- und Ausland einher ging. Die Integration von 40 unterschiedlichen Nationalitäten, Kulturen und Sprachen ermöglicht dennoch – in „guter Nachbarschaft“ – ein friedliches und tolerantes Miteinander. Und das soll auch so bleiben!

Marie Zedler, Schülerin am Heinrich-Heine-Gymnasium, forderte die Teilnehmer auf, „klare Kante“ gegen Rechts zu zeigen, was allein schon durch die Anwesenheit auf dieser Veranstaltung erfüllt war. „Gewalttätige Übergriffe von Rechtsradikalen auf Andersdenkende nehmen zu, Neonazis bezeichnen Dortmund bereits als Nazi-HotSpot, schütten ihre Propaganda nicht nur in Dorstfeld, sondern auch auf der Mengeder Straße aus und machen auch nicht vor Schulen halt“, berichtete sie von ihren Erfahrungen.

Rundum eine gelungene Veranstaltung, die noch durch die gute Nachricht von Rainald Martin-Bullmann, bereitgestellte Getränke und Grillwürstchen seien kostenlos verfügbar, abgerundet wurde. Auch konnte der Kirchturm erklommen werden. Die Aussicht war wetterbedingt leider eingeschränkt.

In der Mengeder Heide am Jüdischen Friedhof
war Improvisation angesagt. Die drei Organisatoren – Axel Kunstmann (Mengeder Heimatwald), Andreas Lamberty (Siedlergemeinschaft „Erdbeerfeld“) und Klaus Neuvians (MENGEDE:Intakt!) hatten sich spontan überlegt, auch am Treffpunkt „Mengeder Heide“ etwas auf „die Beine“ zu stellen.

Das konnte zeitlich mit Nette nicht mithalten, aber inhaltlich war es dem Anlass angemessen. Nach einem Eingangsstück des Bläsertrios „Klamutian“ begrüßte Axel Kunstmann die TeilnehmerInnen, die trotz des schlechten Wetters zahlreich erschienen waren. Er wies vor allem daraufhin, dass der Stadtbezirk Mengede sich nicht nur heute, sondern auch künftig pöbelnden, hasserfüllten Rechtsextremisten entgegenstellen wird. Wie notwendig dieser Einsatz ist, zeigen nach seiner Auffassung die vielfältigen nationalistischen Tendenzen, die nicht nur bei uns, auch in unseren Nachbarländern wie Österreich (Hofer), den Niederlanden (Wilders) und Frankreich (Le Pen) zu beobachten sind und ganze Nationen spalten.

Rechtes Gedankengut öffentlich zu äußern wird bei uns immer hoffähiger. Das wurde deutlich, als Andreas Lamberty aus dem gerade erschienen Buch „Jahrbuch Rechte Gewalt – Chronik des Hasses“ vorlas. In diesem Buch listet Andrea Röpke hunderte von rechtsradikalen Gewalttaten auf, die allein im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik begangen wurden.

Zum Schluss der Redebeiträge trug Lea Lamberty das unten angefügte von ihr verfasste Gedicht vor: Du bist kein Rassist.

Am Ende dieser eindrucksvollen Veranstaltung stiegen noch 30 Luftballons in den wolkenverhangenen Himmel. Und es wurden die TeilnehmerInnen u.a. gefragt, ob die Parole der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – heute noch eine Bedeutung für sie habe. Kurze und eindeutige Antwort: Ja – sehr!
Das Bläsertrio spielte zum Abschluss einen besinnlichen Choral und mit dem schmissigen „O,  when the saints …“ wurden die TeilnehmerInnen auf den Weg zum Mengeder Markt geschickt.

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Du bist kein Rassist

von Lea Lamberty

Wir gehen lieber weg
als hier zu bleiben,
denn beim Weggehen
musst du nicht in die leeren Gesichter sehen.

Leere Gesichter von Leuten,
deren Geschichten du nicht kennst,
aber so für dich umdichtest,
dass du sie so ablichtest,
wie sie sich selber nicht mehr erkennen.

Aber du bist kein Rassist,
siehst die Welt nur wie sie ist.

Das lesbische Pärchen auf der anderen Straßenseite,
das du nicht beim Namen kennst,
und trotzdem abstoßend nennst,
und du dich dann später an einem Lesbenporno aufgeilst,
weil du dich langweilst.

Das kleine Mädchen,
das du in der Schule geschlagen hast,
weil ein Mädchen im Jungenkörper
nicht zu deinen Idealen passt.

Aber du bist kein Rassist,
siehst die Welt nur wie sie ist.

Wie kann es auch sein,
dass deine Nachbarn,
der „Nigger“ und das „Terroristen-Schwein“,
du magst es nicht glauben,
dir nicht den Arbeitsplatz rauben,
sondern mehr gelernt haben als du
und nicht auf einem Vermögen ruh’n,
das nur aus Hartz IV besteht,
und ihr Kind nicht in dem Alkoholismus der Eltern untergeht.

Du sagst doch immer Frauen sein schwach,
doch werden sie vergewaltigt mitten in der Nacht,
fragst du dich, warum die 9-Jährige nicht einfach ihre Beine zumacht.

Aber du bist kein Rassist,
siehst die Welt nur, wie sie ist.

Doch deine Kinder werden es auch nicht besser wissen,
wenn sie die braune Fahne hissen
und haben das Leben anderer Menschen auf dem Gewissen.
Du bist schuld an der neuen Generation Rassisten.

Aber vielleicht gibt dein Sohn keinem Mädchen, sondern einem Jungen das Versprechen.
Doch wird an dem Hass seiner Eltern zerbrechen.
Wenn dein Sohn sich in deinem Haus mit deiner Waffe umbringt,
und du mit den Tränen ringst
wirst du hoffentlich erkennen,
warum sie dich einen schlechten Menschen nennen.

Du gehst lieber weg,
als hier zu bleiben,
denn beim Weggehen
musst du nicht in die leeren Gesichter sehen.

Leere Gesichter von Leuten,
deren Geschichte du jetzt kennst.

 

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