Früher war mehr Lametta!“ Opa Hoppenstedt – bei Loriot – wusste, worauf es ankam. Da spielte die Form oder die Art des Weihnachtsbaums nur eine untergeordnete Rolle. Ob er gerade oder krumm, dicht oder spindeldünn, rund oder schlank gewachsen war, war unwichtig.
Das silbrige Sauerkraut deckte großzügig seine Schwächen ab. Vorzugsweise kamen ohnehin nur die Bäumchen auf den Markt, die beim Auslichten der Fichten-Schonungen im Wege standen.
Wenn er dann im vollen Ornat und im Kerzenlicht am Heiligabend zur Bescherung die gute Stube schmückte, waren alle zufrieden. Spätestens jedoch, wenn die Geschenke ausgepackt, die Stille Nacht gesungen, der Weihnachtsbraten verspeist und der erste Verdauungsschnaps verkostet wurde, kam eine erste Kritik auf: „Wer hat denn in diesem Jahr den Christbaum ausgesucht? So was Krummes hatten wir ja noch nie!“ (Meist natürlich von jenen am Tisch, die sich zuvor am wenigsten um die Vorbereitung gekümmert hatten).
Beschlossen und verkündet: Im nächsten Jahr macht´s ein anderer.
365 Tage später. Ich hatte es vollkommen vergessen, dass ich an der Reihe war. Der frühe Nachmittag des Heiligabends war angebrochen und junge Väter machten sich auf, die aufgeregten Kleinen mit einem Spaziergang abzulenken. Für jeden ein Geschenk, na klar, man hatte lange genug geforscht, womit man seinen Lieben eine Freude machen könnte. Dann aber ganz plötzlich der Panik verursachende Gedanke: „Wir haben noch gar keinen Baum!“
Die nun beginnende Weihnachtsbaum-Rallye hatte es in sich. Leichtes Schneetreiben hatte eingesetzt, die mir bekannten Stellen, an denen wochenlang Christbäume gestapelt auf ihre Käufer warteten, waren abgeräumt oder bereits verschlossen.
Nach hektischer Suche aber doch noch ein Lichtblick. Eine Gärtnerei warb mit einem wohlgeformten Muster-Tannenbaum, der hoch vor dem bereits geschlossenen Geschäft platziert war. Mit viel Überredungskunst schaffte ich es, den Gärtnermeister, der auch schon dabei war, sich in seiner Wohnung auf den Heiligabend vorzubereiten, herauszulocken.
Für mich dann gleich aber die erste Enttäuschung: Drei kümmerliche, winzige, völlig verwachsene und schon ihre Nadeln verlierende Pflänzchen waren alles, was er mir anbieten konnte. Was wollte ich machen? Ich suchte mir eins von den Grün-Gerippen aus, malte mir schon die abendliche Diskussion aus, die mich als völligen Versager deklassieren würde und fragte, was ich bezahlen müsse.
Und gleich der nächste Schock: Nichts von christlicher Nächstenliebe! Der Preis, den er forderte und über den er nicht bereit war, zu handeln, hätte gereicht, einen zwei Meter hohen Baum aus Edeltanne (zu damaliger Zeit noch eine echte Rarität) zu erwerben. Notgedrungen akzeptierte ich seinen Wucherpreis und das Grinsen des Schacherers begleitete mich bis zum Hofeingang.
Dann aber eine Blitzidee, die mir doch noch den Heiligenabend rettete und mir als besten Weihnachtsbaumeinkäufer aller Zeiten ewigen Ruhm einbrachte: Kurzentschlossen und nachdem ich sicher war, dass der Halsabschneider wieder in seiner Wohnung verschwunden war und sich vermutlich ob seines unverhofften Reibachs die Hände rieb, tauschte ich mein teuer erworbenes Krüppelchen mit dem Werbebaum – übrigens eine Edeltanne – aus.
Mit einem unsagbar wohligen Gefühl machte ich mich sogleich nach meiner Heimkehr daran, die Weihnachtskugeln und Kerzen auszupacken und den Christbaum zu schmücken.
Übrigens ohne Lametta!