Erbstreitigkeiten sind nichts für schwache Nerven

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Erbstreitigkeiten sind nichts für schwache Nerven. Es geht um verletzte Gefühle, persönliche Enttäuschungen, jahrelang unterdrückte Konflikte und nicht zuletzt ums Geld. Alle Register werden gezogen, nur selten können sich die Beteiligten am Ende wieder versöhnen.

Daß es überhaupt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen kann, liegt häufig an von den Erblassern selbst verfaßten, fehlerhaften oder mehrdeutigen Testamenten und an Zweifeln über die erforderliche Testierfähigkeit.

Die erforderlichen Formvorschriften sind meistens bekannt. Das Testament muß, soweit nicht notariell errichtet, eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden. Das fehlende Datum der Errichtung macht das Testament nicht unwirksam. Es können aber Auslegungsschwierigkeiten entstehen, wenn mehrere inhaltlich abweichende Testamente vorliegen und nicht festgestellt werden kann, welches zuletzt errichtet wurde. Es kommt nicht selten vor, daß vom Erblasser gerade kurz vor seinem Tod Änderungen oder vollständig neue Testamente angefertigt werden. Hier kann dann auch leicht die sogenannte Bindungswirkung vorheriger gemeinschaftlicher Testamente übersehen werden. Wenn zuvor mit dem bereits vorverstorbenen Ehegatten eine gemeinschaftliche Verfügung errichtet wurde, kann der überlebende Ehegatte nur dann wirksam testieren, wenn er hierzu ausdrücklich ermächtigt wurde. Anderenfalls sind alle nachträglichen Verfügungen teilweise oder vollständig unwirksam.

Neben formellen Fehlern wird in Erbauseinandersetzungen häufig die erforderliche Testierfähigkeit in Frage gestellt. Fehlt diese, ist das Testament nichtig. Es gelten dann entweder vorher verfaßte Testamente oder es greift die gesetzliche Erbfolge ein. Für übergangene Erben kann es sich also lohnen, die Testierfähigkeit in einem Erbscheinverfahren mit wenigen Behauptungen über den Gesundheitszustand des Erblassers zu bestreiten. Das Nachlaßgericht muß die Testierfähigkeit von Amts wegen feststellen. Es werden dann hierzu Zeugen angehört, insbesondere die behandelnden Ärtzte. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger muß sämtliche Beweise auswerten und ein Gutachten über die erforderliche Testierfähigkeit im Zeitpunkt einer eventuell jahrelang zurückliegenden Testamentserrichtung erstellen. Diese Verfahren sind langwierig und teuer, das Ergebnis nicht eindeutig vorhersehbar. Nicht selten muß sich daher der eingesetzte Erbe mit einem Vergleich zufrieden geben.

Streitträchtig sind schließlich mehrdeutige Formulierungen. Wenn der Wortlaut des Testamentes auslegungsfähig ist, kommt es auf den Willen des Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Diesen Willen zu ermitteln, eventuell nach langer Zeit, vielleicht noch für zwei Erblasser in einem Ehegattentestament, ist schwierig. Einfache, im allgemeinen Sprachgebrauch eigentlich eindeutige Formulierungen können ungewollte erbrechtliche Rechtsfolgen auslösen. Wenn die Eltern, um ein Beispiel zu nennen, einem Kind das Haus, dem anderen Kind das Sparvermögen „vererben“, wird nicht deutlich, wer denn eigentlich Erbe sein soll. Handelt es sich lediglich um Vermächtnisse? Soll ein finanzieller Ausgleich zwischen den Kindern erfolgen? Wie soll verfahren werden, wenn das Vermögen zum Zeitpunkt des Tode durch Pflegeleistungen verbraucht, das Haus aber noch vorhanden ist? Hier sind die familiären Umstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ermitteln, Verwandte und Freunde treffen sich als Zeugen vor Gericht. Der Erblasser wird sich „im Grabe umdrehen“.

Fazit: Es macht Sinn, seinen Nachlaß durch ein Testament zu regeln. Je individueller die Regelungen, um so schwieriger ist es, bestandskräftige Formulierungen zu finden. Es ist nicht so leicht, wie es aussieht.
Kai Neuvians, Rechtsanwalt und Notar