Ermächtigt euch!
Eine Kolumne von Peter Grohmann
KONTEXT:Wochenzeitung vom 28.3.2018
Erinnerungen an die Geschichte sind nicht populär, erst recht dann nicht, wenn die Geschichte nicht nach Plan läuft wie die von Großdeutschland. Kein Wunder, wenn sich die bürgerliche Mitte unseres Landes nicht gern an das Ermächtigungsgesetz erinnert, mit dem im März ’33 eben diese Mitte den Nazis die Macht übergab. Dabei kann man nicht sagen, dass die braune Koalition gekauft wurde – sie haben’s freiwillig gemacht.
In den USA gingen am vergangenen Wochenende mehr als eine Million Menschen auf die Straßen – es können auch zwei gewesen sein. Die große Frage der Schülerinnen und Schüler: Was ist leichter: Einen Republikaner zu kaufen oder ein Schnellfeuergewehr? Dass in den öffentlich-rechtlichen Medien die neue Massenbewegung in den Staaten bei uns kein adäquates Echo findet, liegt nicht nur am Knick in der Optik. Die verzögerte Wahrnehmung liegt an Sebastian Vettel. Der sieghafte Deutsche liegt mit seinem Autole in den Nachrichten auf Rang eins und garantiert ganz andere Einschaltquoten und Werbeeinnahmen als der Kampf gegen Trump und die Waffenlobby in den USA. Wer wirklich informiert sein will, sollte sich mal „Democracy Now“ auf den Bildschirm holen – da sieht die öffentlich-rechtliche Informationspflicht bei uns mehr als alt aus!
Zugegeben, die Straße war noch nie der Ort, auf dem sich unsere Mitmenschen gern aufhalten – es sei denn zum Shoppen, aber da geht man nach Drinnen. Die Zeiten der Demonstrationen für Frieden und Willy Brandt, gegen Raketen und Berufsverbote sind Legende, allenfalls der Recht auf gutes Essen (Mahlzeit, Monsanto!) treibt uns noch auf die Straße. Der Krieg unseres Nato-Partners Türkei gegen die Zivilbevölkerung geht uns so am Arsch vorbei wie viele andere Konflikte auch – allenfalls die Kurden und Luxemburgs Außenminister Asselborn melden sich zu Wort. Weghören und Wegsehen entwickelt sich mehr und mehr zu einer Königsdisziplin.
„Democracy now“ zeigt, was die Straße kann. Das lässt hoffen, auch wenn es lange Wege sind vom Wohnzimmer zum Ostermarsch.