Was macht eigentlich … Gabriele Goßmann

Ihr Traum: Ein Haus voller Bücher

Gabriele Goßmann – mit der wir uns in gebührendem Abstand und meist online unterhalten haben – ist den LeserInnen von MENGEDE:InTakt! bekannt wegen ihrer Buchbesprechungen. Außerdem kennt man sie aus der „Buchhandlung am Amtshaus“ zu dessen Team sie bis zum Ende des vorletzten Jahres gehörte, als sie dort eine Ausbildung als Buchhändlerin absolvierte. Vor dieser Ausbildung hat sie studiert und das Studium mit einem Masterabschluss in Germanistik und Geschichte erfolgreich beendet.
Auch wenn sie noch nicht weiß, wo die Reise hingeht, für sie ist klar, dass sie weiter in der Buchbranche tätig sein möchte. Derzeit arbeitet sie in einem Versandantiquariat und beschäftigt sich  dort vorwiegend mit alten Büchern. Auf ihrer Webseite www.auslesbar.de publiziert sie vor allem Literaturempfehlungen über Neuerscheinungen. Ende  vorletzten Jahres ist ihr lesenswertes erstes Buch erschienen, das wir auf MIT am 1.1.2020 ausführlich besprochen haben. Das Erstlingswerk Biblio Berry hat sie unter dem Pseudonym Valentina Wunderlich veröffentlicht. 

Sie arbeiten derzeit in einem Versandantiquariat.Was finden Sie gerade an dieser Arbeit so spannend? 
In einem Haus voller Bücher zu arbeiten, war schon immer mein Traum. Spannend finde ich die durchaus sehr heterogene Kundschaft: Den Großteil unserer Stammkunden macht die Karl-May-Generation aus. Oftmals bekommen wir sogar noch handgeschriebene oder mit der Schreibmaschine getippte Bestellungen zugeschickt. Auf der anderen Seite entwickelt sich aber auch immer mehr ein Markt für junge Manga-Fans, den wir mit unserem Angebot bedienen. Besonders interessant finde ich auch, angekaufte Bücherbestände auf ihren Marktwert hin zu analysieren. Die meisten Bücher sind heutzutage leider fast nichts mehr wert, aber wenn dann doch mal ein richtig wertvolles Buch, ein „altes Schätzchen“, dabei ist, ist das schon ein Glücksmoment.

Woher beziehen Sie die Bücher?
Die meisten Ankäufe stammen aus Haushaltsauflösungen. Ein angekaufter Buchbestand spiegelt die Summe eines menschlichen Lebens wider. Die Bücher, die ein Mensch über sein gesamtes Leben angesammelt hat, zeigen die Persönlichkeit des einstigen Besitzers und werden uns sozusagen als kulturelles Erbe anvertraut.

Sie beschäftigen sich nicht nur hauptberuflich mit Büchern, sondern schreiben auch selbst. Wie fühlen Sie sich als junge Frau in diesem vermutlich doch gnadenlosen Wettbewerb?Oftmals bin ich verunsichert und fühle mich auf mich allein gestellt und seitens der Verlage ignoriert angesichts der Vielzahl an Neuerscheinungen. Ich denke aber, dass dies keine genderspezifische Wahrnehmung ist, denn ich behaupte, nicht nur (jungen) Frauen ergeht es so wie mir, sondern sehr vielen Autoren.
Es ist alles andere als einfach, sich in der Buchbranche als AutorIn zu etablieren und mindestens genauso schwierig ist es, dauerhaft auf dem flüchtigen, sich ständig wandelnden Buchmarkt präsent zu bleiben. Ich betrachte das Schreiben jedoch nicht als Wettbewerb, bei dem der eine gewinnt und der andere verliert. Vielmehr sehe ich jedes qualitativ hochwertige Buch als eine kulturelle Bereicherung.

Fühlen Sie sich ermutigt weiterzuschreiben?
Wer schreibt, der kann nicht einfach damit aufhören – zumindest ich nicht. Ich fühle mich auf jeden Fall dazu ermutigt, den kreativen Prozess immer weiterzuführen, weil er aus meinem Inneren heraus entsteht. Kritik nehme ich jederzeit gerne an, doch kein Misserfolg könnte mich davon abbringen, mit dem Schreiben aufzuhören.

Corona ist ja auch für SchriftstellerInnen eine schwierige Zeit; hat sich die Pandemie auf Ihre Tätigkeit als Schriftstellerin – wenn ja, wie – ausgewirkt?
Corona hat meine schriftstellerische Tätigkeit in zweierlei Hinsicht beeinflusst: Zum einen konnte ich mehr Zeit finden, um neue Ideen zu entwickeln. Außerdem bietet die aktuelle Situation aufgrund der auf den Kopf gestellten gesellschaftlichen Normen einen Nährboden für eine neuartige Form (wenn nicht sogar für eine neue Epoche) von Literatur: umdenkend,  befreiend, impulsiv.
Zum anderen hat die Pandemie einen dicken Strich durch meine geplanten Marketingmaßnahmen gemacht. Zwar gibt es inzwischen auch diverse alternative Online-Möglichkeiten zur Vermarktung, doch die klassischen Wege (Live-Buchmesse, Lesungen etc.) entfielen. Und neue Projekte liegen derzeit in der Schublade (oder hängen in der Cloud), weil man sich wegen der ungewissen Lage noch nicht zu einer Veröffentlichung durchringen kann. Diese Situation hat mir gezeigt, dass nicht nur beim Schreiben, sondern vor allem auch bei der Vermarktung Kreativität gefordert ist. 

Ich kenne Sie als jemanden, der sich nicht leicht unterkriegen lassen wird. Worum handelt es sich bei diesen neuen Projekten?
In den letzten Monaten habe ich ein Lesetagebuch unter dem Titel „Auslesbar“ in Anlehnung an meine Webseite für Literaturempfehlungen gestaltet. Neben Ratgeberseiten bietet das Buch Platz für Rezensionen seiner persönlichen Lieblingsbücher. Lesbar sind zwar viele Bücher, doch wie viele von ihnen sind wirklich auslesbar? In diesem Buch wird man erfahren, wie man sich in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft neben Fast Food und Fast Fashion entgegen des aktuellen Lesetrends Fast Reading mithilfe des von mir entwickelten Konzepts Sleading wieder auf die ursprünglichen Werte von Büchern besinnt, wie man seinen persönlichen Nutzen daraus ziehen und seine Leseziele erreichen kann.

Was hat man sich unter dem Begriff „Sleading“ vorzustellen?
Sleading ist eine Zusammensetzung aus den Worten Slow und Reading. Hiermit ist nicht etwa das Einschlafen beim Lesen gemeint, sondern bewusstes Lesen. 

Und was ist Ihr zweites Projekt?
Das zweite Projekt ist im eigentlichen Sinne kein Projekt, da es langfristig bestehen soll.
Ich möchte in Dortmund einen gemeinnützigen Verein zur Literaturförderung gründen: den „PNIP Literaturförderung e.V“. Wofür PNIP steht und welche Ziele der Verein primär verfolgen soll, kann man auf meiner Webseite https://www.auslesbar.de/vereinsgruendung/ nachlesen.
Ich suche ab jetzt nach Gründungsmitgliedern, die mich bei diesem Vorhaben unterstützen und den Verein aktiv mitgestalten. 

Wie kann man mitmachen?
Wer genauso literaturverrückt ist wie ich und Interesse daran hat, einen Verein von null auf mit mir aufzuziehen, der kann mir sehr gerne eine E-Mail an valentina.wunderlich@magenta.de schicken. Die weitere Planung wird sich dann ergeben. Ich freue mich schon jetzt!

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MENGEDE:InTakt! hat Gabriele Goßmann gebeten, den (aktualisierten) Fragebogen von Marcel Proust* auszufüllen.

Ihr Motto/Leitspruch?
Einfach immer weitermachen und seine Ziele nie aus den Augen verlieren
Ihr Hauptcharakterzug?
Diplomatisch 
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Rhetorik beherrschen können
Was verabscheuen Sie am meisten?
Ignoranz 
Ihr Interesse an Politik?
Hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, seitdem ich weiß, wofür ich mich einsetzen möchte
Glauben Sie Gott sei eine Erfindung des Menschen?
Ja, aber das soll jeder mit sich selbst ausmachen
Welche Reform/Erfindung bewundern Sie am meisten?
Die Erfindung des Buchdrucks und die damit einhergehende Alphabetisierung
Mit wem möchten Sie an einer Hotelbar ein Glas Wein trinken und dabei worüber reden?
Mit Goethe über „Dichtung und Wahrheit“
3 Dinge, die Sie mit auf eine einsame Insel nehmen würden?
Notizbuch, Stift und Ersatzstift
Sommer oder Winter?
Im Sommer die Vorfreude auf den Winter und im Winter auf den Sommer
Ihre Hobbies?
lesen, schreiben, tanzen
Film oder Buch?
Buch (und Buchverfilmung) 
Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?
„Das schweigende Klassenzimmer“
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Vereine gründen und führen für dummies“
Ihre Lieblingsmusik?
Electro, House
Ihre Lieblingsblume?
Lilie 
Ihr Lieblingstier?
Meerschweinchen 
Essen & Trinken hält Leib und Seele zusammen – auch bei Ihnen? Wenn ja, was ist es?
Ja, auf jeden Fall – Schokolade! 
 * Der Fragebogen von Marcel Proust
Was denken und fühlen bekannte Zeitgenossen? Diese Fragen faszinierten die Menschen schon immer. Vorbild für diese Fragen ist der wohl bekannteste Fragebogen, der den Namen des französischen Schriftstellers Marcel Proust (1871-1922) trägt. Dieser hat ihn aber nicht entworfen, sondern nur ausgefüllt, das heisst, genau genommen sogar zweimal: Einmal als 13-jähriger auf einer Geburtstagsparty. Dann im Alter von etwa 20 Jahren einen ähnlichen Fragebogen, dem er selber den Titel «Marcel Proust par lui-même» («Marcel Proust über sich selbst») gab. Berühmt wurden die Fragen durch Publikationen z. B. in der FAZ.MENGEDE:InTakt! hat den Fragebogen etwas aktualisiert.
Hinweis:
Zur Vergrößerung der Fotos diese bitte anklicken!
Die Portrait-Fotos mit den Büchern und mit Gabriele Goßmann stammen vom Studioline Photography in der Thiergalerie, Fotografin: Ramona;  die anderen beiden Fotos (Schildkröte und Free the Words) sind privat.