Selten füllte die Rubrik Leserbriefe die lokalen Gazetten wie zum Thema Dortmund-Tatort und dem Brandbrief des OB Sierau an den WDR-Intendanten Tom Buhrow. Von „Hat der OB nichts anderes zu tun“ bis zu „Wäre ich OB, dann hätte ich genauso gehandelt“, waren die Meinungen in allen Schattierungen
vertreten. Grund genug für MENGEDE:InTakt!, den OB-Sierau-Brief zu veröffentlichen.
Zur journalistischen Sorgfalt gehört allerdings auch, die Antwort des WDR-Intendanten, die uns jedoch nicht im kompletten Wortlaut vorliegt, ebenfalls zu berücksichtigen (siehe weiter unten).
In einem Brief an den Intendanten des WDR, Tom Buhrow, hat OB Ullrich Sierau seine Verärgerung über den „Dortmund“-Tatort“ von Sonntag, 20. Januar, zum Ausdruck gebracht.Mit Beginn der „Tatort“-Folgen aus Dortmund habe in Dortmund eine gewisse Vorfreude geherrscht über die Aufnahme in jenen Kreis der Kommunen, in denen die unterschiedlichen Kripo-Teams einer TV-Institution wie dem „Tatort“ ihrer Arbeit nachgehen. Das habe sich allerdings geändert, so OB Sierau.„Nicht zuletzt nach der Ausstrahlung der Dortmunder Folge von Sonntag, 20. Januar, muss ich meine früher getätigte Aussage, dass ein „Tatort“ die Stadt adelt, revidieren. Was sich in vorherigen Folgen schon angedeutet hat, lässt sich nach der Folge von Sonntag nur als fortwährendes Mobbing gegenüber einer Stadt, einer Region sowie den dort lebenden Menschen bezeichnen“, schreibt der OB. Ein Krimi sei keine Dokumentation, so Sierau. Aber auch ein Krimi-Drehbuch sollte ein Mindestmaß an Bezug zur Realität vorweisen. „Das Bild, das am Sonntag über die Orte der Handlung in Dortmund und Marl sowie über die gesamte Region zu bester Sendezeit bundesweit vermittelt wurde, ist an Klischeehaftigkeit nicht mehr zu überbieten. Es ist maximal lächerlich.“ Sierau weiter: „Stecken Sie die Münchener Kommissare in Lederhosen und lassen Sie diese minutenlang Schuhplatteln – es wäre derselbe Effekt, es wäre genauso daneben. Die Macher dieser Folge geben die Menschen einer Region der Lächerlichkeit preis, in dem sie diese Bier trinkend in Trainingsanzügen vor heruntergekommenen Häusern herumstehen lassen. Mehr Klischee geht nicht.“
Durch die Verbreitung dieser „Ruhrpott-Klischees“ aus den 80ern disqualifiziere der WDR die Menschen und sich selbst als produzierender Sender. Sierau: „Es ist eine plumpe Darstellung ohne jedwede regionalen Kenntnisse. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge sollten ansatzweise passen, wenn die Bilder schon nicht aus Dortmund, sondern aus Duisburg stammen. Die letzte Zeche in Dortmund wurde 1987 geschlossen. Die prägende Zeit der Montanindustrie ist Geschichte. Im Ruhrgebiet gibt es so etwas wie einen Strukturwandel – aber die Vorurteile und Klischees der Drehbuchschreiber und verantwortlichen Redakteure des WDR sitzen fest und lassen diese Sichtweise offenbar nicht zu.“
Sierau schließt seinen Brief an Tom Buhrow: „Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn Sie den Dortmund-Tatort einstellen und Kommissar Faber und sein Team in den vorzeitigen Ruhestand schicken würden.“
Buhrow: Freiheit der Kunst ist hohes Gut
WDR-Intendant Tom Buhrow hat die Kritik von Oberbürgermeister Ullrich Sierau am jüngsten Dortmunder „Tatort“ zurückgewiesen. „Ein Tatort hat nicht die Aufgabe, das Image einer Stadt oder einer Region aufzupolieren“, schreibt Tom Buhrow in einem Brief an den Dortmunder Oberbürgermeister. „Ich frage mich, ob es wirklich im Sinne der Dortmunderinnen und Dortmunder ist, wenn Sie sagen, dass Sie das erfolgreiche Team um Kommissar Faber gerne ziehen lassen würden“, schreibt der WDR-Intendant am Ende seines Briefes. „Der Tatort ist Fiktion – aus dramaturgischen Gründen wird auch verdichtet und zugespitzt.“ Einzelne Szenen könnten dadurch polarisieren und Debatten auslösen. „Das ist aus unserer Sicht nicht negativ, sondern bereichernd“, heißt es weiter. Zudem weist der WDR daraufhin, dass ein vielschichtiges Bild der Stadt durch diverse Milieus und Drehorte gezeigt werde. Die Publikumsreaktionen seien überwiegend positiv: „Bei den letzten öffentlichen Vorführungen in Dortmund gab es sehr viel Applaus“, teilt der WDR mit.