Reformen ja – aber wie sollen sie aussehen?
Nur noch wenige Wochen, dann steht die vielleicht wichtigste Wahl in der Geschichte der Europäischen Union an. Nie zuvor schien diese Gemeinschaft so zerbrechlich. Der Schock des Brexit-Votums hat überdeutlich werden lassen, dass der Fortbestand dieser historisch einmaligen Friedensgemeinschaft keinesfalls selbstverständlich ist. Höchste Zeit also, die Ideen der KandidatInnen und Parteien für EUROPA kennenzulernen.
Eine gute Gelegenheit dazu bot sich in Mengede am vergangenen Freitag. Im Gemeindehaus der evangelischen Noah-Gemeinde machten Sven Giegold (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Kauch (FDP), Prof. Dr. Dietmar Köster (SPD) und Dr. Annette Littmann (CDU) Zwischenstation auf ihrem Weg nach Brüssel.
„Was sollten in der kommenden Wahlperiode die Schwerpunkte der EU-Politik sein?“ und „Sind Reformen in der EU notwendig?“ So lauteten die Überschriften dieses Abends zu dem sich die BesucherInnen auf Einladung des Heimatvereins Mengede, des evangelischen Männervereins Mengede, der Kolpingsfamilie sowie Länderkreisen der Auslandsgesellschaft zusammengefunden hatten. Und auch wenn sich alle Podiumsteilnehmer darin einig waren, dass es Reformen in Europa geben muss, so endeten die Gemeinsamkeiten dann ziemlich schnell bei der Frage, wie diese Reformen denn aussehen sollten.
Europa der Solidarität wird uns nicht geschenkt
Das Europa der Solidarität wurde von jedem ein wenig anders interpretiert. So stellte Michael Kauch in seinem Statement seine Vorstellung eines Europas der Freiheit, in dem alle nach ihren Vorstellungen leben können und alle die Chance auf sozialen Aufstieg haben sollten, in den Vordergrund. „Europa muss schneller werden und Technologien schneller an die Märkte bringen.“ Um dies zu erreichen, solle die EU sich auf wenige Aufgabenbereiche beschränken und sich aus allem raushalten, was Staaten allein besser regeln könnten. Der Umweltschutz gehört für Michael Kauch ganz klar auch in diesen Bereich. Kein Wunder, dass Sven Giegold als überzeugter Grüner dies naturgemäß ganz anders sah. Die vielfältigen Probleme Europas machten an vielen Stellen keinen Halt vor Grenzen und müssten daher auch auf gemeinschaftlichem Weg gelöst werden. Dies beschränke sich dabei nicht auf den Umweltaspekt, sondern auch auf die Regulierung der Finanzmärkte und der Banken sowie auch der Außenpolitik.
Für Prof. Dr. Dietmar Köster soll Europa eine Gemeinschaft der Solidarität verkörpern. Spätestens die Erfahrungen mit dem Umgang der Europäischen Staaten mit der Flüchtlingsfrage, hätten überdeutlich gezeigt, dass das Prinzip der Einstimmigkeit vernünftigen Lösungen nicht nur bei diesem Thema im Weg stehe. Auf dem Rücken der Geflüchteten werde so schäbige Nationalstaatspolitik betrieben. Fluchtwege geschlossen und so das Tausendfache Sterben im Mittelmeer billigend in Kauf genommen. Ein Europa der Solidarität müsse nicht nur an diesem Punkt wieder Anstand zeigen. Auch bei den sozialen Standards komme es darauf an, Haltung zu zeigen. Ein europäischer Mindestlohn von 60% des nationalen Durchschnittseinkommens und eine EU-weite Arbeitslosenversicherung könnten aus seiner Sicht wichtige Schritte sein, um die Lebensverhältnisse für die BürgerInnen in Europa zu verbessern und anzugleichen.
So weit wollte Dr. Annette Littmann dann doch nicht gehen. Mehr Europa ja, aber es gelte eine Transferunion um jeden Preis zu vermeiden. Ihr Hauptziel, sollte sie den Sprung nach Brüssel schaffen, liege in der Stärkung und Stabilisierung des EURO. Auch wenn sie vor dessen Einführung leidenschaftlich gegen ihn gekämpft habe, sehe sie nun die Bewahrung eines stabilen EURO als Kernaufgabe der Europapolitik. Eine weitere liege in der Sicherung der Grenzen und einer gemeinsamen Asylpolitik.
Fragen aus dem Publikum
Die Fragen aus dem Publikum reichten von Details zur Düngemittelverordnung über die Dublin-Regelungen der Asylpolitik, bis zu Fragen nach notwendigen Reformen in der Arbeitsweise der Europäischen Union und zeigten eine tiefe Besorgnis der Anwesenden, wie es denn weitergehen könne mit Europa. Diese konnten die vier KandidatInnen zwar nicht zerstreuen, aber es gelang Ihnen durchaus deutlich zu machen, dass sie sich zutrauen, für den Erhalt der EU zu kämpfen. Wenngleich sie über die Richtung in manchen Bereichen uneinig waren, so waren sie sich doch einig darin, dass es sich lohnt, auf gemeinsamen Weg mit Europa zu bleiben und erteilten einem Rückfall in die Egoismen des rein Nationalstaatlichen Denkens ein klare Absage.