Doreen Cunningham: Der Gesang in den Meeren
Die studierte Umweltingenieurin Cunningham hat in London als Journalistin für Umweltthemen Karriere gemacht und dabei eine längere Zeit mit den Iñupiat, einer Walfängergemeinschaft im Norden Alaskas, zusammengelebt, als der erbitterte Sorgerechtsstreit um ihren zweijährigen Sohn Max sie so aus der Bahn wirft, dass sie mit ihm in ihre Heimat Jersey zieht. Pleite, total ausgelaugt und einsam sucht sie Zuflucht in einem Heim für obdachlose Mütter.
An diesem Tiefpunkt ihres Lebens fasst sie den Beschluss, einen alten Traum zu verwirklichen und den weltweiten Wegen der Grauwale, der längsten Säugetierwanderung der Welt, zu folgen und sie als Journalistin zu dokumentieren.
Die Reise der Mutter mit ihrem Sohn, per Flugzeug, Bahn, Bus und Boot, von Kalifornien bis in die Arktis zeigt nicht nur die Härten der unwirtlichsten Landschaften der Erde, sondern oftmals auch totales Unverständnis und Ablehnung seitens vieler Menschen. Die Großartigkeit der Begegnungen zwischen Walmüttern mit ihren Kälbern und der Menschenmutter mit ihrem Kind beeindruckt. Die offensichtlichen Parallelen im Leben beider Spezies, das Steuern durch vielerlei Gefahren und Unwägbarkeiten, das Überleben in einer feindseligen Umwelt, was den Walen nur durch eine Art ‚weibliche Freundschaft und Solidarität‘ gelingt, lassen das Buch zwischen Naturwissenschaft und Erlebnisbericht changieren, das Trennende zwischen uns und unseren entfernten Säugetierverwandten verschwimmen. Inspiriert von den Mythen der Inuit folgt Cunningham einem eigenen Narrativ über deren Leben und Verhalten. Ihre eigene große Reise führt sie schließlich zurück zu den Menschen, in ein unterstützendes weibliches Netzwerk analog dem der Wale, wodurch sie ihren Einsatz für Klima- und Umweltschutz fortsetzen kann.