Pushbacks & Weizen
Von Peter Grohmann
Annalena Bärbock findet das mit den Pushbacks total Scheiße, das hat sie auch den Griechen und den Türken, ja der ganzen Welt gesagt. Sie war, kurz gesagt, schockiert. Was ein Normalo wie ich aus den Abendnachrichten kennt, war ihr irgendwie neu. Etwa, dass auf dem Balkan Flüchtlinge mit Elektroschockern wie Vieh zurückgetrieben werden, wenn sie die Außengrenzen der EU übertreten möchten.
Kotte & Zeller bietet dazu den gern genutzten Elektroschocker ‚Power‘ (mit PTB-Prüfzeichen) für aktuell 99,98 € incl. MwSt. an – „Schützen Sie sich mit dem Elektroschocker Power Max 500.000 Volt vor Belästigung, Überfall, Vergewaltigung …“ Letztlich kann sich den Schocker auch eine Hartz-IV-Empfängerin leisten, wenn’s das nächste Mal Bürgergeld gibt.
Deshalb war ja auch Annalena Bärbock bei ihrem Ägäis-Trip derart konsterniert – woher sollte sie denn wissen, dass da auch die Unseren mit von der Partie sind, wenn’s um’s Abstoßen geht. Also: Beim Abstoßen benutzen Sie eine etwa 2-3 Meter lange Leichtmetallstange, mit der Sie die Flüchtlingsboote (auch Schlepperboote genannt) vom rettenden Seenot-Rettungsboot der Küstenwache oder der Frontex zurück ins tiefe Wasser stoßen, Richtung Heimat.
Die von uns finanzierte libysche Seenotrettung macht das anders: Sie jagt die Boote aus internationalen Gewässern zurück zur libyschen Küste. Die Flüchtlinge, Kinder, Frauen, Kranke, Alte, egal – alle gleichberechtigt! – werden dort eingesperrt, gefoltert, erpresst, vergewaltigt. Nein, natürlich nicht alle. Hin und wieder gelangen kleine Filme mit zu leisen Hilfeschreien aus den Lagern…
Die Menschen, die da unterwegs sind, glauben an Brot für die Welt, an das Wunder des Weizens, den Sponti-Spruch „Es ist genug für alle da“ und die schönen Bilder vom schönen Leben bei uns. Sie wissen, dass man 13 Kilo Getreide füttern muss, um 1 Kilo Rindfleisch zu erhalten und denken, dass da doch das eine oder andere Kilo für sie dabei sein könnte. 60 % des Getreides kommen in den Trog, als Tierfutter, 20 % auf deinen Teller, aber nicht auf ihren, 10 % in den Tank und 10 % für allerhand Tinnef.
Das erste Schiff mit Weizen hat Odessa verlassen. Ob es ankommt oder untergeht, ist offen. In den USA werden 60 Millionen Tonnen Weizen pro Jahr produziert, jedoch 4,4 Milliarden Tonnen Weizen an der Börse gehandelt, Der spekulative Finanzhandel mit Weizen, Mais und Soja blüht. Klar, auch deutsche Versicherungen und Banken mischen kräftig mit, sie investieren Milliarden für ihre Anleger. Daher sind steigende Getreidepreise gewissermaßen erwünscht, weil sie die Renditen erhöhen. Damit die Renditen stimmen, landen pro Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschlands Tonnen. Das ist ungefähr ein Drittel des aktuellen Verbrauchs. „Das Mitnehmen von Lebensmitteln aus Tonnen ist nach § 123 Abs. 1 StGB (Hausfriedensbruch) und nach § 242 StGB (Diebstahl) und ggf. nach § 243 StGB (schwerer Diebstahl) verboten. Auch das unbefugte Übertreten von Grenzen.
Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de