Coronakrise und „Stubenarrest“ (11)

Was machen Menschen in unserem Stadtbezirk in Zeiten der Krise?

Wir haben uns umgehört und eine kleine – nicht repräsentative – Umfrage gestartet. Wir bekamen Antworten.

Heute von:
Hans-Joachim Schroeter, Mitglied im Heimatverein Bodelschwingh und Westerfilde

Altes Hobby wiederentdeckt

Es klingelt an der Haustür. Ganz unten. Ich drücke den Türöffner und laufe die Treppen hinunter. Dachgeschoss – seit meinem Umzug im letzten Sommer. Davor 35 Jahre Erdgeschoss. Nun aber ganz oben, 32 Stufen bis unten – der Postbote kommt mir aber freundlicherweise eine Treppe entgegen.

„Postbote“? Nun, den gab es mal, als es noch Kassettenrecorder und liebevoll aus Radiosendungen zusammengeschnittene Lieblings-Mixtapes gab (am Anfang oder am Ende der Titel quatschte der Moderator – auch Mal Sondock – fast immer rein!). Heute ist es wohl der Fach-Paketzusteller – der Post (gibt’s die noch?). DPD, Dieheitsch Ell, Hermes, UPS, Amazon – die eiligen Fach-Paketzusteller, die auch gern mal das Paket vor die Haustür unten werfen, nicht mal klingeln und sich dann schnell verp… – verdrücken. Dieser Gelbrote aber kommt mir korrekt entgegen, aber nicht zu nah, legt das Päckchen auf die Treppe und verzichtet sogar auf meine handschriftliche Quittung auf seinem elektronischen Zustellgerät. Danke diesmal!

Es ist ein Päckchen, das ich aus meiner Isolation in meine Isolation bestellt habe – geht ja heutzutage zum Glück per Internet (war früher doch nicht alles besser!). Um mich zu beschäftigen in meiner Quarantäne – und zwar mit der wiederentdeckten Leidenschaft früherer Tage: Auto- und Eisenbahnmodelle. Nach dem Umzug habe ich in den drei Kellerräumen, die immer noch unausgepackt, mit Modellen randvolle Umzugskartons, Kisten und Schachteln beherbergen, letzte Woche in einem Schuhkarton – zum Glück von der Seite lesbar beschriftet mit „Match/Dinky/Corgi“ – alte Automodelle meiner Kindheits- und Jugendzeit gefunden, an die ich schon lange nicht mehr gedacht hatte. Deckel ab, auspacken, sichten – Glücksgefühle!

Scheiß-Corona – das ist meine Jugend, als ich noch nicht einer „Risikogruppe“ zugehörig galt! Nun gut – das WAR meine Jugend, aber sie ist nun wieder da – nur „ein Stück weit“, wie die alberne Phrase sagt, aber ich sehe mich wieder mit meinen Freunden in den Sandkästen ringsum die untere Deininghauser Straße in Bodelschwingh mit unseren Autos pflügen, unverwüstlichen Matchbox-Autos! Unverwüstlich – nun ja, der Blick auf die Modelle aus dem Karton – alle wohl Baujahr zwischen 1958 und 1968 – zeigt mir schon, wie ich sie damals im Spiel verwüstet habe! Doch das lässt sich wieder richten! Mit etwas Geschick, Restaurationskenntnis, passendem Werkzeug und neuer Farbe – und den Youtube-Filmchen von Marty aus Down Under. Marty`s Matchbox Makeovers – der modellverrückte Australier macht aus Matchbox-Schrott wieder wunderschöne neu aussehende Erinnerungsstücke!

Auch damit vertreibe ich mir die Zeit meiner Quarantäne – Stunden über Stunden habe ich ihm schon bei seiner Restaurationsarbeit zugesehen und mir vorgenommen: „Das machst Du demnächst auch! Sicher! Bestimmt! Hast ja die Zeit! Der Garten kann warten!“ Obwohl: so wirklich meine Lieblinge waren die Matchbox-Autos nicht, denn schon damals kam es mir eher merkwürdig vor, dass ein Riesenmähdrescher kaum größer war als ein Jaguar E-Type! Da war es dann wohl wichtiger, dass alle Modelle in die „Matchbox“ passten, als auf Maßstabsgerechtigkeit zu setzen.

Aber es gab dann ja auch die etwas größeren und maßstabsgerechten Modelle von Corgi Toys und Dinky Toys, auch Märklin – und auch von Siku. Aber die waren aus Plastik und da brach dann immer gleich irgendwas ab beim verschärften Spielen – für den Sandkasten waren die nicht gemacht. Und deswegen ist davon heute auch so wenig übrig geblieben.

Ich weiß, dass ich zu den „Bekloppten“ gehöre, die im Alter von weit über sechzig Jahren noch „kleine bunte Spielzeugautos“ sammeln und lieben. Und gar nicht zu reden von den Eisenbahnmodellen! Das würde hier noch zwanzig Seiten Begeisterung bedeuten! Aber ich kann das Unverständnis von Nichtsammlern (ich nenne sie eher „Nichtsammlungsfähige“) ertragen – auch jetzt! Was ich schwer ertragen kann: die Modellbörsen (vorzugsweise in Castrop in der Europahalle) sind abgesagt, auch die Intermodellbau in den Westfalenhallen – seit weit über zwanzig Jahren mein Pflichttermin im April: abgesagt! Da bleiben nur das Internet – und die Bestände im Keller!

Und ich packe nun endlich das Päckchen vom „Postboten“ aus: da ist er, mein Titan der Kindheit: der Märklin Krupp Südwerke 8000, genannt „Titan“. Aus schwerem Zinkdruckguss, schwer genug, dass ich mit meinem Original damals Nägel in meine Holzseifenkiste einhämmerte (was dem Krupp aber nicht sooo gut bekam) – er ging dann irgendwann verloren, doch nun habe ich ihn wieder – in bewunderungswürdigem, fast unbespieltem Zustand! Ich bin begeistert!

Sicher war – realistisch gesehen – früher kaum was besser als heute, weder die Luft über dem Ruhrgebiet noch das Wasser der Emscher, aber die Matchboxes, Märklins, Dinkies und Corgies waren es! Doch es klingelt wieder am der Haustür, ich muss runter – da habe ich doch wohl noch was bestellt? Mercedes L 325 Kohlenwagen „Raab Karcher“ aus den fünfziger Jahren. Ich muss los, Tschüss bis demnächst – „nach dem Krieg um sechs“, wie Schwejk sagte…

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