Frauenpower im Stadtbezirk (12) – Sandra Spitzner

Frauenpower im Stadtbezirk

heute: Sandra Spitzner

Unsere aktuelle Gesprächspartnerin wurde 1975 in München geboren, ihre familiären Wurzeln hat sie in Österreich und in Sachsen. Im Alter von drei Jahren kam sie zu ihrer in Dorstfeld lebenden Oma. 1991 zog sie mit ihrem Vater zusammen nach Mengede. 1997 dann mit ihrer Tochter nach Oestrich, wo bis heute wohnt.

Nach dem Schulbesuch – Abschluss 1991-  hat Sandra Spitzner zunächst eine Berufsausbildung als Kauffrau im Einzelhandel gemacht, danach ein wenig gejobbt. Mit 21 Jahren hat sie eine Tochter bekommen. Als diese drei Jahre alt wurde, begann sie ihr Abitur am Westfalen-Kolleg nachzuholen. Antrieb hierzu war die Befürchtung, dass sie als alleinerziehende Mutter ohne Abitur und Studium ihrer Tochter niemals eine sichere Zukunftsperspektive bieten könnte da sie sie immer am Existenzminimum knappsen würde.
Nach erfolgreicher Abiturprüfung 2002 begann sie dann direkt ein Studium der Geschichte und Politikwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Als ihr Finanzierungskonzept kurz vor dem Studienabschluss zusammenbrach und sie das Studium ohne Abschluss beenden musste, absolvierte sie, um nicht dauerhaft arbeitslos zu bleiben, Fortbildungsveranstaltungen im Bereich Cross-Media-Publishing und als Online-Redakteurin. Diese führten sie dann im im Jahr 2010 im Rahmen eines Praktikums auch zu KLANGVOKAL. Hier ist sie seit 2011 angestellt und organisiert als PR Managerin die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Festivals.

„Mein Vater hat uns, meine Tochter und mich, dabei bis zu seinem Tod immer voll und ganz unterstützt. Ohne seine Hilfe hätte ich Beruf und Kindererziehung niemals bewältigen können. Die Erfahrungen, die ich in dieser Zeit sammeln musste, haben mich letztlich bewogen politisch aktiv zu werden“, so Sandra Spitzner rückblickend.

KLANGVOKAL Musikfestival Dortmund

Das KLANGVOKAL Musikfestival Dortmund ist ein außergewöhnliches Dortmunder Kulturereignis. Seit 2009 präsentiert es die Vielfalt der Vokalmusik aus aller Welt – von der Oper, der klassischen Vokalmusik über Jazz und Weltmusik bis hin zum Pop. Ins Leben gerufen wurde das Festival als Beitrag der Stadt Dortmund zum Kulturhauptstadtjahr 2010 im Ruhrgebiet. Die Idee war, ein Festival zu gründen, das einerseits internationale Ausstrahlung besitzt, andererseits jedoch die charakteristischen Züge der Dortmunder Musikszene unterstreicht. So wurde die bundesweit nahezu einmalige Begeisterung der Dortmunder für den Gesang, die sich in etwa 300 Chören und Vokalensembles niederschlägt, zum Ausgangspunkt für die Entwicklung des Festivals.

Ein besonderer Höhepunkt der vierwöchigen Veranstaltung ist jeweils das eintägige Fest der Chöre. Auf Bühnen unter freiem Himmel, in den Stadtkirchen und in Geschäften sowie an Sing-Haltestellen kann der Musik gelauscht, aber auch spontan mitgesungen werden.

Der Mengeder A Cappella Chor „Stimmprobleme“ beim diesjährigen Fest der Chöre

Durchschnittlich 50.000 BesucherInnen sind jedes Jahr mit dabei, wenn bis zu 180 Chöre und Ensembles einen ganzen Tag lang die Dortmunder Innenstadt mit Musik füllen. Im Team des Musikfestival Dortmund hat Sandra Spitzner eine Aufgabe übernommen, die ihren Interessen entspricht und bei der keine Gefahr besteht, irgendwann mal in Routine zu erstarren.
Trotz der eindrucksvollen Resonanz ist das Musikfestival Dortmund kein Selbstläufer, denn es muss sich gegen eine beachtliche Konkurrenz im gesamten Ruhrgebiet behaupten: Konzerthaus, Theater Dortmund; dazu noch die Programme in Bochum und Essen, nicht zuletzt die Ruhrfestspiele in Recklinghausen, alle bieten ebenfalls hochkarätige Programme an, die etwa zeitgleich stattfinden.
Gleichwohl war die diesjährige Veranstaltungsreihe wieder ein voller Erfolg – nicht nur zahlenmäßig, sondern auch bezüglich der Qualität. Das Team um Direktor Torsten Mosgraber hatte wieder einmal ein weithin anerkanntes Programm zusammengestellt.

„Nach dem Fest ist vor dem Fest“, so Sandra Spitzner. „Das trifft trifft auch für dieses Veranstaltungsformat zu. Es reicht nicht aus, sich nach einem erfolgreichen Festival längere Zeit auf den Lorbeeren auszuruhen. Vielmehr geht es gleich nach einer kurzen Erholungspause wieder in die Vorbereitung des nächsten Musikfestivals.“

Der Termin für das nächste Klangvokal Musikfestival steht bereits fest. Es wird das 11. Festival sein und soll in der Zeit vom 16. Mai bis 16. Juni 2019 stattfinden. (weitere Einzelheiten unter www.klangvokal-dortmund.de)

Nicht nur Kunst und Kultur, auch Politik

Es ist naheliegend, dass wir uns während unseres Gesprächs nicht nur über Kunst und Kultur unterhalten haben, sondern auch über aktuelle politische Fragen. Naheliegend deshalb, weil Sandra Spitzner politisch aktiv im Stadtbezirk Mengede ist. Sie ist Vorsitzende des Ortsvereins Oestrich der SPD, sie ist zweite Vorsitzende und Pressesprecherin im SPD-Stadtbezirk Mengede und sie wurde beim letzten Unterbezirksparteitag SPD zur Beisitzerin im Unterbezirk Dortmund gewählt.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die einzelnen Ortsvereine der SPD in Mengede 300 und mehr Mitglieder hatten, die dann auch zu großen Teilen zumindest zu den Hauptversammlungen erschienen. An den regelmäßigen Vorstandssitzungen – die heute oft öffentlich stattfinden – nehmen gerade mal die Vorstandsmitglieder teil, damit bei dieser Gelegenheit die wichtigsten Tagesgeschäfte geregelt werden können. Zu weitergehenden strategischen Debatten fehlt häufig die Zeit, was auch daran liegen könnte, dass der Partei insgesamt ein strategisches Zentrum fehlen mag.
Wer hier in Mengede – egal in welcher Partei – ein Mandat in der Bezirksvertretung oder im Rat – wohlgemerkt ehrenamtlich – ausübt, verdient den vollen Respekt unserer Interviewpartnerin. Sie ärgert sich, dass in der Öffentlichkeit die Arbeit der Parteien nicht oder häufig nur mit wenig Anerkennung wahrgenommen wird. Es wird dabei meist übersehen, mit welchem persönlichen Einsatz örtliche Politiker unterwegs sind, um die Verhältnisse zu verbessern.
Die Situation in Oestrich wird derzeit noch erschwert: Es gibt im gesamten Ortsteil derzeit keinen geeigneten Versammlungsraum, die Kneipen haben dichtgemacht und der Gemeindesaal der Noah-Gemeinde steht mit der Entwidmung der Oestricher Kirche nicht mehr zur Verfügung.
Die Arbeit vor Ort wird zusätzlich durch bundespolitische Entscheidungen überlagert. Die Unzufriedenheit mit der Bundes-/Landespolitik wirkt nicht motivierend auf die örtlichen Aktivitäten.

Auch deswegen war der SPD-Unterbezirk Dortmund der Auffassung, die GroKo solle nicht weitergeführt werden. Die Dortmunder waren der Meinung, eine Aufbruchstimmung vor allem auf örtlicher Ebene könnte mit einer SPD in einer GroKo nicht erzeugt werden. „Die Politik der SPD Führung kommt an der Basis nicht mehr an. Es kann durchaus sein, dass die SPD am Ende der GroKo schreiben muss: ‚Liebe Genossinnen, liebe Genossen – das war’s!“, ist aus Sicht der derzeitigen Vorsitzenden der SPD Oestrich ein durchaus realistisches Szenario.
Dabei gäbe es einen idealen Rahmen, in dem sich die SPD erneuern könnte. Dieser Rahmen hat seinen Ursprung in der französischen Revolution und heißt für Sandra Spitzner: „Freiheit – Gleichheit – Solidarität. Gleichheit und Solidarität scheinen für eine beachtliche Anzahl Menschen in unserer Republik nicht das zentrale Thema zu sein und auch für die Bundes-SPD scheinen beide Themen derzeit nicht im Mittelpunkt des politischen Interesses zu stehen.“
Dies ist mit ein Grund, weshalb sie zu den Erstunterzeichnern der Progressiven Sozialen Plattform zählt, einer Initiative, die maßgeblich von Marco Bülow – Mitglied des Bundestages der SPD – ausgeht.
Politiker innerhalb und außerhalb der SPD haben Anfang des Jahres zur Bildung der „Progressiven Sozialen Plattform“ aufgerufen. Die 30 Gründungsmitglieder eint vor allem die Skepsis gegenüber der neuen GroKo; dazu kommt der unbedingte Wille, linke soziale Themen wieder in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Zur Mitarbeit eingeladen wurden neben SPD-Mitgliedern ausdrücklich auch Parteilose sowie Mitglieder anderer Parteien.
„Wir brauchen eine starke soziale Partei, das ist die SPD im Moment leider nicht“, sagt Marco Bülow. Deutschland sei reich, aber immer weniger Menschen profitierten vom Wohlstand, wird in dem Gründungsaufruf kritisiert. Gefordert werden etwa „bezahlbare Wohnungen und faire Steuern“. Die Plattform fordert aber auch mehr Klimaschutz und eine offene Gesellschaft sowie ein Nein zur Aushöhlung von Asylrecht und Privatsphäre. Das Ziel sei eine Alternative „diesseits vom Neoliberalismus und jenseits vom Nationalismus“.
Erstes Schwerpunktthema der „Plattform“ im Rahmen der Aktion #SozialStart wird ab September die Wohnungspolitik sein. (Weitere Informationen zur Plattform gibt es unter https://www.plattform.pro/ )

Sandra Spitzner verkennt nicht die Schwierigkeit, Menschen zur aktiven Mitarbeit zu gewinnen, die sich aus verschiedenen Gründen zurückgezogen haben. Sie hat es häufig erfahren: Für kurzfristige Aktionen ist es relativ leicht UnterstützerInnen zu bekommen; problematisch ist es, Interesse für eine langfristige Mitarbeit zu wecken. Hier fehlt es bisher noch an einer zündenden Idee. Allerdings ist sie sicher, dass es Themen sein müssen, die zunächst einmal die Menschen vor Ort mitnehmen. Gefragt, welche Themen das sein könnten, sagt sie: „Es ist notwendig Konzepte für eine soziale Wohnungspolitik, für eine soziale und gerechte Gesellschaft zu entwickeln. Hier sehe ich besonders dringenden Handlungsbedarf. Es geht aber auch um übergeordnete Themen, wie z. B. um die politische Gestaltung der Globalisierung, um die Gestaltung eines künftigen Europas mit der Vereinbarung europäischer Sozialstandards, um die Schließung von Steueroasen und die Regulierung der Finanzmärkte.“
Richtig in Zorn kann sie geraten, wenn sie die verlogene Formel von der „Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort“ hört. „Da könnten die europäischen Länder locker bei sich anfangen, indem sie beispielsweise eine Landwirtschaft oder Fischwirtschaft betreiben, die weniger auf Ausbeutung, vor allem der afrikanischen Länder, angelegt sei.

Oestrich ist ihr Zuhause

Zurück in die kleine Welt von Oestrich. Seit 1997 lebt sie hier und es gefällt ihr ausnehmend gut. Sie schätzt als Nichtautofahrerin die optimale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Alle wichtigen Stellen für den täglichen Ablauf sind fußläufig und schnell zu erreichen. 
Es gibt gute Möglichkeiten der Naherholung: der Kanal, demnächst die Emscher, das Naturschutzgebiet Schwieringhausen. Mit dem Gelände der ehemaligen Zeche v. Hansemann verfügt der Ort über ein Kulturzentrum, welches sich mit anderen Orten im Stadtgebiet Dortmund locker messen kann.
Als störend bis empörend empfindet sie das Verhalten einiger Zeitgenossen im öffentlichen Raum. Hier würde sie einen pfleglicheren Umgang erwarten, weiß aber nicht wie der zu erreichen ist. Zunächst einmal ist sie davon überzeugt, dass Appelle an die Einsicht wirkungsvoller sind, als Ge- und Verbote.

Insoweit ist sie optimistisch, dass gute Beispiele auf Dauer ihre Wirkung nicht verfehlen – im Kleinen wie im Großen.

MENGEDE:InTakt!​ hat Sandra Spitzner gebeten, den (aktualisierten) Fragebogen von ​Marcel Proust*​ auszufüllen. Hier ist das Ergebnis:
Ihr Motto/Leitspruch?
Im Wald,
zwei Wege boten sich mir dar und ich nahm den,
der weniger betreten war.
Und das veränderte mein Leben. (Robert Frost)
Ihr Hauptcharakterzug?
Geduld
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Alle Sprachen sprechen und verstehen zu können. Das wäre eine wunderbare Superkraft
Was verabscheuen Sie am meisten?
Ungerechtigkeit!!! Sich auf Kosten von Schwächeren selbst erhöhen
Ihr Interesse an Politik?
Die Welt ist noch immer voller Ungerechtigkeiten. Dagegen etwas zu tun. Das ist für mich die Faszination und Antriebsfeder an der Politik.
Glauben Sie Gott sei eine Erfindung des Menschen?
Ja.
Welche Reform/Erfindung bewundern Sie am meisten?
Die Erfindung des Buchdrucks. Durch ihn gelang der erste Schritt zu einer Demokratisierung des Wissens.
Mit wem möchten Sie an einer Hotelbar ein Glas Wein trinken und dabei worüber reden?
Mit meinem Großvater. Leider verstarb er bereits zwei jahre vor meiner Geburt und ich hatte nie die Gelegenheit ihn kennenzulernen. Er muss ein unglaublich feiner, guter Mensch gewesen sein, über den alle die ihn kannten mir nur wunderbares erzählt haben und die Erinnerung an ihn, ihnen allen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
3 Dinge, die Sie mit auf eine einsame Insel nehmen würden?
Bücher, Bücher und noch mehr Bücher

Sommer oder Winter?
Frühling

Ihre Hobbies?
Lesen, Musik hören, Filme, Photographie

Film oder Buch?
Buch

Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?
Im Kino? Mamma Mia 2 – Here we go again

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
“Sprache. Macht. Denken.” ein Sachbuch und “To kill a mockingbird” von Harper Lee. Ich lese meist mehrere Bücher zur gleichen Zeit

Ihre Lieblingsmusik?
Das hängt immer ganz von meiner Stimmung ab. Das geht von Frank Sinatra, über die Beatles, Nirvana und Queen bis zu Strawinsky und Rachmaninoff. Da ist von Punk bis Oper alles dabei. Meine Lieblingsoper ist “Andrea Chenier” von Umberto Giordano

Ihre Lieblingsblume?
Margeriten

Ihr Lieblingstier?
Nilpferd

Essen & Trinken hält Leib und Seele zusammen – auch bei Ihnen? Wenn ja, was ist es?
Natürlich. Pasta in fast allen Variationen und Bratkartoffeln. Am liebsten so, wie mein Vater sie zu Lebzeiten immer gemacht hat.

* Der Fragebogen von Marcel Proust
Was denken und fühlen bekannte Zeitgenossen? Diese Fragen faszinierten die Menschen schon immer. Vorbild für diese Fragen ist der wohl bekannteste Fragebogen, der den Namen des französischen Schriftstellers Marcel Proust (1871-1922) trägt. Dieser hat ihn aber nicht entworfen, sondern nur ausgefüllt, das heisst, genau genommen sogar zweimal: Einmal als 13-jähriger auf einer Geburtstagsparty. Dann im Alter von etwa 20 Jahren einen ähnlichen Fragebogen, dem er selber den Titel «Marcel Proust par lui-même» («Marcel Proust über sich selbst») gab. Berühmt wurden die Fragen durch Publikationen z. B. in der FAZ.

MENGEDE:InTakt! hat den Fragebogen etwas aktualisiert.

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