„Manchmal muss man Krieg führen“ – Eine Kolumne von Peter Grohmann

„Manchmal muss man Krieg führen“

Eine Kolumne von Peter Grohmann

KONTEXT:Wochenzeitung vom 25.12.209

„Manchmal muss man Krieg führen“, forderte Ulrich Ladurner vorweihnachtlich in der „Zeit“. Der Kolumnist, vermutlich ein altgedienter und fronterfahrener Haudegen, ist aber „uk“ gestellt, kann also beim besten Willen nicht persönlich zur Waffe greifen. Er muss notgedrungen andere schießen lassen.

„Europa verweigert sich konsequent der Intervention. Das war lange richtig, doch kann es so bleiben?“, fragt er scheinheilig in die Leserrunde, um gleich lammfromm die Antwort zu geben: Nein. Das freut natürlich auch meine Omi Glimbzsch in Zittau – sie lebt in der Nähe der Front und wird’s wohl eh nicht mehr allzu lange machen, wie sie beteuert. Die Auguren melden zeitgleich vor Kriegsbeginn, dass es bei der deutschen Truppe ab dem neuen Jahr endlich wieder jüdische Militärseelsorger geben wird. Ganz, ganz schlecht für die Antisemiten beim Bund! Militär-Mullahs wird es jedoch vorderhand leider nicht geben, auch wenn die Islamischten viel, viel mehr sind. Der Türke als solcher ärgert sich, er ist ja von Haus aus (Tayyip Erdoğan!) eher fürs Eingreifen, fürs Intervenieren – ganz wie der gute Onkel von der „Zeit“, selbst wenn das wichtig, teuer und gefährlich wäre. Égalité!

Und davon können die Hilfsorganisationen auf Lesbos, an der Balkanroute und auf den Landwegen ein Lied singen: „Ihr Kinderlein kommet …“ – doch auf keinen Fall zu uns. Die helfenden Teams in den weltweiten Flüchtlingscamps sind verzweifelt, weil wir sie und die Geflüchteten am langen Arm verhungern lassen – und mit dem anderen Lebensmittel ins Meer kippen. Sei’s drum und wie auch immer: Wir können nicht allen helfen, aber Hoffnung geben, weiß Ulrich Ladurner („Zeit“, 20.12.2019): „Während wir hadern, schaffen andere Tatsachen.“ Sie sterben.

Allen aber, wo immer sie hungern und leiden, wünschen wir frohe und besinnliche Festtage! Nutzt die Zeit, spannt einfach mal aus, macht einen Spaziergang, besucht eure Lieben, lest ein gutes Buch. Oder denkt einfach hin und wieder an eure Omi Glimbzsch und daran, was man mit den Negativzinsen alles machen könnte.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit mehr als 7 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne. Näheres unter:

https://www.kontextwochenzeitung.de/kolumne/456/manchmal-muss-man-krieg-fuehren-6403.html

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert