„Sie wollen die Demokratie aushöhlen!“ 

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Aufruf der Amadeu Antonio Stiftung

Anetta Kahane –  Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung

Liebe Leserinnen und Leser,
man darf nur hoffen, dass das Datum der Landtagswahl in Sachsen und Brandenburg nur zufällig auf den Tag fällt, als Deutschland den II. Weltkrieg begann. Wie hieß damals der Schlachtruf? „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“. Der 1. September ist heute der Weltfriedenstag, denn das mit der „ganzen Welt“ hat zwar nicht geklappt, aber 60 Millionen Menschen das Leben gekostet.
Umso befremdlicher sind die Plakate der AfD Brandenburg für die anstehende Wahl mit Slogans wie „Wende 2.0 – Hol Dir Dein Land zurück“ oder „Der Osten steht auf!“. Sie suggerieren, dass den Wählern ihr Land nicht gehöre und sie es sich zurückerobern sollen, dass die Wähler Geschichte schreiben sollen mit ihrem Kreuz bei der AfD, dass die Wähler die Wende vollenden sollen, weil angeblich noch immer die DDR herrsche. Diese Slogans sollen klarmachen, dass unsere geltende demokratische Grundordnung nichts zählt. Dass ihr Begriff von Demokratie einer ist, bei dem Vielfalt, Diskussion, Aushandeln von praktischen Möglichkeiten, Gleichwertigkeit, Widersprüche und Gleichzeitigkeit – die ja die liberale Demokratie ausmachen – verschwinden.

Nach dem Willen der sächsischen AfD soll die Zivilgesellschaft keine Mittel von staatlichen Stellen mehr bekommen dürfen, wenn sie in irgendeiner Form politische Themen aufgreift, egal in welcher Form. So zumindest sieht es ein Gesetzentwurf der AfD-Landtagsfraktion Sachsen vor. Das stelle man sich mal vor! Zuwendungsberechtigt sind dann nur noch Vereine, die Hasen züchten oder Schießen üben.

Die Rechtsradikalen wollen auch dem Kulturbetrieb seine kritische Substanz und Vielfalt nehmen. Es sollen nur Werke und Künstler aufgeführt werden, die nicht die „Bewahrung des kulturellen Erbes“ zum Ausdruck bringen. Sie sagen, sie wollen Meinungsfreiheit und meint jedoch damit ausschließlich die eigene. Widerspruch ist nicht erbeten. Ihre völkischen und rassistischen Ideen wollen sie in Gesetzesform gießen und damit Ungleichwertigkeit zur rechtlichen Praxis erheben. Sie wollen Demokratieprogramme abschaffen, Demokraten unter Druck setzen und die Stimmung weiter anheizen.

Ich verstehe nicht, wie Menschen, voraussichtlich viele Wähler in Brandenburg und Sachsen, wo zuerst gewählt wird, so etwas ernsthaft wollen können. Die Wut anzuheizen, selbst wenn sie noch so diffus ist und keinen wirklichen Gegenstand findet, wozu soll das gut sein? Den Hass auf Menschen zu schüren, die nicht weiß genug sind, ist primitiv, gegen jede aufklärerische Errungenschaft des vermeintlich so großartigenAbendlandes.

Es ist doch vollkommen klar, dass solche Forderungen und Ziele mit unserem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbar sind, ganz einfach, weil sie dem Grundgesetz widersprechen. Wozu also das alles? Soll damit ein Klima des gewaltsamen Umsturzes geschürt werden? So sagen es jedenfalls AfD-Mitläufer. Doch wie kann das jemand wollen, der genau weiß, welches Unheil damit bereits angerichtet wurde in einem Land, das sich demokratisch nannte, aber kein bisschen demokratisch war? Wollen die Wähler das wirklich? Im Ernst? Das ist doch dann genau die DDR 2.0, vor der die AfD immer warnt. Wende 2.0 zur DDR 2.0? Absurd.

Wir unterstützen alle, die sich im Wahlkampf und bei der Wahl für die demokratischen und rechtsstaatlichen Standards einsetzen und sich nicht einschüchtern lassen. Jede politische Gruppierung von der Linkspartei bis zur CDU, von den Liberalen bis zu den Grünen und den Sozialdemokraten braucht jetzt einen klaren Kompass und deutliches Handeln gegen die angekündigte Erosion demokratischer Grundrechte.

Damals wollten sie Deutschland und dann die ganze Welt. Das wird nicht geschehen. Aber ihre Absicht jetzt ist: „Heute den Osten und morgen das ganze Land“. Deshalb: Hallo Westdeutsche, vergesst die Klischees und lasst die Demokraten im Osten nicht allein. Und hallo Ostdeutsche: Lasst es nicht soweit kommen, überlasst das Land nicht den Rechtspopulisten und Rechtsextremen und ihrer zerstörerischen Agenda. Sondern unterstützt und schützt die Engagierten vor Ort. Alle.

Herzliche Grüße,
Ihre Anetta Kahane

Die Amadeu Antonio Stiftung
Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.
Dafür unterstützt sie Initiativen und Projekte, die sich kontinuierlich für eine demokratische Kultur engagieren und für den Schutz von Minderheiten eintreten. Die Stiftung fördert unkompliziert und verteilt das Geld gezielt dort, wo es am dringendsten benötigt wird.
Die wichtigste Aufgabe der Amadeu Antonio Stiftung über eine finanzielle Unterstützung hinaus: Aufmerksamkeit für engagierte Menschen vor Ort zu schaffen und das Thema Rechtsextremismus dauerhaft auf die Tagesordnung zu bringen.
Der Namensgeber der Stiftung, Amadeu Antonio, wurde 1990 von rechtsextremen Jugendlichen im brandenburgischen Eberswalde aus rassistischen Gründen zu Tode geprügelt, weil er Schwarz war. 
Mehr  unter www.amadeu-antonio-stiftung.de

 

 

 

 

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