MKK-Objekt des Monats ist das Ölgemälde von Jakob Philipp Hackert (1737 – 1807)
„Blick auf den Sibyllentempel und die große Kaskade in Tivoli, 1779“
Große Wasserfälle kommen in der Natur nur selten vor und sind besonders durch die Dramatik, die von den Wassermassen ausgeht, ein beliebtes Bildmotiv in Landschaftsbildern. Seit dem 16. Jahrhundert gab es kaum Wasserfälle, die Künstler*innen mehr angezogen haben und häufiger gemalt wurden als die Wasserfälle von Tivoli nahe Rom. Tivoli – mit seinen Tempeln und Parkanlagen der römischen Antike und der romantischen Lage am Hang war nicht nur für die Künstler*innen ein beliebtes Ausflugsziel.
Der hoch über dem Tal erbaute Sibyllentempel, soll zurückgehen auf die Tiburtinische Sibylle, wobei der Beiname auf Tibur (heute Tivoli) hindeutet. Laut der Legenda aurea konnte sie dem Kaiser Augustus die Geburt Christi als Erscheinung am Himmel ankündigen.
Jacob Philipp Hackert bestätigt im unteren Bildrand auf einem Stein, der sich vor dem tosenden Wasser befindet, dass es sich um die Kaskade bei Tivoli handelt. Dort steht in italienischer Schrift geschrieben „La grande Cascade a Tivoli avec le Temple de la Sibille“.
Hackert zeigt nur den oberen Teil des Wasserfalls. Durch seinen gewählten Standort bleibt die Stadt im Verborgenen. Die Wassermassen sind dem Betrachtenden nah. Wirkungsvoll stürzt das Wasser hinab, vorbei an kantigen Gesteinsformationen. Links oberhalb des Wasserfalls thront über der Bergkuppe der Sibyllentempel. Auf der Terrasse des Tempels ist eine Person dargestellt, die einer Gruppe, unterstützt durch Gesten, die antike Anlage erklärt. Das Publikum ist mehr oder minder interessiert. Es scheint, als fasziniere einen Teil der Gruppe der gewaltige Wasserfall mehr als die Führung durch die Tempelanlage. Die abgebildeten Touristen, zu der Zeit meist wohlhabende Reisende, kennzeichnen den Ort als Ausflugsziel. Die umliegende friedliche Landschaft steht im starken Kontrast zu den tosenden Wassermassen. Der Wasserfall hatte die Stadt Tivoli immer wieder durch Überschwemmungen bedroht, bis 1835 schließlich durch den Bau eines Tunnels die Gefahr gebannt werden konnte.
Der Künstler fertigte noch ein weiteres Bild (1789) dieser Szenerie an, das sich bis auf zwei Merkmale kaum von diesem Werk unterscheidet. Das Gemälde, das sich in der Galleria nazionale di arte antica in Rom befindet, zeigt einen breiteren Wasserfall und anstatt des berühmten Sibyllentempels mit seiner Aussichtsterrasse wurden an seiner Stelle schmucklose Häuser dargestellt. Der Tempel befindet sich in Wirklichkeit nicht auf der linken Seite des Wasserfalls, sondern steht auf der rechten Seite. Solche Montagen waren sehr beliebt und werden Capricci genannt.
Die Zusammenstellung des Motivs ist als eine Verbesserung der Wirklichkeit angedacht, entstanden ist eine Zwischenform, die von akkuraten Einzelheiten lebt, die in der Zusammenstellung jedoch der Fantasie des Malers folgen.
Die italienische Landschaft verkörperte für die Künstler*innen bereits ein Kunstwerk: „Himmel und Erde und Meer sind hier schöner; die Formen der leblosen und belebten Natur sind edler und gefälliger; der Pflanzenwuchs üppiger, die Farben lebhafter, die Töne wärmer und harmonischer, Bauart und Tracht geschmackvoller und malerischer als in anderen, besonders nördlichen, Ländern.“ (Carl Ludwig Fernow, Römische Studien 1-3)
Daher schöpfte Hackert aus der schönen italienischen Natur und betonte durch Änderungen von Standorten und Blickrichtungen den Charakter, den die Landschaft und die Örtlichkeiten ausmachten.
Das Objekt des Monats Oktober im MKK hat Ann-Kathrin Mäker ausgesucht.
Jacob Philipp Hackerts (geb. 1737 in Prenzlau, gest. 1807 in S. Piero di Careggi bei Florenz) künstlerische Ausbildung begann in der Werkstatt seines Vaters Philipp Hackert († 1786). Ab 1758 besuchte er die Akademie der Bildenden Künste in Berlin. Nach Reisen nach Stralsund, Stockholm, Paris und der Normandie ging er im Dezember 1768 gemeinsam mit seinem Bruder Johann Gottlieb nach Rom. Wenige Monate später ist er nach Tivoli gezogen, um dort ausgiebige Studien in der Natur zu machen. Hackert avanciert in Rom zum europaweit gefragten, einflussreichen Maler, Zeichner und Radierer italienischer Landschaften. Er erhielt Aufträge des europäischen Adels und wurde 1786 Hofmaler König Ferdinand IV. von Neapel. Dort lernte Hackert Johann Wolfgang von Goethe kennen, mit dem er einige Zeit gemeinsam in Tivoli verbrachte und welcher 1811 Hackerts Biografie publizierte.
Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund; zur Vergrößerung des Fotos dieses bitte anklicken!