Im Zeichen des Coronavirus macht selbst Unkrautjäten Spaß
Es ist Sonntag, 29. März, und die Umstellung auf die Sommerzeit bringt das Zeitgefühl erst mal durcheinander. Auch das Wetter scheint aus dem Takt geraten zu sein. Kräftiger Nordostwind treibt dicke Schneeflocken durch den Dortmunder Himmel. Die hinterlassen aber keine weiße Schneedecke. Die Flocken sind schon geschmolzen, bevor sie auf den frostfreien Boden fallen. Nass und kalt – Frühling stellt man sich anders vor. Also sitze ich vor dem PC.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, in meinem Garten weiter zu arbeiten, denn der hat – ehrlich gesagt – schon lange eine pflegende Hand nötig. Besser wären gleich mehrere Hände, die sich seiner annehmen, aber viel Unterstützung ist nicht zu erwarten. Ich werde eine Weile damit beschäftigt sein, möglicherweise monatelang. Die Aussicht auf jede Menge sonst wenig geliebte Gartenarbeit hat in diesem Jahr etwas Besonderes. Immerhin erlaubt sie ein Stück Freiheit angesichts des kollektiven Hausarrests, der nicht nur hierzulande die Menschheit 2020 vor dem Coronavirus schützen soll.
In der Krise zeigt das Wohnen im Grünen seine beste Seite
Das Haus mit Garten am Stadtrand war in den letzten Jahren zunehmend zum Inbegriff des Spießertums geworden. In diesen Tagen, wo sich Bewohner schicker Innenstadt-Apartments in ihren vier Wänden eingesperrt fühlen, erlebt der Garten am Haus sein Revival. Selbst anstrengende Schufterei wird zum Privileg. Zumindest kann ich mir die Lage, die schon lange nicht mehr so ernst war, leicht schönreden, wenn die Sonne scheint. Trotz eisigen Nordwinds, der mich in der letzten Woche immer wieder zum Aufwärmen ins Haus scheuchte. Weihnachten waren die Temperaturen angenehmer als jetzt; jedenfalls kommt es mir so vor.
Unbestreitbar ist, trotz unberechenbarer Witterung: Im eigenen Garten muss ich meine Aktivitäten draußen nicht rechtfertigen. Egal, ob Gras gemäht, Rosen gestutzt, dicht bewachsene Staudenbeete erneuert werden sollen oder man sich einfach nur zum Kaffeetrinken auf die Bank setzt: Solange keine Party mit vielen Gästen daraus wird, ist der Aufenthalt an der frischen Luft behördlich erlaubt.
Auch der Meinungsaustausch mit Nachbarn und Passanten über Gartenzaun und Hecke hinweg klappt problemlos inklusive Abstand halten. Auf den Händedruck verzichten Gärtner*innen ohnehin gern, weil man entweder Schutzhandschuhe trägt oder sich die Hände zu dreckig gemacht hat.
Im Frühjahr gehört Pflege mit Schere und Säge zum Ritual
Im Frühjahr gehören bestimmte Arbeiten zum Pflege-Ritual. Die Sträucher rund um das Grundstück mittels Heckenschere in Form zu bringen, ist im März und April eine gut lösbare Aufgabe, wenn sie im Frühherbst letztmalig geschnitten wurden. Dann müssen lediglich die Spitzen der Zweige gekappt werden, die in milden Herbstwochen nachgewachsen waren. Das müsste ich auch im Coronajahr 2020 hinkriegen.
Im Februar, als der stärkere Rückschnitt von Gehölzen vor der Vogelbrutsaison noch erlaubt war, kam die Kettensäge zum Einsatz. Wahrhaft scharfe Einschnitte waren nötig, um alte Planungsfehler zu korrigieren, auch um Pflanzen zu entfernen, die als provisorische Lückenbüßer gedacht waren und, wie immer in solchen Fällen, länger blieben als sie sollten. Zwei Kirschlorbeer-Exemplare, die sich anschickten, ihre gefürchteten Wucherqualitäten auszubauen und die benachbarten Eiben zu verdrängen, wurden ebenso eliminiert wie die blattlosen, bleichen Gerippe, die der Zünsler von den ehemals prächtig dunkelgrünen Buchsbaumkugeln übrig gelassen hatte.
Die dürren Zweige zeigten sich härter und widerstandsfähiger als gedacht. Mit Ast- oder Rosenschere war ihnen nicht beizukommen. Einige wilde Haselbüsche, Wildwuchs aus den Hamstervorräten vergesslicher Eichhörnchen, wurden zudem „auf Stock gesetzt“, wie man den bodennahen Rückschnitt von Gehölzen nennt.
Kübel mit Gehölzen als Provisorium bis zum Herbst
Jetzt sind einige Lücken entstanden, in die erst mal ein paar Kübel mit Kletterrosen einziehen sollten – als leicht abzuänderndes Provisorium, das Zeit zum Nachdenken über die künftige Gartengestaltung gibt. Während der Sommermonate können Gehölze in Gefäßen mit einem Bewässerungssystem am Leben gehalten werden. Lediglich die bereits vorhandenen Hortensien, die umziehen müssen, werden direkt in den Boden gepflanzt. Das ist für die immer durstigen Mitglieder der Gattung Hydrangea (griechisch für Wasserkrug) eine gewagte Aktion! Sie werden mir viel Beschäftigung extra bescheren, leider.
Der Grund für den Umzug an die Ostseite des Hauses ist der jetzige falsche Standort. Dort fehlt neuerdings die Schattierung in der Mittagszeit. Sollte es in diesem Sommer 40 Grad im Schatten geben, muss ich sie eventuell dreimal am Tag gießen. In der Mittagssonne würden die Ärmsten aber auf jeden Fall gegrillt. Mit einer dicken Mulchschicht und täglicher Bewässerung könnten die Halbschatten liebenden Blütensträucher den Umzug im Frühjahr überstehen.
Eigentlich ist der Herbst die bessere Jahreszeit, um Gehölze zu pflanzen, weil sie dann leichter einwurzeln und nicht so viel gegossen werden müssen. Aber da habe ich den Termin verpasst, weil so viel anderes zu tun war. In diesem Frühjahr und Sommer könnte es vermutlich mehr Spaß als sonst machen, täglich ein oder zwei Stunden mit Schlauch und Gießkanne zu hantieren, vor allem, wenn man das Ganze von der sportlichen Seite sieht. Sollten nämlich die Ausgangssperren für einen längeren Zeitraum bleiben, sind alternative Freizeitangebote an der frischen Luft Mangelware.
In diesem Sommer schenke ich mir das sonstige Pläneschmieden. Die Zukunft scheint ungewiss. Eins habe ich mir für den Garten vorgenommen: Ich möchte einen vor etlichen Jahren begangenen Fehler wieder gutmachen: die zwar dekorative, aber gnadenlos wuchernde panaschierte Goldnessel, eine wirklich invasive Pflanze, möglichst entfernen. Mal sehen, was daraus wird…