Erich verpasste das Wunder von Bern
Eine Kolumne von Klaus Commer
Das Schöne an dieser ganzen Corona ist ohne Zweifel, dass es wieder ein Gestern und Morgen gibt. Ein Heute ist jedenfalls weniger. Ende des Jahres haben wir immerhin erfahren, gegen welche Länder wir uns auf dem grünen Rasen durchsetzen müssen, wenn wir uns Weihnachtszeit in zwei Jahren mit dem nächsten WM-Titel beschenken wollen.
Mit der Teilnahme in Katar, das wird ja wohl klappen. Das Land hat Öl und Kohle satt. Erstes unterm heißen Wüstensand, zweites auf den Konten. Die Bestechungsgelder sind wie gewohnt abgeliefert, die Löhne der Gastarbeiter für den Bau der Arenen niedrig. Selbst wenn sie nicht fertig werden, schadet das wohl nicht: Wer weiß denn schon heute, ob überhaupt Tribünen für ein Publikum gebraucht werden? Geht doch auch ohne.
Ich denke da nicht nur an die Spannung, die erst richtig steigt, wenn vor leeren Rängen gespielt wird. Da kann unsere stolze Nationalmannschaft schon mal 0:6 gegen Spanien untergehen, oder der BVB gegen die Geißböcke von Köln, die Aufsteiger aus Stuttgart oder den Tabellenvorletzen aus Mainz. Niemand muss sich das ansehen! Der Weg nach Katar jedenfalls führt Deutschland über Rumänien, Armenien, Island, Nordmazedonien und Liechtenstein. Ob das zu schaffen ist?
Warum nicht mal ein Blick zurück? Die Helden meiner Jugend in den fünfziger Jahren waren Erich Schanko und Heini Kwiatkowski. Der Kwiat wurde sogar der erste Dortmunder Weltmeister. Obgleich der auf Schalke geborene und im Dortmunder Stadion Rote Erde kaum zu überwindende BVB-Keeper, Schlosser von Beruf, 1954 in der Schweiz nur einen Einsatz hatte: Sepp Herberger verwirrte nämlich die WM-Favoriten und -Endspielgegner, indem er in einem Vorrundenspiel gegen die Magyaren mit einer kompletten B-Mannschaft antrat, die 3:8 unterging. Armer Heini im Tor! Erst im Endspiel rettete der Düsseldorfer Toni Turek als “Fußballgott” das Berner 3:2 Wunder. Die Ungarn hatten ihren Gegner dank des geplanten deutschen Desasters im ersten Spiel weit unterschätzt.
Erich Schanko, den der BVB gleich nach dem Krieg vom SV Bövinghausen ohne jede Ablösesumme geschenkt bekam, war 1949 dabei, als der DFB erstmals die Meisterschale präsentierte. Der BVB verlor erst in der Verlängerung gegen den VfR Mannheim mit 2:3. Kein Wunder, den Erich hatte am Ende zu wenig Biss, er hatte bereits vier Zähne verloren. Der Stürmer war gelegentlich Läufer in der Nationalmannschaft, aber er “verriß” seine Bahnfahrt in die Schweiz, weil er im letzten Qualifikationsspiel gegen das Saarland einen Handelfmeter verursachte, so dass der Sieg noch wackelte. Doch blieb es beim entscheidenden 3:1. Gegen das Saarland? Erinnern wir uns, dass die Heimat von Honecker, Lafontaine, Kramp-Karrenbauer und Maas erst 1956 in die Bundesrepublik eingegliedert wurde. Eine Heimkehr wie 1990 die der DDR.
Die von Helmut Schön trainierte Saar erreichte in der WM-Vorrunde nur Platz zwei und blieb mit Norwegen am Ende der Looser. Aber Herberger nahm den Fürther Kicker Karl Mai anstelle von Erich Schanko mit ins WM-Quartier in Spiez am Thuner See. Mir war dieser Karl Mai oder May schnuppe.
Klaus Commer