Im Rückspiegel: Alte Erbhöfe von Recht und Gesetz – Eine Kolumne von Klaus Commer

Spiegel der Sachsen

Im Rückspiegel: Alte Erbhöfe von Recht und Gesetz

Klaus Commer*

Heraus aus dem Homeoffice, hinein in den Urlaub! Für viele Zeitgenossen ist nach langer Vorbeugung gegen Infekte jetzt die Zeit erfrischender Nachsorge angebrochen. Endlich finden wir Zeit in den Schätzen zu graben, die wir beim monatelangen Abstand von der Firma in den Tiefen des eigenen PCs oder in alten Zeitschriften auf dem Dachboden entdeckt haben.
Was kleinliches Streiten und Richten betrifft, glaubte ich bisher, schon mit Hinweisen áuf das Preußische Landrecht von 1794 oder den Code Civil des Monsieur Napoleon von 1804 als Schlaumeier auftreten zu können. Bis ich jetzt auf die mittelalterliche Handschrift “DER SPEGEL DER SASSEN” stieß.

Eike von Repgow hat etwa 1220 – vor achthundert Jahren – angefangen, Grundsätze des Gewohnheitsrechts im deutschen Mittelalter in seinen “Sachsenspiegel” festzuhalten, sortiert nach dem Lehensrecht und dem Landrecht. In Letzterem ging es zwar auch um die Konflikte zwischen weltlicher und göttlicher Ordnung, Kaiser und Papst, aber doch sehr detailliert hinein in die Straßenverkehrsordnung: Welches Pferdefuhrwerk musste bei Gegenverkehr in einer zu engen Gasse zurücksetzen.

Bedeutender noch sind die Abschnitte zum Nachbarschaftsrecht, wo Friedensrichter und Schiedsleute noch heute ihr Heimspiel haben. Da findet sich zum Beispiel die kluge Regel, dass ein trennender Zaun nur in leibhaftiger Anwesenheit des Nachbarn gesetzt werden durfte.
Der Dresdner Sachsenspiegel von 1350, aufwendig gestaltet für Friedrich den Strengen von Meißen, gilt bis heute als wertvollste Ausgabe, ausgestattet mit Bildern von 4.000 Personen aller Schichten und Stände, mit ihrem Haus und Hof, Vieh oder Fiffi, Hab oder Habenicht. Schon damals wuchsen Früchte über Grundstücksgrenzen. Und Umweltschutz wird im Ansatz erkennbar, wo für stille Örtchen oder Misthaufen auf gebührenden Abstand Wert gelegt wird. Zur Schulung des Rechtsempfindens lesenswert.

Vor unbedachter Nutzanwendung in heutigen Verfahren empfiehlt sich gleichwohl ein Blick in aktuelle Gesetze und Verordnungen.

*Klaus Commer hat kath. Theologie studiert, danach aber lange Zeit als Pressesprecher der damaligen Pädagogischen Hochschule Ruhr gearbeitet, später nach der Fusion der PH Ruhr mit der Uni Dortmund in gleicher Funktion an der Universität Dortmund. Er hat sich damals als Sprachrohr aller Gruppen der Hochschule verstanden, sehr zum Ärger einiger konservativer Hochschullehrer. Denn er war politisch links orientiert und wäre gerne praktizierender Kommunist gewesen – nicht einer Marke Stalin oder Ulbricht, sondern eher der Marke Fidel Castro.
Trotz seines fast biblischen Alters trägt er immer einen Sack voller Ideen mit sich herum und kann sie, wenn es gut läuft, in exzellente Texte und Taten umsetzen.
Den LeserInnen von MENGEDE:InTakt! ist er im letzten Jahr durch die Kolumne bekannt geworden: „Die Zahl des Monats“ (K.N.)
Fotos: Archiv MIT