Auch in Dortmund sollen Gärten über der Stadt die Regel werden
Der City droht der Hitze-Kollaps, die Luft ist zum Schneiden dick und die Kanalisation schafft es nach Unwettern kaum noch, die Wassermassen aufzunehmen. Die Politik ist sich einig: es muss etwas geschehen, damit die Stadt lebenswert bleibt. Wichtiges Rezept: Mehr Grün muss her, das die Luft verbessert, Temperatur reguliert und Regenwasser aufnimmt. Zusätzlicher Platz bietet sich auf den Flachdächern von Bürohäusern und Großwohnanlagen, auf Garagen und Supermärkten. Die politischen Gremien werden in nächster Zeit über den Weg zur„Dachbegrünung in Dortmund“ entscheiden.
Die Westfalenmetropole nimmt damit an einer regionalen Initiative der Ruhrgebietsstädte teil. Das Strategiepapier „Dachbegrünung im Revier“ soll in der Metropolregion zu vergleichbaren Beschlüssen und Ergebnissen führen. Die Dortmunder Verwaltung wurde im November 2016 vom Bauausschuss des Rates beauftragt, die Auswirkungen der Dachbegrünung zu untersuchen, die Kosten und Fördermöglichkeiten zu ermitteln sowie geeignete Siedlungsbereiche vorzuschlagen.
Am Anfang ging es um „Wasser in der Stadt von morgen“
Dem war die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ der Emscherkommunen, des NRW-Umweltministeriums und der Emschergenossenschaft vorausgegangen. Ihr Leitbild ist eine ökologische Aufwertung der Gewässer und Gewässersysteme, insbesondere eine Verbesserung des Überflutungs- und Hochwasserschutzes. Wenn auch Dachbegrünung nicht die Wirkung einer Wald- oder Wiesenfläche erzielen kann, so mindert sie doch deutlich den Anfall von Niederschlagswasser in der Kanalisation. Es werden also weniger Ausgleichsmaßnahmen bei Baumaßnahmen nötig.
Ziel des Strategiepapiers: Dachbegrünung für Flachdächer oder Dächer mit flacher Neigung soll im Bebauungsplan zur Normalität werden. Bereits existierende Bebauungspläne können durch Gründachfestsetzungen ergänzt werden. Vorzugsweise die Pläne im Bereich von „Hitzeinseln“ können entsprechend verändert bzw. in einfacher Form neu aufgestellt werden. In Stadtumbau- oder Sanierungsgebieten bieten die dort zur Verfügung stehenden Förder- und Handlungsmöglichkeiten gute Voraussetzungen für die Dachbepflanzung auf bestehenden Gebäuden.
Die Idee vom Paradies auf dem Dach ist uralt
Im Gegensatz zur noch neuen, teuren und mit „Kinderkrankheiten“ behafteten Vertikalbepflanzung von Gebäudewänden sind Grüne Dächer schon seit Jahrtausenden üblich und erprobt; die „Hängenden Gärten der Semiramis“ sind ein Beispiel. Grassoden-Dächer gehören bis heute zur Bautradition in Nordeuropa. In den letzten Jahrzehnten entwickelte man verschiedene Systeme für unterschiedliche Dachneigungen, Ansprüche, technische und natürliche Voraussetzungen. Am beliebtesten sind extensive Gründächer, die auf relativ dünnen Erdschichten geschaffen werden. Die Bepflanzung besteht aus trockenheitsverträglichen und robusten Stauden, meist Sedum-Arten, Zwiebelpflanzen, Kräuter und niedrige Gräser.
Intensive Begrünung erfordert dickere Erdschichten, solide Statik, aber auch ein dickeres Portemonnaie. Dafür erweitert sie die Möglichkeiten der Gestaltung bis hin zum Dachgarten. Spezialbetriebe bieten zahlreiche Varianten und Kombinationen der beiden Systeme an. Dachdeckern, die für die funktionierende Abdichtung und den richtigen Aufbau sorgen müssen, stehen inzwischen viele Fertigmischungen von Saatgut und bepflanzte Matten für alle Situationen zur Verfügung. Für den Gartenbesitzer, der erst einmal sein kleines Gerätehaus mit einem blühenden Dach versehen möchte, gibt es im Handel auch Angebote zum Selbermachen. So sind beispielsweise Flachdach-Komplettpakete inklusive Sedumsprossen ab 35 € je Quadratmeter erhältlich.
Bunter Lebensraum hilft auch der Tierwelt
Neben der isolierenden und Wasser absorbierenden Wirkung bieten die blühenden Dach-Landschaften auch der Tierwelt Lebensraum und Nahrung. Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere Insekten sowie Vögel profitieren davon.
Noch wenig bekannt, gleichwohl bereits erprobt ist der Anbau von Gemüse auf Dächern. Und das klappt sogar auf den relativ dünnen Erdschichten der Extensiv-Variante. Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim hat 2014 im Rahmen des Forschungsvorhabens „Urban Gardening“zwei Versuche unternommen, extensive Dachbegrünung zur Produktion von Radieschen, Salat, und anderen Gemüsearten in Mischkultur zu nutzen. Der Aufwand ist zwangsläufig höher als bei einem Sedumdach, das man, wenn es einmal eingewachsen ist, weder wässern noch düngen muss. Lediglich gelegentlich fällt Unkraut jäten an.
Für die Produktion von Kohl & Co. wurde eine automatische Tröpfchenbewässerung installiert; gedüngt wurde vor allem mit mineralischem Stickstoff-Granulat, da organischer Dünger, z. B. Kompost, im mineralisch geprägten Substrat schlecht verwertbar ist. Der Kosten- und Arbeitsaufwand überschreite nur geringfügig den Aufwand zum Erhalt einer normalen Extensivbegrünung und sei meist durch den Wert der Gemüseerträge zu decken, so die Veitshöchheimer in ihrem Bericht von 2015.
Gemüseproduktion im oberen Stockwerk – das geht!
Ein Ergebnis der Tests ist, dass sich fast alle Gemüse für diese Art des Anbaus eignen. Bisher wurden derartige Urban-Gardening-Projekte nur auf Intensiv-Dächern mit stärkerer Erdschicht durchgeführt. Frühere Versuche, Gemüse an Straßenrändern und auf Brachflächen anzupflanzen, erwiesen sich oft nicht als empfehlenswert, da die Böden dort schadstoffbelastet sind und die Pflanzen die Gifte aufnehmen. Das Gemüse vom Extensivdach dagegen erwies sich zwar nicht völlig frei davon, könne jedoch aufgrund der geringen Konzentration unbedenklich verzehrt werden.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht sei ein solches Projekt sinnvoll; der höchste Kostenfaktor seien die Lohnkosten, da das Gemüse von Hand gepflanzt und gepflegt werden müsse. Für Supermärkte biete sich die Chance, die Gemüsetheke durch frische Zutaten aus lokaler Produktion zu ergänzen, Restaurants könnten eigene Gewürzkräuter verwenden, private Hausbesitzer auf dem Garagendach die Gartenfläche erweitern.
Angesichts der Mühen, mehr Grünflächen im urbanen Raum zu schaffen, gibt es seit einigen Jahren einen deprimierenden Gegentrend. Das Häuschen mit Garten scheint aus der Mode zu kommen. Ausgerechnet in Eigenheimgebieten werden Grundstücke zunehmend versiegelt. Die noch vorhandenen offenen Flächen werden mit dicken Kies- oder Schotterschichten abgedeckt. Es bleibt eine Steinwüste: stärkere Hitzeentwicklung, schnellere Auskühlung und Staubbelastung sind die Folge.
Hausbesitzer sollten allerdings bedenken, dass sie, wenn sie bei der Versiegelung ihres Grundstückes des Guten zu viel tun, eventuell gegen behördliche Bestimmungen verstoßen. In der Regel ist der Anteil der überbauten bzw. versiegelten Grundstücksfläche im jeweiligen Bebauungsplan festgelegt. Wer diesen Prozentsatz eigenmächtig überschreitet, riskiert, dass er zum Rückbau aufgefordert wird.