Wünsche
Eine Kolumne von Peter Grohmann
KONTEXT:Wochenzeitung vom 26.12.2018
Ich möchte ein Mal erleben, nur ein einziges Mal, dass hier was Positives steht über unser Land, über die Leistungen der Menschen in Deutschland. Über jene, die tagaus, tagein ihre Pflicht tun, sich abrackern, sich kaputtmachen für die Millionen Nichtsnutze und Faulenzer auf Kosten der Allgemeinheit unseres Landes!
Über die Mütter, die unter Schmerzen ihre Kinder gebären, die dennoch voller Glück in die Augen der neuen Erdenbürger blicken.
Ich möchte nur ein Mal erleben, dass an dieser Stelle statt Hochmut und Arroganz, statt Besserwisserei und Anmaßung die Leistung der hunderttausend Unternehmen gewürdigt wird, die ihren Beschäftigten Brot und Arbeit garantieren und dabei oft selbst auf das Notwendigste verzichten. Ein Mal nur, wenigstens am Jahresende, wünsche ich mir Respekt und Anerkennung für jene, die in Verantwortung stehen, als Chirurgen vielleicht mit dem Messer in der Hand vor den Todgeweihten, und die es trotzdem wagen! Ein Mal nur ein freundliches Nicken für jene, die bei Rot an der Fußgängerampel warten, egal, wie lange es dauert, für die vielen, die mit dem Zug reisen, egal, wie lange es dauert, für die, die den plumpen Wettervorhersagen der ARD nebst Klimawandel misstrauen und einen Schirm mitnehmen!
Ein Mal nur ein aufmunterndes, ja anerkennendes Wort für alle, die über die Weihnachtstage ihre Frauen nicht geschlagen haben, für die Mehrheit in diesem Lande, die noch nie für nichts demonstriert und den Verkehr aufgehalten hat. Ein stilles Gebet vielleicht, ja, auch hier, Frau Stiefel!, für die Priester, die sich zurückhalten, für die Dieselfahrer, die gleichfalls anständig bleiben, für Daimler, ein Unternehmen von Weltruf, das jetzt 20 Milliarden in neue Produktionsorte für Elektroautos investieren wird, für die Bundeswehr und die Sozialdemokraten, die alles verloren haben.
Ein Mal nur Hoffnung vermitteln von hier aus, im Namen der freien Presse, um die uns andere in Russland beneiden, für die Lesenden, die die Wahl haben, die um die Wahrheit wissen, ein Mal nur statt dieser ewigen Miesmacherei ein Dank an jene, die mit Mühe Maß gehalten haben selbst zu Weihnachten, an jene, die den Müll trennen und die Hinterlassenschaften ihrer Hunde im kleinen Schwarzen entsorgen.
Ja, auch das war Deutschland 2018. Aber das fehlt hier.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit mehr als 7 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne. Näheres unter: https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/404/wuensche-5583.html