Tausende Blumen, tausende
Eine Kolumne von Peter Grohmann
Hanau. Ja, da hatte ich einen Kloss im Hals. Die Nachricht kam aus heiterem Himmel, so wie die Nachrichten von Verkehrsunfällen oder fernen Kriegen, wie Wetterberichte oder Staumeldungen. Im Grunde weiss ich, dass solche Nachrichten jeden Tag kommen können, sie warten im Untergrund. Aber immer wieder sage ich mir, vollkommen unlogisch: Aber doch nicht bei uns!
Frankreich, ja, Amerika, und dort, wo die Terroristen wohnen. Aber doch nicht bei uns. Wir sind Goethe und Merkel, in jedem Ort eine Gleichstellung-beauftrage, jemand für Ausländer. Seit 100 Jahren, wir kaufen sie ja weltweit ein. Wir haben selbst eine Willkommenskultur.
Warum haben Politiker in ihren Büro immer gedeckte Kleidung parat und schwarze Krawatten, passendes Schuhwerk? Sie sind sofort am Tatort, schneller als die Angehörigen. Sie sind da, wenn etwas passiert. Wieso irritiert mich das?
Ja, ich habe einen Kloss im Hals, will weinen, wenn ich in die Gesichter der Mütter, Brüder, Väter blicke. Die Kameras fangen die Tränen ein. Alles ist nah, neben uns.
Ganz unangemessen fällt mir ein, dass die Etats für Antirassismus-Arbeit gekürzt werden, im Osten vor allem, dass schlecht bezahlte Sozialarbeiter fehlen, dass es sehr umständlich und zeitaufwendig ist, Projekte der Vielfalt zu realisieren. Ich weiss, wie hoch die Hürden sind, um ein buntes Toleranz-Programm in Bibliotheken auszulegen, dass die Plätze für auseinander-setzende Debatten in den Universitäten oft versperrt sind. Weiss ich auch, warum die Akten geschreddert wurden, warum die Seiten für die Untersuchungsausschüsse seitenlang geschwärzt sind? Ich weiss, dass ist jetzt fehl am Platze. Wir müssen zusammenstehen, sagen sie.
Die anderen? Sie beteuern, dass sie Deutsche sind. Sie flehen.
Vielleicht, wenn ich eine Blume kaufe, vielleicht. Sie auch. Heute oder morgen. Nein, nicht für den Tatort. Für die, die neben uns wohnen. Ich will sie erkennen.