Hordentrieb – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Hordentrieb

Eine Kolumne von Peter Grohmann

KONTEXT:Wochenzeitung vom 14.11.2018

Zuerst unsere Gratulation: 100 Jahre Frauenwahlrecht! Das gab es noch nie. Und was gern vergessen wird: von den Linksradikalen durchgesetzt, mit Engelsgeduld und Spucke, gegen die Herrenmenschen. Bis das Marienwunder kam. Denn obwohl 78 Abgeordnete mehr im aktuellen Bundestag sitzen, ist die Frauenzahl um elf auf 218 abgesackt.
31 Prozent – so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das kann sich kein Mensch erklären. In der arabischen Kopftuchwelt ist längst das irakische Parlament mit einem Frauenanteil von 26,5 Prozent den deutschen Frauen hart auf den Fersen, ganz ohne Weiberrat. Es geht doch!

In Zeiten des Gedenkens – Novemberrevolution, Republik, Pogrome, Deutschland einig Vaterland – bleibt das Nachdenken wichtig. Etwa an den 8. und 9. November 1938, als deutsche Männerhorden durch die Städte zogen, Synagogen anzündeten, jüdische Geschäfte plünderten. Das war, wie wir wissen, nur der lang und breit angekündigte Beginn: Verfolgung und Willkür, Haft und sadistische Folter, die öffentliche Aufforderung zur Ausrottung und Vernichtung. Es war „das Gefährlichste, was die menschliche Evolution hervorgebracht hat“.

Aber wir haben alles bestens überlebt, die Mehrheit jedenfalls. 95 Prozent der dauerhaft Reichen leben im Westen der Republik, 62 Prozent der dauerhaft Armen in den neuen Ländern. Zum Thema Frau passt, dass 75 Prozent der dauerhaft Einkommensreichen Männer sind, bei den dauerhaft Armen haben die Frauen mit 54 Prozent die Mehrheit. Deshalb ist ja auch Andrea Nahles auf den Trichter gekommen und will ein Ende von Hartz IV.
Unter Herrn Hartz leiden besonders die Frauen. Logisch – eine neue Grundsicherung muss her, Hilfen für arme Kinder, ein freundlicher, zugewandter und echter Sozialstaat. Frau darf wieder träumen. Und Mann darf gespannt sein, denn wenn es so weitergeht, nagt der Zeitgeist weiter am Fundament der Demokratie. In die Keller des Bundestagsneubaus an der Spree dringt seit Jahren Wasser ein, aber man weiß nicht warum und wieso und woher. Ich würd‘ sagen: Spree. Und Billiglöhner aus dem Osten.

Unerwähnt lassen wir an dieser Stelle die Testosteron-gesteuerte deutsche Gewalt gegen ausländische Frauen und dass bei uns alle drei Tage eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet wird.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit mehr als 7 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne. Näheres unter: https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/398/hordentrieb-5477.html

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