„Sein und Schein – in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege“

„Sein und Schein“  –  Motto des Tags des offenen Denkmals am 12.9.2021

Sein und Schein – in einer Welt, in der viel von Fake-News die Rede ist, wird mancher bei diesem Motto vielleicht seufzen. Die Objekte, die die Denkmalbehörde Dortmund am Tag des offenen Denkmals vorstellen wird, erlauben aber einen spannenden Blick hinter die Kulissen. Ob es dabei um die Verschleierung von Tatsachen oder um die Schaffung positiver Illusionen geht, ist nicht immer eindeutig. Manchmal liegt dies im Auge des Betrachters. Beispielhaft sollen einige der über 50 zu besichtigenden Objekte die Variationsbreite des Themas aufzeigen.

Aus einem Guss?
Wie aus einem Guss wirkt das in Renaissance-Formen errichtete Schloss Bodelschwingh mit seinen drei repräsentativen hohen Schweifgiebeln und den flankierenden Ecktürmen. Nur genaues betrachten der Giebelfassaden lässt von außen den mittelalterlichen Kern erahnen. Der im 19. Jahrhundert gestaltete Schlosspark scheint sich weit in Richtung des Dorfes Bodelschwingh auszudehnen. Eine durchdachte Auswahl von Gehölzen verschiedenster Art, Größen, Formen und Farben entzieht nicht nur die an das Schlossterrain herangerückte dörfliche Bebauung den Blicken, sondern bewirkt – anders als beispielsweise eine Heckenwand – den Eindruck eines unbegrenzten Übergangs in die Landschaft.
Arbeiten im Schloss?
Zeche oder Schloss lautet die Frage in Bövinghausen. Schlossartige Fassaden verbergen die Gebäude der Zeche Zollern II/IV. Das Jugendstilportal des Maschinenhauses hat es sogar auf eine Briefmarke der alten Bundesrepublik geschafft. War das Arbeiten dort deshalb leichter oder schöner? Nein, lautete die Antwort eines Bergmanns in den 1960er Jahren. „Maloche ist Maloche. Ob wir durch die schönen Eingangstore gehen oder durch einfache Türen – die Arbeit ist immer die gleiche, staubig und schwer.“ Auch hinter den repräsentativen Fassaden mit historistischen oder Jugendstilornamenten in der Nordstadt gab es eine andere Wirklichkeit. In der Regel bestanden die für Arbeiter gedachten Wohnungen hier nur aus einem Zimmer mit Wohnküche und Gemeinschaftstoilette auf halber Treppe.
Gewachsene Stadt?
Ganz anders stellen sich die Wohnverhältnisse in der Gartenstadt dar. Hier entstanden ab 1910 in schönen Gärten Einfamilienhäuser vor allem für Angehörige des Mittelstands, die sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen hatten. Mit geschwungenen Straßenzügen, unterschiedlicher Wegepflasterung, vor- und zurückgesetzten Straßenfluchten, variationsreich gestalteten Gebäuden mit individuellen Details wirkt die Gartenstadt wie eine organisch gewachsene Siedlung. Grundlage waren aber Planungen bis ins kleinste Detail. Sogar die weiße Farbe der Gartentore in der obligatorischen Hecke und die Bepflanzung der Vorgärten (keine Nadelgehölze!) waren per Satzung festgelegt.
Baurecht
Wer das in den verspielten Formen und Farben der Fünfziger Jahre gestaltete Fritz-Henßler-Haus des Architekten Fido Spröde kennt, wird sich über sein in denselben Jahren gebautes Eigenheim in der Nähe der Bolmke wundern. Als konventionelles Siedlungshaus mit Satteldach und schlichter Straßenfassade unterscheidet es sich kaum von den benachbarten Gebäuden – eine Vorgabe des damaligen Baurechts. Umso überraschender ist das Innere: Die geschwungene Treppe ins Obergeschoss und die großzügigen Öffnungen zum Garten tragen Sprödes Handschrift ebenso wie der luftige Balkon vor dem Schlafzimmer.
Vom farbigen zum goldenen Wunder
Miterleben können angemeldete Besucher*innen am Tag des offenen Denkmals die Öffnung eines verborgenen Schatzes. Dann wird in der Petrikirche die Schauseite des Hochaltars mit über 600 vergoldeten Figuren geöffnet, die sich zurzeit noch hinter der Gemäldeseite mit dem Bilderzyklus der Urmütter Jesu verbirgt. Wie die anderen Innenstadtkirchen ist auch die Petrikirche nicht mehr die mittelalterliche Kirche, als die sie erscheint. Durch die Zerstörungen im 2. Weltkrieg stammt nur noch ein Teil der Bausubstanz aus dem Mittelalter. In ihrer heutigen Gestalt sind die Innenstadtkirchen auch Denkmäler des Wiederaufbaus, der zum Teil zu Vereinfachungen oder neuen Elementen wie veränderten Turmhelmen führte.
Sehgewohnheiten
Wer die Fotografie-Serien von Wassertürmen von Hilla und Bernd Becher kennt, weiß, dass Wasserreservoirs häufig hinter Architekturen versteckt sind. So ist es auch beim ehemaligen Wasserturm des Südbahnhofs. In Dortmund ältestem Hochhaus „versteckt“ sich der Wasserbehälter in den obersten Etagen des Gebäudes. Weniger häufig sind Funktion und Form der Wasserspeicher  direkt sichtbar wie beim sogenannten Lanstroper Ei. Gerade dies lässt aber häufig auswärtige Besucher*innen fragen: „Was ist das denn für ein komisches Ding?“ Nicht nur der Schein kann trügen, sondern auch die Sehgewohnheit…

Das alles und noch viel anderes – vom künstlerisch gestalteten Fallrohr in einer Kirche bis zu archäologischen Scherbenfunden – lässt sich am 12. September 2021 entdecken. Wegen möglicher Änderungen aufgrund der Corona-Pandemie und Anmeldeformalitäten sollte man sich auf der Internetseite denkmaltag.dortmund.de informieren. Dort findet man zudem auch digitale Angebote.

Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund: Fotos: Holtkötter, DKM. Zur Vergrößerung der Fotos diese bitte anklicken!