Podiumsdusikussion zur „Weiterentwicklung unserer Demokratie“
Mehr Demokratie NRW und Demokratie+ in Dortmund veranstalteten am letzten Mittwoch in der Auslandsgesellschaft eine öffentliche Podiumsdiskussion. Zahlreiche BürgerInnen hatten die Möglichkeit, sechs Dortmunder DirektkandidatInnen nach ihren Ideen zu den drei o.g. elementaren Themen unserer Demokratie zu befragen.Auf dem Podium saßen:
Steffen Kanitz (CDU), Marco Bülow (SPD), Markus Kurth (Bündnis90/Grüne), Ulla Jelpke (DIE LINKE), Max Zombek (FDP) und Torsten Sommer (Piraten).
Die Veranstaltung wurde moderiert von Gunther Niermann (Kreisgruppengeschäftsführer „Der Paritätische“, Dortmund).
Bereits in den Eingangsstatements der sechs Diskutanten auf dem Podium wurde deutlich, dass es zu den Themen zunächst einmal eine große Übereinstimmung gab. Das war nicht nur der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit geschuldet.
Nicht von ungefähr lag es da nahe, an Bernie Sanders zu denken, der im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur nur knapp Hillary Clinton unterlegen war. Dieser Bernie Sanders sprach Anfang Mai vor über 1000 Studierenden in der Freien Universität Berlin. In der anschließenden Diskussion hat er etwas gesagt, was unserer politischen Kultur auch gut täte: Es sei nicht erforderlich zu 100 % in politischen Ansichten übereinzustimmen. In vielen Fällen reiche bereits eine Übereinstimmung von 80 – 90 %, und mit einer solchen durchaus realisierbaren Quote müsste es möglich sein, Koalitionen zu schmieden und Menschen auch mit zunächst unterschiedlichen Überzeugungen und Ideen zusammenzubringen.
Als erstes war es am Mittwoch schon mal eine positive Erfahrung, dass die politischen Menschen auf dem Podium nicht gleich aufeinander losgingen, sondern sehr differenziert zu den drei Themen Stellung nahmen. Im Grundsätzlichen bestand zunächst auch kein Unterschied bei der Bewertung nach mehr Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung. Auch zum Thema Lobbyismus war eine grundsätzliche Übereinstimmung vorhanden: Lobbyismus findet auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Mitteln statt. Das ist im Prinzip nicht zu verurteilen; zu verurteilen ist die derzeitige Form des Lobbyismus hinter geschlossenen Türen, die für die Öffentlichkeit nicht erkennbar ist.
Der Hinweis von Steffen Kanitz, die Politik sei nicht Spielball großer wirtschaftlicher Verbände und Unternehmen, gehört dabei sicher zu den 20 %, von denen B. Sanders meint, hierüber könne und müsse man sich verständigen.
Hörbares Murren gab es, als Max Zombeck mit jugendlicher Unbekümmertheit verkündete, die Forderung nach einem Lobbyregister halte er für puren Populismus und die FDP sei noch nie ein Klienten-Partei gewesen.
Die anschließenden Fragen aus dem Publikum offenbarten zunächst einmal eine Schwäche des Veranstaltungsformates. Die Abgeordneten sind es durch regelmäßige Fragestunden in den Parlamenten gewohnt, eine Frage mit einer Aussage zu verbinden. Das Publikum am Mittwoch konnte es in den wenigsten Fällen, so dass es häufig der Kunst des Moderators zu verdanken war, wenn ein umfangreiches Statement doch noch in eine Frage umformuliert wurde.
Die Fragen aus dem Publikum legten den Fokus auf einen weiteren Punkt: Wie verhalten sich Fraktionszwang bzw. Fraktionsdisziplin zur besonderen Gewissensfreiheit der Abgeordneten. Denn nach Artikel 38 Grundgesetz sind die Abgeordneten des Bundestages Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Beinahe übereinstimmend wurde aus dem Publikum die Auffassung vertreten, die Abgeordneten sollten sich häufiger den Fraktionszwängen entziehen. Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass die meisten Gesetzesvorlagen von der Regierung eingebracht werden und es für die Abgeordneten zumindest der Regierungsfraktionen per se schon mal schwerer ist, gegen den Entwurf zu argumentieren und sich ggf. bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten oder gegen den Entwurf zu stimmen. Als allerdings Markus Kurth den Mund etwas voll nahm und in Richtung seines Kollegen Marco Bülow meinte, dieser habe ein „tragfähiges Geschäftsmodell“ entwickelt, indem er in der laufenden Sitzungsperiode bei der Stimmabgabe wiederholt gegen die Linie seiner Fraktion votiert habe, da kam nicht nur vom Angesprochenen deutlicher Widerspruch.
Das Publikum wünschte sich mehr Eigenständigkeit der Abgeordneten gegen die von den Fraktionsführungen vorgegebenen Linien. Wenn es schon schwierig sei, die direkte Bürgerbeteiligung an den politischen Entscheidungen des Bundestages zu verbessern, dann sei es das Mindeste, dass die Abgeordneten die Stimmung aus ihren Wahlkreisen in die Diskussion einbrächten und sich im Zweifelsfall auch bei den Abstimmungen entsprechend verhielten.
Festzuhalten bleibt zum Schluss, dass es Interesse in der Bevölkerung gibt, mit den Abgeordneten bzw. Kandidaten in einer solchen oder ähnlichen Runde in Kontakt zu treten. Und dies regelmäßig und auch zwischen den Wahlterminen. Es reicht nicht, die Bevölkerung auf die jeweiligen Sprechstunden der Abgeordneten oder die öffentlichen Parteiversammlungen zu verweisen. Die Lust, daran teilzunehmen hält sich in Grenzen, auch weil es dort nicht möglich ist, in der Form wie am letzten Mittwoch in einer ausgesprochen kurzweiligen Veranstaltung miteinander ins Gespräch zu kommen.