Keine Angst vor einer Minderheitsregierung
Nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche durch die FDP stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Dazu erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, zu dessen Wahlkreis auch der Stadtbezirk Mengede gehört::
“ Jamaika ist gescheitert. Man bekommt den Eindruck, dass die Sondierungen mehr von Taktik als von wirklichen Verhandlungsversuchen geprägt war. Einigen ging es wohl mehr ums Scheitern als ums Gelingen.
Die Situation ist nun verfahren und die verbleibenden Alternative erscheinen wenig ratsam. Die Große Koalition wurde abgewählt und die SPD hat zu Recht erklärt, dass eine Fortführung für sie nicht akzeptabel ist.
Wir sollten endlich die Realität anerkennen, dass nun zwei Parteien mehr im Parlament sind und eine Regierungsbildung damit grundsätzlich schwieriger wird. Es glaubt wohl niemand, dass sich durch eine Neuwahl etwas ändert.
Viel wahrscheinlicher ist, dass eine Neuwahl nur viel Steuergeld kosten würde und wir wieder vor den gleichen Schwierigkeiten stünden. Das Endergebnis wäre noch lange nicht eine gewählte Regierung. Eventuell würde sogar die Wahlbeteiligung sinken. Eine Neuwahl darf deshalb nur die letzte Option sein.
Vorher gibt es noch eine andere Option: Eine Minderheitsregierung. In Skandinavien und anderen Ländern sind Minderheitsregierungen Realität und die ganze Panikmache bezüglich ihrer Handlungsunfähigkeit trifft nicht zu. Und wenn es sie nicht funktioniert, könnte man immer noch eine Neuwahl ansetzen. Zudem würde endlich das Parlament aufgewertet werden. Denn der Bundestag ist die eigentliche Entscheidungsmitte. Wir haben vergessen, dass hier Politik gestaltet werden kann und sollte. Das Parlament ist nicht nur dazu da, mit seiner Mehrheit die Vorgaben der
Regierung abzunicken.
Warum haben die Deutschen so viel Angst vor einer Minderheitsregierung? Wenn der Fraktionszwang bei mehr Entscheidungen aufgehoben wird und die Regierung nichts vorgibt, würden wir im Parlament auch vernünftige
Mehrheiten finden. Beispiele zu ethischen Fragen zeigen dies. Für die wichtigen außenpolitischen Fragen gab es sowieso meistens eine große Parlamentsmehrheit.“