Exklusivinterview mit der Autorin und Buchbesprechung
Eins vorab: das Angebot an Kochbüchern ist riesig. Ganze Regalwände in den Buchgeschäften sowie das Internet bieten eine fast unendlich erscheinende Auswahl an. Und für Jeden, der selbst in der Küche arbeiten und vielleicht auch etwas Neues ausprobieren möchte, dürfte das Passende dabei sein. Sei es die mediterrane Küche, Fleisch- oder Fischgerichte, Suppen, Salate, Desserts oder eine Vielzahl von Büchern über kalorienarme, vegetarische oder vegane Mahlzeiten.
Monika Röttgens neues Buch „Die Klimafreundliche Küche“ ist genaugenommen nichts von allen diesen Kochbüchern und beinhaltet trotzdem fast von allem etwas. Ein Widerspruch? Nein. Die Autorin bezeichnet ihr Werk selbst als ein „Lese- und Mitmach-buch“, das voller Anregungen steckt.
Natürlich dreht es sich in ihrem Buch auch um’s Kochen, aber der Blick der Autorin geht im wahrsten Sinne des Wortes deutlich „über den Tellerrand hinaus“. Das Buch behandelt nicht nur die Zubereitung der Speisen, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit dem „Davor“ und dem „Danach“. Und das heißt konkret, die komplette Kette vom Einkauf der benötigten Zutaten über das Kochen bis hin zur Resteverwertung und Abfallvermeidung wird ausführlich behandelt.
Herderwärmung führt zur Erderwärmung
Wie schon der Buchtitel sagt, spielen in diesem Buch der Klimaschutz, aber auch die Schonung von Ressourcen, eine wichtige Rolle. Denn die Herderwärmung trägt auch zur Erderwärmung bei und es dürfte für die meisten Leserinnen und Leser erstaunlich sein, was sich alles an Klimaflops und Klimatops in unserer Küche und der täglichen Nahrung verbirgt. Das Wissen darüber basiert auf wissenschaftlichen Studien aber durchaus auch auf Übernahmen aus Omas traditioneller Küche. Dazu nur einige Beispiele. Ist es eigentlich bekannt, dass
- der Wasserverbrauch zur Nahrungsmittelherstellung in Deutschland aktuell bei knapp 3.000 l Wasser (30 Badewannen voll) pro Kopf und Tag liegt?
- die immer beliebter werdende Avocado im Schnitt vier Wochen auf See und eine Woche im Kühlhaus verbringt, bevor sie, mit Gasen besprüht, in den Supermarktregalen landet?
- Konrad Adenauer mit einer Anmeldung für eine von ihm entwickelte Sojawurst beim Patentamt scheiterte?
- ein Zucchini-Kuchen nur eine Zubereitungszeit von ca. 30 Minuten benötigt?
- sich aus Apfelschalen und einigen Zutaten wohlschmeckende Chips herstellen lassen?
Antworten auf diese Fragen und Hunderte von weiteren Fakten, Rezepten und anderen interessanten Informationen sind in Monika Röttgens Buch zu finden. Und dabei wird die Thematik rund um die klimafreundliche Küche und der Schonung von Ressourcen nicht etwa oberlehrerhaft und mit erhobenem oder – wie manche jetzt vielleicht vermuten – „grünem“ Zeigefinger präsentiert. Monika Röttgen gibt ihre Anregungen und Rezepte in einer unteraltsamen, gleichzeitig aber auch höchst informativen Art und Weise weiter. Von daher ist ihr Buch „Die klimafreundliche Küche“ mit jeder Menge Tipps zum Selbermachen eine Bereicherung für alle die, die gerne kochen, aber gleichzeitig auch an umweltschonendem Verhalten interessiert sind.
Und wer Interesse an einem kleinen Appetizer auf das Buch haben möchte, dem sei im Internet die Seite www.klimafreundlich-kueche.de empfohlen.
Erschienen ist Monika Röttgens Buch „Die klimafreundliche Küche“ im Freya-Verlag, mit Illustrationen von Laura Laakso. Preis: 24,99 EUR.
MENGEDE:InTakt! hatte Gelegenheit, mit Monika Röttgen ein Interview zu führen. Dabei drehte es sich natürlich schwerpunktmäßig um ihr Buch.
MENGEDE:InTakt! Was war für Sie der Auslöser, dieses Buch zu schreiben?
Monika Röttgen: Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit bei der DASA in Dortmund
unterstütze ich die VHS bei der Veranstaltung von Kochkursen. Und bei diesen Kochkursen geht es mir nicht ausschließlich um die Befolgung von Rezeptvorschlägen wie z.B. „nehmen Sie 150 g Mehl und 1 Teelöffel Salz, usw.“, sondern es geht mir auch immer um Aspekte wie Herkunft der Lebensmittel, Herstellungsprozesse und eben die Auswirkungen auf unser Klima. Und aus dem Kreis der Kursteilnehmer, von Arbeitskollegen und Bekannten kam dann der Hinweis: „Du solltest einmal ein Buch über all diese Themen rund um’s Kochen schreiben.“ Ich habe diese Idee dann erst einige Zeit sacken lassen, dann aber ein Exposé über die geplanten Inhalte an Verlage geschickt. Daraufhin hat mir der österreichische Freya Verlag geantwortet: „Sehr interessantes Thema, bitte legen Sie uns in drei Monaten Ihr Buch vor!“
MENGEDE:InTakt! Das heißt, Sie haben für das Schreiben des Buches, welches ja knapp 300 Seiten umfasst, nur drei Monate Zeit gehabt?
Monika Röttgen: Ja, das war in der Tat so. Ich hatte natürlich bereits vorgearbeitet und die verschiedenen Kapitel und Themen des Buches geplant und strukturiert. Aber beim Schreiben trat plötzlich zum Beispiel Greta Thunberg auf die Bühne der Weltgeschichte und 2019 gab es eine ziemliche Klima-Diskussion. Da gab es plötzlich jede Menge Material und auch Aufmerksamkeit für das so wichtige Thema.
MENGEDE:InTakt! In Ihrem Buch kommen weder Fleisch- noch Fischgerichte vor. Generell taucht tierische Nahrung nicht auf. Was ist die Ursache dafür?
Monika Röttgen: Ja, das hat seinen Grund. Ich lebe seit 25 Jahren vegetarisch und seit acht Jahren vegan. Mein Buch ist aber auf keinen Fall als Leitfaden für Hardcore-Vegetarier oder -Veganer zu verstehen, unter dem Motto: „Frau Roettgen macht uns jetzt das Würstchen madig!“ Die Entscheidung, auf tierische Nahrung zu verzichten, muss jedem selbst überlassen sein. Ich verzichte darauf vor allem aus ökologischen Gründen. Und natürlich spielt dabei auch der Tierschutz eine wichtige Rolle. Was aber auch dazu kommt – und das hat gar nichts mit der aktuellen Corona-Thematik zu tun – die Arbeitsbedingungen für die Menschen, die in Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben arbeiten, finde ich ganz entsetzlich. Es sollte aber auch nicht vergessen werden, dass z.B. bei der Herstellung von Käse- und Milchprodukten oft mehr Klimasünden begangen werden als beim Schweinefleisch. Viele wissen auch nicht dass bei der Zubereitung ihrer Speisen, Pflanzen verwendet werden, die ziemlich klimaschädlich sind. Dazu gehören z.B. Kokos, Avocado, Cashew oder Mandeln. Faktoren wie Wasserbedarf, Pestizide und der Flächenbedarf stehen da insgesamt in einem sehr ungünstigen Verhältnis. Auch diese Dinge verschweigt das Buch nicht.
MENGEDE:InTakt! Ressourcen- und Umweltschonung spielen in Ihrem Buch ja eine große Rolle. Hört man da nicht manchmal auch Vorurteile wie „ach, schon wieder so ein neues Öko-Buch?“
Monika Röttgen: Vielleicht kommt diese Frage einige Monate zu früh. Das Buch ist ja erst im Januar erschienen und kurz darauf hatten und haben wir alle mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Mein Buch soll ja nicht belehren oder die Leser zu Vegetariern oder Veganern umdrehen. Es soll vor allem informieren und zum Nachdenken anregen. Mein Credo ist, dass die Leute eigentlich ihre Sinne wieder entdecken und nicht nur in Kategorien wie „Wurst oder Käse“, „Vitaminreich“, Cholesterinarm“, „Fettreduziert“ usw. denken. Es geht vielmehr darum nachzudenken: Woher stammt das, was ich gerade esse?“ „Was sind die Grundzutaten meiner Nahrung?“ Zahlreiche Menschen können z.B. mit einer Hülsenfrucht nichts mehr anfangen und siehe da, jetzt kommt Corona und viele Leute haben überhaupt keine Vorräte im Haus oder niemand weiß, was er mit einer Bohne oder Linse anstellen soll.
MENGEDE:InTakt! Bedeutet eine klimafreundliche Küche eigentlich auch höheren Aufwand bzw. höhere Kosten für diejenigen, die Ihre Tipps ausprobieren wollen?
Monika Röttgen: Nein, das sehe ich nicht so. Sicherlich sind einige Produkte in einem Bio- oder Unverpackt-Laden im Vergleich zum herkömmlichen Lebensmittelhandel tendenziell teurer. Aber insbesondere wenn man sich auf regionale Produkte konzentriert, kann es von den Kosten her schon in die andere Richtung gehen. So ist beispielsweise Kohl bzw. Spitzkohl ein ganz hervorragendes Gemüse mit fast unzähligen und vor allem jeder Menge schmackhafter Einsatzmöglichkeiten. Eine sehr gute Einkaufsquelle im Raum Dortmund ist z.B. die „Solidarische Landwirtschaft e.V.“ mit einem klimagerechten und ökologischem Anbau und das zu erschwinglichen Preisen. Natürlich darf beim Thema „Preise“ für klimafreundliche Lebensmittel auch nicht deren Verfügbarkeit vergessen werden. Dort, wo nur der Discounter als nächste Einkaufsmöglichkeit zur Verfügung steht, ist es natürlich beträchtlich schwieriger, sich klimagerechter einzudecken. Aber auch bei vielen Discountern tut sich ja einiges, wenn man einmal an die Vermeidung von Verpackungsmaterial oder an den Umgang mit Lebensmittelresten denkt.
MENGEDE:InTakt! Denken wir einmal an neue, idealerweise auch umweltschonende Techniken. Werden wir uns, ihrer Meinung nach, bei den Themen „Kochen“ und „Küche“ zukünftig auf Veränderungen einstellen müssen?
Monika Röttgen: In der heutigen Küche findet sich natürlich jede Menge moderne Technik wie die Mikrowelle oder der immer beliebter werdende Thermomix. Und auch das Smartphone mit seinen vielen Apps hat mittlerweile in vielen Küchen seinen festen Platz gefunden. Bei einigen Arbeiten kommt man an der Technik ja auch gar nicht vorbei, wenn man z.B. an gründliches Quirlen oder Mahlen denkt. Man sollte aber nicht vergessen, auch die eigenen Muskeln zu verwenden, denken wir z.B. an das Raspeln von Möhren oder das Reiben von Kartoffeln. Ich persönlich versuche in der Tat, so wenige Küchengeräte wie möglich anzuschaffen. Das Einsparen von Energie und damit klimafreundlichere Geräte wird natürlich auch vor der Küche nicht Halt machen. Ich sehe aber auch eine andere ernst zu nehmende Entwicklung, die mit großer Wahrscheinlichkeit, Veränderungen bewirken wird. Nämlich auf der Seite der Lebensmittelproduktion. Wir müssen abkommen von den riesigen Monokulturen, die ja auch für das Artensterben verantwortlich sind. Die Dürrephasen der letzten Jahre müssen einen Umdenkungsprozess auslösen. Viele Förster und Bauern haben das bereits erkannt. Beispielsweise ist Deutschland in Europa eines der roggenreichsten Länder und der Roggen wird sich möglicherweise in Zukunft zurückziehen müssen, da der Regen fehlt. Die Natur wird uns die Vorgaben geben und entsprechende Gesetze müssen vernünftige Rahmenbedingungen für die Lebensmittelproduktion schaffen. Es ist durchaus denkbar, dass bei uns demnächst viel mehr Sojabohnen oder Kichererbsen angebaut werden. Das wird auch Auswirkungen auf unsere Nahrung haben. Ich gehe davon aus, dass fleischärmere und auch fleischlosere Ernährung populärer wird und zunehmen dürfte. Und zwar nicht weil es Trend ist und in Prospekten von Discountern oder Lifestyle-Magazinen propagiert wird, sondern weil es notwendig sein wird und es sich um ein globales Phänomen handelt.
MENGEDE:InTakt! Ihre Pläne für die Zukunft Frau Röttgen? Ist vielleicht ein weiteres Buch geplant?
Monika Röttgen: (lacht) Nein das ist aktuell noch nicht geplant. Das Schreiben meines ersten Buchs hat mir wirklich großen Spaß gemacht, aber ich möchte jetzt auch erst einmal die Reaktionen abwarten und auswerten. Aber sollte ein weiteres Buch folgen, wird das mit Sicherheit wieder ein Buch sein, das die Leser zum Mitmachen auffordert. Was meine Kochkurse vor Ort betrifft, sind die durch Corona erst einmal nicht mehr möglich. Ich arbeite daher momentan mit Kollegen daran, demnächst online-Kochkurse anzubieten. Das kann natürlich nur für einen begrenzten Teilnehmerkreis stattfinden, aber Themen gibt es genug. Ich stelle mir vor, als Nächstes einiges mit der Verwendung von Wildkräutern auszuprobieren.
MENGEDE:InTakt! Frau Röttgen, vielen Dank für dieses interessante Interview.