Buchempfehlung: Es dürfte bald sehr ungemütlich werden

Nick Reimer / Toralf Staud : Deutschland 250 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird

Mario Lars Bücher

Über die Autoren:

Nick Reimer:
Nick Reimer, geboren 1966, studierte Energieverfahrenstechnik, volontierte bei der Berliner Zeitung und war 2000 bis 2011 Wirtschaftsredakteur bei der taz. Seitdem schreibt er u.a. für Zeit online über Klima- und Umweltthemen. Für den Blog Klima-Lügendetektor.de erhielt er 2012 den Otto-Brenner-Preis. Seit 2014 hat er einen Lehrauftrag für Nachhaltigkeit und Journalismus an der Universität Lüneburg. 

Toralf Staud:
Toralf Staud, geboren 1972, studierte Journalismus und Philosophie in Leipzig und Edinburgh. Von 1998 bis 2005 war er Politikredakteur der Zeit. Seit 2005 ist er freier Journalist und Autor. Im Jahr 2007 erschien von ihm und Nick Reimer das Buch »Wir Klimaretter. So ist die Wende noch zu schaffen«, seit 2011 arbeitet er für das Wissenschaftsportal klimafakten.de, 2016 war er einer der Preisträger des Deutschen Reporterpreises. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der extremen Rechten in Deutschland sowie Themen rund um den Klimawandel.

Klappentext:
Spätestens die Hitzesommer 2018 und 2019 sowie die auch 2020 anhaltende Trockenheit haben es deutlich gemacht: Der menschengemachte Klimawandel ist keine Bedrohung für die ferne Zukunft ferner Länder, der Klimawandel findet statt – hier und jetzt. Doch welche konkreten Auswirkungen wird er auf unser aller Leben in Deutschland haben? Selbst wenn es Deutschland und der Welt gelingen sollte, den Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten Jahrzehnten drastisch zu reduzieren – bereits jetzt steht fest: Das Klima in Deutschland verändert sich. Im Jahr 2050 wird es bei uns im Durchschnitt mindestens zwei Grad Celsius wärmer sein. Was sind die praktischen Konsequenzen dieses Temperaturanstiegs? Wie wird unser Leben in Deutschland in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts konkret aussehen, wenn es immer heißer, trockener und stürmischer wird? Welche Anpassungen werden nötig und möglich sein? In ihrem neuen Buch geben die Autoren Nick Reimer und Toralf Staud konkrete Antworten auf die Frage, wie der Klimawandel uns in Deutschland treffen wird. Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse aus zahlreichen Forschungsfeldern schildern sie, wie wir in dreißig Jahren arbeiten, essen, wirtschaften und Urlaub machen. Welche neuen Krankheiten uns zu schaffen machen. Wie sich unsere Landschaft, unsere Wälder, unsere Städte verändern. Entstanden ist eine aufrüttelnde Zeitreise in die Zukunft: Selbst wenn wir den Klimawandel noch bremsen können, wird sich unser Land tiefgreifend verändern. Ohne verstärkten Klimaschutz jedoch wird Deutschland 2050 nicht wiederzuerkennen sein.

Inhalt:
Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird ist das Ergebnis von Analysen aktueller Studien zu verschiedenen Klimamodellen und deren Auswirkungen, dazu die Ergebnisse von Interviews mit verschiedenen Fachleuten des Deutschen Wetterdienstes und anderen einschlägigen Organisationen. Aus Sicht der Experten ist sicher: Der Klimawandel ist keine Bedrohung für eine ferne Zukunft, sondern die auch bei uns und bereits jetzt stattfindet.
Auf der Grundlage der aktuellen Forschungsergebnisse beschreiben die Autoren – detailliert mit über 300 Quellen belegt – welche Veränderungen uns erwarten könnten, z. B. in den Bereichen Natur, Wasser, Städte, Verkehr, Wirtschaft, Energie, Sicherheit; insgesamt in 13 Kapiteln.
In diesen Kapiteln werden die vielfältigen Probleme aufgezeigt, die uns erwarten. Es werden keine Lösungen präsentiert – dies ist auch nicht zu erwarten, aber die zahlreichen Informationen und unterschiedlichen Blickwinkel werden für die LeserInnen plausibel aufbereitet und und machen dadurch das Buch besonders lesenswert.

Das Jahr 2050 ist für die meisten Menschen im Land ein Datum, das vorstellbar ist, vor allem für diejenigen, die sich an die Zeit vor 30 Jahren erinnern können: Helmut Kohl war Bundeskanzler und versprach den Menschen in den neuen Bundesländern blühende Landschaften und die Bundesrepublik rief das erste Klimaziel aus. Man ist geneigt zu sagen, dass ist alles noch nicht so lange her. Knapp weitere dreißig Jahre ist es noch bis 2050, und dieser Zeitraum kommt den meisten heute Lebenden ausgesprochen lang vor. Die heute 25-Jährigen sind dann 55 Jahre alt und die heute 55-Jährigen sind dann 85 Jahre alt – alles noch unvorstellbar lange hin, ist man versucht zu denken.
Die heute 80-Jährigen werden das Jahr 2050 nicht mehr erleben. Sie werden, wenn es gut läuft, allenfalls 100 Jahre alt. Für sie wäre es interessant, im Jahr 2030, d.h. in neun Jahren eine Art Zwischenfazit zu ziehen und dabei festzustellen, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang die heutige Gesellschaft tatsächlich auf den Klimawandel reagiert hat.

Das letzte Kapitel – quasi den Abschluss des Buches – bildet ein hochinteressantes Interview mit dem Soziologen Prof. Ortwin Renn. Renn forscht seit vielen Jahren in Potsdam am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung über den Umgang moderner Gesellschaften mit Risiken. Sein Institut ist die erste Adresse, wenn es um den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaften zu mehr ökologischer Verträglichkeit geht. Konkret wird in diesem Gespräch u.a. diskutiert: Wieso reagieren Politik und Gesellschaft so zögerlich auf die Erderhitzung? Kann die Demokratie das Klimaproblem lösen? Wie sollten sich Politik und Gesellschaft auf den eskalierenden Klimawandel vorbereiten?
Zumindest auf diese Fragen dürften wir im vorstehend willkürlich gewählten Jahr 2030 Jahr Anworten vorliegen haben. Die Zeit drängt, wie die Ereignisse der letzten Tage in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und in Bayern deutlich gemacht haben: Die Klimakrise findet bereits sicht- und spürbar und vor unserer Haustür statt. Die Politik wird mit ihren bisherigen Sprüchen keine Mehrheiten mehr finden, denn es wird nicht reichen, Klimaziele für 2040 oder 2050 festzulegen und dabei nicht zu sagen, durch welche Maßnahmen diese Ziele konkret erreicht werden können. Betroffenheit zu zeigen wird zu wenig sein. Das richtet sich an die politischen Akteure, die sich jetzt als Klimaretter produzieren, die in der Vergangenheit aber klimapolitsche Fortschritte immer wieder ausgebremst haben.

Fotos der Autoren: © Joachim Gern