Steigbügelhalter und Heuschrecken
Eine Kolumne von Peter Grohmann
KONTEXT:Wochenzeitung vom 20.03.2019
Meine Omi Glimbzsch in Zittau schlägt die Fusion von Deutscher Bank und Deutscher Bahn vor: Zwei Pleiteunternehmen mit dem neuen Logo „Commerz“. Ich stelle anheim: Die Unternehmen könnten dann, wenn die Firmen ihre Prozesse hinter sich haben, sie mit Steuermitteln ordentlich saniert worden sind und die Zahlen wieder stimmen, an bekannte Heuschreckler gehen. Es sind meistens nur die Zahlen, die irritieren.
Während die Klimaforscher die Teilnehmerzahlen des Freitags für Zukunft mühsam herunterrechnen, Verdi die Zahl der zu entlassenden Angestellten hochrechnet und alle gemeinsam die Krise des Kapitalismus kleinreden, lacht sich der in sein feistes Amazon-Fäustchen. Die Gewinne explodieren, bis eines Tages die Gelbwesten anklopfen: Bonjour mes chers, wir sind’s bloß. Bitte zahlen. Gott verhüte!
Richtig Geld machen kann man echt nur mit dem Waffenhandel. Man darf sich nur nicht so doof anstellen wie Heckler & Koch. Die ARD strahlte letzte Woche zwei Filme zum Thema aus. Es ging um einem geheimen Militärhafen in der Ukraine, vom dem aus Waffen für den Bürgerkrieg in den Sudan oder auch an das Militärregime in Myanmar verschifft worden sind. Beteiligt am Stink-Deal: deutsche Reedereien – der Bundesnachrichtendienst weiß Bescheid.
Sie jetzt auch. Aber was soll man machen?
In keinem Land der Welt sind die Bürgerbewegungen so aktiv und agil wie in Deutschland (Ausnahme: USA, Rumänien, Polen, Slowakei, Österreich, England, Israel, Italien, Spanien, Algerien und noch das eine oder andere flache Land).
Ostermarsch? Hungerstreik? Montagsdemo? Kontext fördern? Zu einem Demokratiekongress einladen? Kein Plastik mehr essen? Alles recht und gut – aber in Vorwahlzeiten besteht die Gefahr, dass sich die im Parlament ansässigen Parteien (Hunde müssen draußen bleiben) mit den Protestlern gemein machen. Auf diese Weise bekommt jede Bürgeraktion durch das Stänkern ein Gerüchle.
Denn Parteien wollen natürlich immer nur unser Bestes, und ohne Parteien müssten wir selber eine gründen, oder zwei. Insoweit, das wollte ich hier mal sagen, sind die zivilgesellschaftlichen Initiativen quasi die Steigbügelhalter der Parteien, die immer kurz vor den Wahlen auf die Straße kommen, um die BürgerInnen zu streicheln. Zu mehr reicht’s in den kälter werdenden Zeiten meistens nicht, weil sie ja zurück müssen ins Warme.
Nicht dass wir uns falsch verstehen: Ich bin Volldemokrat wie meine Omi.