Fröhliche Ostern? Eine Kolumne von Peter Grohmann

Fröhliche Ostern?

Von Peter Grohmann

Hunderttausende gehen in Polen auf die Straße – nein, nicht beim Ostermarsch, und zweimal nein: Nicht für die hunderte von Kindern, die vor, hinter, in und neben den Beichtstühlen sexuell mißbraucht wurden. Hunderttausende sind für den guten Ruf des Heiligen Vaters unterwegs, den sie nicht beschmutzen lassen wollen.

Sie beten und opfern und demonstrieren voller Zorn und Unverständnis für den Heiligen Vater, der längst im Himmel weilt und es sich gut gehen läßt.

Johannes Paul der Zwohote / liest die 10 Gebohote / Bei dem sexten angekommen / wurd‘ im Kopf ihm’s ganz benommen…

So leid’s mir tut: Vertuschen und Verschweigen und Verdrängen und Verniedlichen und Verleugnen und Vergessen sind menschlichen Eigenschaften – wir sind das lebende Beispiel. Ein Elefant beispielsweise vergißt lebenslang nicht, wenn er gequält wurde – kommt Zeit, kommt Rat, sagt er sich und scheuert bei passender Gelegenheit seinem Peinige eine. Auch ein geprügelter Hund wird (lt. Hunderegeln) meist gequält jaulen und dann sich in eine Ecke verkriechen. Doch Vorsicht: Er merkt sich den Täter sehr genau und kommt gern auf ihn zurück. Im Gegensatz zum Tier ist der Mensch sehr vergesslich. Ihm wird von Kindesbeinen an Vergeben und Vergessen gepredigt, und in aller Regel sind die Prediger die Übeltäter.

Nein, das mit dem Prediger bezieht sich nicht auf die Kirche, sondern ganz schlicht auf die Moralapostel jeglicher Couleur. Die sind wegen der Osterferien auch gern wieder mit dem SUV unterwegs (gern als Zweitwagen): Von Hamburg, wo Lindners Schwiegermutter leben könnt bis in den Breisgau, wo Wissing wohnen würde: 750 km in fünf Stunden wäre gelogen.

Mit dem Ostersonntag beginnt dann für Autobauern und Autofahrer die österliche Freudenzeit (Osterzeit), die fünfzig Tage bis einschließlich Pfingsten dauert – und wenn man nicht aufpasst, noch länger. Unabhängig davon gehört Ostern zu den beweglichen Festen – eine gute Gelegenheit also, an den Ostermärschen teilzunehmen. Falls einem dort die ganze Parolik und die ganze Richtung nicht passt, funktioniert das Mitlaufen auch mit eigenem Schild zur Schuld. Selbst ist die Frau.

Was nun die tatsächlichen Taten und die Untaten im Fernen, mittleren und Nahem Osten angeht: Die meisten Polen wollen ihre schlafenden Hunde nicht wecken. Das haben sie mit den meisten anderen Bewohnerinnen der Erde gemeinsam.

Fröhliche Ostern, fröhliche Western!

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de