Eine gelungene Veranstaltung im Mengeder Saalbau
Von Henry Mühlhausen
Das Länderspiel Polen – Deutschland im Fernsehen schauen, oder stattdessen etwas über die „wunderbare Welt des BVB“ erfahren?Unabhängig davon, dass das Spiel für die deutsche Nationalmannschaft mit einer 0:1 Niederlage endete, stellte sich für viele BVB-Fans aus Mengede und Umgebung diese Frage erst gar nicht.
Das Interesse am BVB fiel bei vielen größer aus, als das an der aktuellen Nationalmannschaft. So sorgten 230 Besucher für beste schwarzgelbe Stimmung bei der oben genannten Veranstaltung am Freitagabend, dem 16.6. im Mengeder Saalbau. Natürlich war der Saalbau schwarzgelb geschmückt und die Mehrheit der Zuschauer nutzte die Gelegenheit, im BVB-Trikot oder -T-Shirt die Veranstaltung zu besuchen. Den Verkauf der Tickets hatte bereits vor Wochen die Mengeder „Buchhandlung Am Amtshaus“ übernommen.
Organisiert von Jochen Meschke, dem früherem Geschäftsführer der Westfalenhallen Unternehmensgruppe GmbH mit Unterstützung von Heinrich Veuhoff, vom Heimatverein Mengede, führte der bekannte BVB-Chronist Gerd Kolbe souverän und mit jeder Menge Humor durch das rund zweistündige Programm. In insgesamt 09 abgeschlossenen Kapiteln führte der ehemalige Leiter der städtischen Pressestelle der Stadt Dortmund und Pressesprecher des BVB, interessant und sachkundig durch die Chronik des aktuellen Vizemeisters. Gerd Kolbe besitzt ein enormes Wissen über den BVB und verwaltet wahrscheinlich das größte BVB-Archiv überhaupt. Für die musikalische Unterstützung bei der Veranstaltung sorgte Kasche Kartner. Der Musiker ist bei BVB-Fans bestens bekannt für seine zahlreichen BVB-Songs, wobei insbesondere der Song „You’ll never walk alone“, den er vor Jahren mit seiner Band „Pur Harmony“ eingespielt hatte, mittlerweile Kultstatus erreicht hat und in Dortmund zu einer Stadionhymne geworden ist.
Die 09 Kapitel zur Geschichte des BVB beinhalteten die alles andere als einfachen Gründungsjahre von Borussia Dortmund, die von ständigen Auseinandersetzungen mit der Kirchengemeinde am Borsigplatz verbunden waren, bis hin zur Gegenwart. Weitere Kapitel waren dann u.a. – immer unterstützt durch Bildmaterial auf der großen Leinwand – die erfolgreichen 60er Jahre mit dem Europapokalsieg 1966, der Bau des Westfalenstadions oder der Champions League Sieg 1997. Ebenso wurden aber auch Tiefpunkte der BVB-Vereinsgeschichte nicht ausgespart, wie der Abstieg aus der Bundesliga 1972, oder die schwere Finanzkrise des Clubs in 2004. Auch einzelne Personen wurden gewürdigt. Z.B. der BVB-Dauerrenner Hoppy Kurrat, eine Entdeckung des damaligen BVB-Trainers Max Merkel, oder Reinhard Rauball, der das Amt des Präsidenten dreimal in finanziell äußerst schwierigen Zeiten übernahm. Kasche Kartner verstand es dann zwischen den einzelnen Kapiteln mir BVB-Liedern und seiner Akustikgitarre für regelrechte „Südtribünen-Stimmung“ im Saalbau zu sorgen.
Besonderer Clou des Abends war dann die Anwesenheit der Frauenmannschaften des TBV Mengede und dem VFB Waltrop. Diese beiden Mannschaften hatten nämlich am 2. April 1974 das erste Fußballspiel im Westfalenstadion bestritten. Der DFB war alles andere als begeistert, dass zwei Damenmannschaften das Eröffnungsspiel Spiel im neuen Dortmunder Stadion austragen sollten. Aber Erich Rüttel, der damalige Sportdezernent der Stadt Dortmund fasste den Entschluss: „Das ist unser Stadion und wir bestimmen, welche Mannschaften dort das Eröffnungsspiel bestreiten!“ Mit dieser Entscheidung hatte Dortmund schon damals eine Vorreiterrolle in einer Zeit eingenommen, in der der Frauenfußball bei weitem noch nicht die Anerkennung von heute bekommen hatte. Das Spiel endete damals, trotz Feldüberlegenheit der Mengeder Frauen und einer 1:0 Führung durch die leider verstorbene Mengeder Spielerin Elisabeth Podschwadke mit 2:1 für das Waltroper Team. Das danach stattfindende Eröffnungsspiel der Herren zwischen dem BVB und Schalke 04 endete 0:3 für das Team aus Gelsenkirchen.
Sehr interessant waren auch die kleineren Anekdoten und Geschichten, mit denen Gerd Kolbe die Präsentation der 09 schwarzgelben Kapitel auflockerte und die selbst für den einen oder anderen BVB-und Dortmund-Kenner neu gewesen sein dürften. Hier einige Beispiele:
- Die bei Teilen der BVB-Fans immer noch kritisch gesehene Umbenennung von „Westfalenstadion“ in „Signal Iduna Park“ trug einen gewichtigen Teil zur finanziellen Gesundung des BVB bei. Eine ganz besondere Namensänderung gab es allerdings im Dezember 2003. Für 24 Stunden wurde das „Westfalenstadion“ zum „Ali-Sami-Yen-Stadion“. Ein Champions League Heimspiel von Galatasary Istanbul war wegen der drohenden Gefahr eines terroristischen Anschlags nach Dortmund verlegt worden. Sportlich gesehen, ein Gewinn für die Istanbuler Mannschaft. Galatasary gewann gegen Juventus Turin mit 2:0.
- Die Rivalität zwischen dem BVB und Schalke 04 bestand übrigens nicht von Anfang an. Der Gelsenkirchener Club hatte seine Fans im gesamten Ruhrgebiet und in allen anderen Regionen Westfalens. 1934 haben sich die Spieler von Schalke 04 nach der gewonnenen Deutschen Meisterschaft sogar ins Goldene Buch der Stadt Dortmund eingetragen. Was viele Fans beider Vereine allerdings nicht wissen: Das Schalker Vereinslied „Blau und weiß wie lieb ich Dich“ wurde vom Dortmunder Hermann König geschrieben.
- Amüsant auch eine Anekdote von Trainer Herbert Lindemann, der den BVB Ende der 60er Jahre trainierte. Lindemann war bei den Spielern recht beliebt, war aber extrem kurzsichtig. Bei einem Auswärtsspiel des BVB gegen Alemannia Aachen bejubelte Lindemann dann lautstark einen Treffer der Aachener, die als Heimmannschaft, wie sonst der BVB, in schwarzgelb spielen durften.
- Und noch einmal etwas zu Dortmunds Sportdezernent Erich Rüttel: 1987 war das Jahr der von vielen Bürgern kritisch gesehenen Volkszählung. Volkszählungsgegner hatten am Abend vor dem Heimspiel des BVB gegen den HSV in großen Lettern die Parole „BOYKOTTIERT UND SABOTIERT DIE VOLKSZÄHLUNG“ auf den Rasen geschrieben, Ein Spielausfall drohte, aber Erich Rüttel ersann eine List. Nach Rücksprache mit dem Büro des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker wurde die Parole um einige Worte ergänzt, so dass dann auf dem Rasen zu lesen war: „DER BUNDESPRÄSIDENT: BOYKOTTIERT UND SABOTIERT DIE VOLKSZÄHLUNG NICHT“. Die Botschaft wurde also vom Negativen ins Positive umgewandelt. Positiv fiel aus Dortmunder Sicht auch das Ergebnis aus: Der BVB gewann die Partie 4:3.
Das von Kasche Kartner zum Ende angestimmte und gemeinsame gesungene „You’ll never walk alone“, war dann der passende schwarzgelbe Abschluss eines rundum gelungenen Abends.
Was bleibt von dieser unterhaltsamen und auch durchaus lehrreichen Veranstaltung zurück?
Auf jeden Fall der Gedanke, dass es sich lohnen würde, einen solchen Abend zu einem angemessenen Zeitpunkt einmal zu wiederholen. Die Vereinsgeschichte von Borussia Dortmund ist mittlerweile 114 Jahre alt und in diesem Zeitraum ist es nicht schwer, 09 weitere schwarzgelbe Kapitel auszuwählen und diese wieder mit Sachverstand und Humor zu präsentieren.
Und wer weiß? Vielleicht kann die schwarzgelbe Fangemeinde dann sogar noch einen neuen Titel feiern…