… mit Claudia und Peter Hemels in der
Mengeder Str. 686
Junge Bürger in alten Gemäuern
Es gibt nur wenige Menschen in Mengede, die das Gebäude Mengeder Str. 686 nicht kennen. Bis zum Frühjahr 2012 gab es dort Mengedes bekannteste, älteste und zugleich gemütlichste Kneipe, den „Westfalenhof“. Im Frühjahr 2012 kauften Claudia und Peter Hemels Haus und Grund – seit Sommer 2012 wird das Gebäude einer umfassenden Sanierung und Renovierung unterzogen.
Leider – so werden viele Mengeder denken – wird am Ende dieser aufwändigen Arbeiten an dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude nicht eine neue Kneipe entstanden sein, sondern ein Wohnhaus und zwar – wenn schon, denn schon – ein Mehrgenerationenhaus. Das war und ist ein ambitioniertes Ziel, aber von der Größe und Lage des Gebäudes eignet es sich ideal für dieses Vorhaben. Dennoch: bis es so weit ist, wird noch einiges Wasser durch die Emscher fließen.
Die Idee zu diesem Vorhaben ist bei den beiden neuen Eigentümern bereits herangereift, als sie ab 1999 für rund 13 Jahre in Amsterdam gewohnt haben. Sie nahm konkrete Gestalt an, als sie sich 2010 für ein Jahr mit ihren beiden Söhnen Sil und Lasse auf eine Weltreise begaben und dabei feststellten, dass Wohnen und Leben in einer Weltstadt zwar reizvoll ist, aber nicht dauerhaft ihren gemeinsamen Vorstellungen entsprechen würde. Konkretisiert wurden diese Vorstellungen gegen Ende dieser Weltreise. Das neue Domizil sollte in NRW im Ruhrgebiet liegen, ein altes Haus, stadtnah, gleichwohl aber auch naturnah sein und die Entwicklung eines Mehrgenerationenhauses ermöglichen.
Auf die erstaunte Frage, warum jemand, der in Alkmaar geboren ist – das liegt in Nordholland in der Nähe von Bergen aan Zee – und der mit seiner Frau, die in Norddeutschland geboren ist, 13 Jahre in Amsterdam gelebt hat, ausgerechnet ins Ruhrgebiet umsiedeln will, gibt es die knappe und einleuchtende Erklärung von Claudia: „Einer meiner Großväter hatte eine Kneipe im Ruhrgebiet – in Wanne-Eickel; außerdem habe ich während meiner Studienzeit an der Ruhr-Universität Bochum das Ruhrgebiet schätzen und lieben gelernt. Dem Peter war es recht, denn durch mehrere Besuche von gemeinsamen Freunden hatte er die Vorzüge des Ruhrgebietes ebenfalls kennen gelernt. Wegen seiner Arbeit in der Stahlindustrie war es für ihn auch nicht schwierig, im Ruhrgebiet einen neuen Job zu finden.
Dass es dann der „Westfalenhof“ wurde, war reiner Zufall. Freunde hatten sie auf den anstehenden Verkauf aufmerksam gemacht. Was dann kam, lässt sich mit „Liebe auf den ersten Blick“ beschreiben, die allerdings nicht blind gemacht hat. Realistisch wurden die Risiken eingeschätzt und abgewogen; das Gutachten eines auf alte Fachwerkhäuser geeichten Spezialisten sollte das ganze Vorhaben absichern.
Der Ausgang dieses Teils ist mittlerweile gut bekannt, hatte gleichwohl Ausmaße angenommen, die offenbar nicht einkalkuliert werden konnten. Ein äußerst seltener Käfer – der 5 – 7 mm große gescheckte Nagekäfer – im Volksmund wegen der Klopfgeräusche des Käfermännchens und des vermuteten Zusammenhangs mit Sterbefällen auch „Totenuhr“ genannt, hatte ganze Arbeit geleistet.
Die befallenen Balken mussten ausgetauscht werden. Bevor die Schädigungen entdeckt wurden, rechneten die „Bauherren“ mit einem Austausch von etwa einem Kubikmeter neuer Balken, tatsächlich wurden es dann vier Kubikmeter. Das Haus musste rundherum abgestützt werden, da die Balken vor allem kurz über dem Erdboden stark befallen und komplett ausgewechselt werden mussten. Dass war dann auch der Zeitpunkt, als man sich entschloss, den gesamten vorderen Bereich um 20 cm anzuheben.
Das alles hat natürlich sämtliche Terminüberlegungen durcheinander gebracht. Inzwischen ist diese Bauphase beinahe Geschichte, denn seit drei Monaten wird der hintere Teil des Gebäudes – d. h. der Anbau – von der Familie bewohnt. Im Frühjahr dürften sämtliche Arbeiten im Erdgeschoss des Fachwerkhauses abgeschlossen sein und damit wäre auch der erste Bauabschnitt beendet. Hier soll eine behindertengerechte Mietwohnung entstehen, in die Freunde einziehen werden. Dann gibt es eine kleine von der gesamten Familie herbeigesehnte – Verschnaufpause; es hat schon an den Kräften aller gezehrt, die freie Zeit in den letzten zweieinhalb Jahren vorwiegend in das Bauprojekt stecken zu müssen.
Weiter geht es dann mit dem Innenausbau der Räume im 1. OG. Die „Bauherren“ hoffen, dass die Fachleute der Baufirmen ebenso wie die des Denkmalamtes der Stadt Dortmund ihnen auch weiterhin konstruktiv zur Seite stehen werden. Wenn alles fertig ist, soll die Idee des Mehrgenerationenhauses umgesetzt werden. Platz ist im Haus hinreichend dafür vorhanden – im Haus selbst und drum herum. Platz für offene Treffpunkte, an denen sich Angehörige verschiedener Generationen begegnen, sich austauschen und gegenseitig unterstützen können – damit wäre dann auch wieder eine Brücke zu dem alten „Westfalenhof“ geschlagen.
Woher haben die beiden den Mut und die Kraft genommen, an dem Vorhaben trotz mancher Rückschläge festzuhalten: Die bereits erwähnte „Liebe auf den ersten Blick“, förderlich für die Entscheidung für den „Westfalenhof“, hat sich zu einer dauerhaften Leidenschaft weiter entwickelt. Die allerdings gepaart ist mit einer ganz realistischen Betrachtungsweise: „Die Risiken müssen überschaubar sein; über Probleme wird erst gesprochen, wenn sie konkret gelöst werden müssen“. Eine solche Haltung schafft Freiräume, um sich neben den täglich anfallenden Aufgaben auch um die neue Umgebung zu kümmern.
Claudia de Wall und Peter Hemels empfinden sich mittlerweile als gut vernetzt in Mengede, und es freut sie, dass die Entwicklung des Bauvorhabens auf so reges Interesse stößt. An manchen Tagen könnten sie, wenn die Zeit reichte, regelrechte Führungen veranstalten. Ihnen gefällt die gute Basisversorgung im Stadtbezirk, die hervorragende verkehrsmäßige Anbindung an die Innenstadt, die beinahe dörflichen Strukturen des Stadtbezirks und die Nähe zur Natur. Besonders gern fährt Peter Hemels im Sommer abends zum Dortmund-Ems-Kanal, schwimmt dort einige Runden und entspannt sich anschließend am Kanal bei einer Flasche Bier.
Weniger gut gefallen ihnen die Leerstände, einmal die freien Wohnungen in ihrer unmittelbaren Nähe, dann aber auch die in den Ladenlokalen. Was die Geschäfte anbetrifft, so fehlt ihnen das ein oder andere „pfiffige“ Angebot. Das Cafe „Froschkönig“, das sie noch kennengelernt haben, ist etwas nach ihrem Geschmack gewesen. Für die Kinder waren die Anpassungen anfangs eine kleine Herausforderung. Mittlerweile haben die beiden (Sil, 11 Jahre und Lasse, 13 Jahre) auf der Gesamtschule in Waltrop ihren Dreh gefunden; in der Freizeit spielt Sil in Waltrop Badminton im Verein, sein Bruder Lasse spielt Handball in der C-Jugend des TV Mengede und ist sicher, dass er bald schon besser ist als sein Vater, der in jüngeren Jahren auch aktiver Handballer war. Auch darin gibt es eine Verbindung zum „Westfalenhof“: Die Mengeder Handballer hatten über lange Jahre hier ihr Vereinslokal – und dies nicht nur weil der Kneiper Bodo in seiner Jugendzeit aktiver Handballer gewesen ist.
Das Gespräch mit den neuen Eigentümern des Hauses an der Mengeder Straße – übrigens dem früheren Marktplatz von Alt-Mengede – war für eine halbe Stunde vorgesehen. Zwei Stunden hat es gedauert, und es wäre danach noch nicht zu Ende gewesen, wenn die Knaben mit ihrem Besucher Rico – zwar verschlüsselt, aber dennoch unüberhörbar – nicht zum Ausdruck gebracht hätten, dass jetzt genug gesprochen worden und zumindest eine Zwischenmahlzeit erwünscht sei. Auch wenn Claudia de Wall und Peter Hemels Wert auf die Feststellung legen, dass es zu ihrem Leben gehört, sich nicht auf die traditionelle Rollenverteilung festlegen zu lassen, fühlte sie sich für die „Fütterung der Raubtiere“ verantwortlich – was wohl auch am besten für den weiteren Verlauf des Abends war.