Fredrik Backman: Die Gewinner
Zwei kleine Orte im nirgendwo der schwedischen Wälder sind verbunden durch den Kampf gegen Isolation und die eisige Winterkälte des hohen Nordens. Niemand kann hier allein überleben, nur die Gemeinschaft zählt. Björnstadt und Hed stehen aber auch in einem wachsenden Rivalitätsverhältnis zueinander, das grenzenlos und zerstörerisch ist. Stets geht es um das Überleben als Stadt, eben auch darum, ökonomisch die Oberhand zu haben. Dies manifestiert sich im Wettkampf der lokalen Eishockeyclubs. Sie sind das gesellschaftliche Zentrum, der Identifikationspunkt der Orte.
Vor zwei Jahren hat eine Gewalttat das Leben von Björnstadt zerrissen. Jeder der Einwohner kannte Täter und Opfer, jeder versuchte, das vertraute Leben fortzusetzen. Die grundlegenden Fragen, was bedeutet Familie, was macht Gemeinschaft aus, was sind wir bereit zu opfern, um diese zu schützen, treiben seitdem die Menschen um.
Doch jetzt verschieben sich die Gewichte. Jemand wird nach Hause zurückkehren, um die Schuldigen bezahlen zu lassen, jemand wird beerdigt, jemand ist bereit, alles zu tun, um seine Kinder zu schützen, jemand geht mit einem Gewehr zur Eisbahn. Und ein großer Sturm zieht auf.
In der Geschichte dieser Stadt „mit Trauer im Herzen und Gewalt in der Luft“ sind nicht die Handlungsstränge das Entscheidende, auch wenn große Themen angesprochen werden wie erste Liebe, Freundschaft, Rache und Vergeben, Mut und Feigheit, Politik und Korruption, wichtig sind die Charaktere. Wie unter dem Mikroskop entfaltet Backman in seiner multiperspektivischen Erzählweise ihre Motive, ihre Hoffnungen und Ängste. Jede Figur wird in ihrem Fühlen und Handeln verständlich, es gibt keinen Unterschied zwischen Gut und Böse. Nur in einem Fall bezieht er eindeutig Stellung und urteilt. Zum Glück.
Geringfügig scheinende Entscheidungen lösen Kettenreaktionen aus, die in der Art des Schmetterlingseffekts katastrophale Folgen haben. Die stets wachsende Spannung, das Gefühl auf einem Pulverfass zu sitzen teilt man mit den Menschen des Romans, die voller Leidenschaft sind, sowohl in der Liebe wie im Hass.
Backmans knappe, klare Prosa ist effizient und rasiermesserscharf. In wenigen Sätzen werden komplexe Situationen und Motivgemenge deutlich und packende Spannungsbögen gebaut. Dass es sich um den dritten Band einer Trilogie handelt, ist kein Problem. Auf seinen 951 Seiten werden wir gut in Geschehen und Schicksale eingeführt. Trotzdem natürlich auch klare Leseempfehlung für die Bände „Björnstadt“ (gerade als TB herausgekommen) und „Wir gegen euch“.